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Baumeister: das Architektur-Magazin — 8.1909/​1910

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Kalkschmidt, Eugen: Der städische Boden und das Haus: II. Rud. Eberstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.53857#0076

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DER BAUMEISTER ° 1910, MÄRZ.


Haus Dr. Strauss, Garmisch.*

Haus Kestramek, St. Gilgen.*

Einleitend bemerkt er, dass es auf Unterscheidung der
normalen und anormalen Zustände auch hier ankomme, so-
zusagen auf die Physiologie und Pathologie, entsprechend
den Begriffen des Wohnungswesens und der Wohnungs-
frage. Und demgemäss erhält der Leser zunächst einen
knappen Abriss der Entwicklung der städtischen Bauweise.
Der Prozess gesunden Wachstums wird verfolgt bis zu
dem Punkte, wo die Krankheitserscheinungen beginnen; die
Symptome werden untersucht, die Diagnose wird gestellt

und Merkmale der Heilung werden angegeben. Wir durch-
streifen das Altertum, verweilen ein wenig bei der römi-
schen Kaiserzeit, die mit ihren Mietskasernen in Rom,
Bauten von 21 Metern Höhe, sowohl hinsichtlich der Besitz-
wie der spekulativen Nutzungsverhältnisse Zustände ge-
schaffen hatte, die eine verdächtige Aehnlichkeit mit den
unsrigen aufweisen. Ungemein lehrreich untersucht Eberstadt
das deutsche Mittelalter. Er kann hier auf Grund eigener
Forschungen die landläufige Annahme widerlegen, dass die


*Arch. Emanuel von Seidl, München.

Schloss Seeleiten, Murnau. Schlosseinfahrt. (Grundrisse Tafel 43/44.)

Städte ihre Erweiterungen stets auf
engstem Raumedurchgeführt hätten.
Im Gegenteil: der Städtebau des 12.
und 13. Jahrhunderts ist weit-
räumig und seine Entwürfe „sind
genau so grossartig wie die des
damaligen Kirchenbaues“. Als Bei-
spiele gibt Eberstadt die Städte Köln,
Magdeburg, Rothenburg, Soest u.a.
m. und weist nach, dass die schein-
bare Planlosigkeit des mittelalter-
lichen Städtebaues nur für die Auf-
teilungs- oder Nebenstrassen be-
standen hat. Von grundlegender
Bedeutung war der Grundstücks-
verkehr, der sich nach deutschem
Recht vollzog und eine vollstän-
dige Scheidung zwischen
Boden und Bauwerk befolgte;
im Gegensätze zum älteren römi-
schen Recht, das alles, was auf dem
Boden gebaut wird, dem Boden-
besitzer zufallen lässt. Die deutsche
Baustelle wurde regelmässig nicht
verkauft, sondern gegen festen
Erbzins verliehen. Der Erwerber
zahlte eine „ewige Rente“, und die
errichteten Bauten wurden sein
Eigentum. Die Spekulation als
solche war dem Mittelalter nicht
fremd: sowohl der Boden- wie der
Hausbesitz wurde spekulativ aus-
genutzt, zum Beispiel in Köln,
wo einzelne Grosshändler zwanzig
und mehr Hausgrundstücke in einer
Hand vereinigten. Doch wurde
dadurch der Individualbesitz nicht
geschädigt. Unter den Haus-
formen unterscheidet Eberstadt
das freistehende Bürgerhaus, das
Teilhaus und das Reihenhaus mit
meist drei Fenstern, zwei Geschos-
sen und dem gemeinsamen Dach.
Ein sehr interessanter Typus ist das
T ei 1 hau s, das durch Erbgang sehr
häufig geschaffen wurde. Senkrechte
Teilung war die Regel, seltener die
wagrechte nach Stockwerken; die
Absplitterung schritt fort bis zu
einzelnen Böden und Stuben. Auf
dem Eigenbesitze, betont der
Verfasser, „beruhte in hohem Masse
 
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