DER BAUMEISTER o 1910 MÄRZ.
67
keiten: die Handels-
spekulation und die
reine Wertspekulation.
(S. 67.) „Handelsspekula-
tion ist die der neuzeit-
lichen Wirtschaft ganz un-
entbehrliche Unterneh-
mungsform, die Geschäfte
eingehtmitUnbestimmt-
heit des Abnehmers
oder Unpersönlichkeit des
Absastzes, im Gegensätze
zum „Kundengeschäft“ für
feste Auftraggeber und
einen örtlich vertrauten
Markt. Die reine Wert-
spekulation ist „begrifflich
oder tatsächlich losgelöst
von der materiellen Ver-
arbeitung oder Nutzung
der Wirtschaftsgüter“ und
will lediglich an der Wert-
bewegung und Preisände-
rung einen Geldgewinn
machen. Zu dieser speku-
lativen Betätigung gehört
Schloss Seeleiten. Oekonomiegebäud e.
die Leistungsfähigkeit der Bürger . . .“ Das mittelalterliche
Baurecht duldete keine Wüstungen innerhalb der Mauer. Der
Absolutismus machte sich diesen Rechtssatz zu eigen: un-
bebaute Bauplätze wurden eingezogen und an baulustige Unter-
nehmer vergeben. Indes kommt in dieser Periode das Miets-
haus mit der verlängerten Front auf, das der Fürst für seine
Beamten braucht, und das die „wälschen Maurer“, die den italieni-
schen Palaststil studiert haben, herstellen. Die Symmetrie und
Geradlinigkeit beginnt zu herrschen, die mittelalterliche Diffe-
renzierung von Haupt- und Nebenstrassen verliert sich. Wie
sehr aber selbst bei schematischer Parzellierung auf die Her-
stellung ausreichender Kleinwohnungen geachtet wurde,
zeigt das Beispiel von Mannheim. Bis zum Beginn des neuen
Industrie-Zeitalters also etwa bis 1850, bleibt der eigene
Hausbesitz auch des Arbeiters die Regel. Mietswohnungen
finden sich meist in kleinen Häusern. „Das Massenmietshaus war
als allgemeiner Typus unbekannt.“
Von nun ab tritt eine Teilung im städtischen Wohnungswesen
ein. Der Nordwesten, begrenzt durch eine Linie, die ungefähr
von Bremen nach Koblenz zu denken ist, hält am Dreifenster-
hause fest. Das übrige Deutschland bildet unter dem Voran-
gehen Berlins und des Ostens die Mietskaserne als Typus der
neueren städtischen Bauweise aus.
Diese Feststellung, die Eberstadt als erster vornimmt und
beglaubigt, ist überaus wichtig. Sie schafft eine erquickliche
Klarheit für die ganze weitere Behandlung der Materie.
Wie vollzog sich nun die abnorme Preisbildung der städti-
schen Bodenwerte? Eberstadt unterscheidet in dem Begriffe
„Spekulation“, der sich hier einstellt, zwei verschiedene Tätig-
Schloss Seeleiten. Seeseite.
die Getreide-, die
Effekten-, die Boden-
spekulation. Aber die
letztgenannte, als eine
Spekulation in unbe-
weglichen Gütern, ist
von den anderen For-
men grundsätzlich zu
unterscheiden. Eber-
stadt führt nun aus,
wie die Bewertung der
Baustelle bewirkt wird,
wie die Bodenspeku-
lation daran beteiligt
ist und stellt als un-
umstössliches Gesetz
auf, dass „die ge-
drängte Bauweise bei
privatwirtschaftlichem
Verkehr nicht etwa
durch die intensivere
Ausnutzung den Ge-
ländeaufwand auf die
Arch. Emanuel von Seidl.
Schloss Seeleiten.
67
keiten: die Handels-
spekulation und die
reine Wertspekulation.
(S. 67.) „Handelsspekula-
tion ist die der neuzeit-
lichen Wirtschaft ganz un-
entbehrliche Unterneh-
mungsform, die Geschäfte
eingehtmitUnbestimmt-
heit des Abnehmers
oder Unpersönlichkeit des
Absastzes, im Gegensätze
zum „Kundengeschäft“ für
feste Auftraggeber und
einen örtlich vertrauten
Markt. Die reine Wert-
spekulation ist „begrifflich
oder tatsächlich losgelöst
von der materiellen Ver-
arbeitung oder Nutzung
der Wirtschaftsgüter“ und
will lediglich an der Wert-
bewegung und Preisände-
rung einen Geldgewinn
machen. Zu dieser speku-
lativen Betätigung gehört
Schloss Seeleiten. Oekonomiegebäud e.
die Leistungsfähigkeit der Bürger . . .“ Das mittelalterliche
Baurecht duldete keine Wüstungen innerhalb der Mauer. Der
Absolutismus machte sich diesen Rechtssatz zu eigen: un-
bebaute Bauplätze wurden eingezogen und an baulustige Unter-
nehmer vergeben. Indes kommt in dieser Periode das Miets-
haus mit der verlängerten Front auf, das der Fürst für seine
Beamten braucht, und das die „wälschen Maurer“, die den italieni-
schen Palaststil studiert haben, herstellen. Die Symmetrie und
Geradlinigkeit beginnt zu herrschen, die mittelalterliche Diffe-
renzierung von Haupt- und Nebenstrassen verliert sich. Wie
sehr aber selbst bei schematischer Parzellierung auf die Her-
stellung ausreichender Kleinwohnungen geachtet wurde,
zeigt das Beispiel von Mannheim. Bis zum Beginn des neuen
Industrie-Zeitalters also etwa bis 1850, bleibt der eigene
Hausbesitz auch des Arbeiters die Regel. Mietswohnungen
finden sich meist in kleinen Häusern. „Das Massenmietshaus war
als allgemeiner Typus unbekannt.“
Von nun ab tritt eine Teilung im städtischen Wohnungswesen
ein. Der Nordwesten, begrenzt durch eine Linie, die ungefähr
von Bremen nach Koblenz zu denken ist, hält am Dreifenster-
hause fest. Das übrige Deutschland bildet unter dem Voran-
gehen Berlins und des Ostens die Mietskaserne als Typus der
neueren städtischen Bauweise aus.
Diese Feststellung, die Eberstadt als erster vornimmt und
beglaubigt, ist überaus wichtig. Sie schafft eine erquickliche
Klarheit für die ganze weitere Behandlung der Materie.
Wie vollzog sich nun die abnorme Preisbildung der städti-
schen Bodenwerte? Eberstadt unterscheidet in dem Begriffe
„Spekulation“, der sich hier einstellt, zwei verschiedene Tätig-
Schloss Seeleiten. Seeseite.
die Getreide-, die
Effekten-, die Boden-
spekulation. Aber die
letztgenannte, als eine
Spekulation in unbe-
weglichen Gütern, ist
von den anderen For-
men grundsätzlich zu
unterscheiden. Eber-
stadt führt nun aus,
wie die Bewertung der
Baustelle bewirkt wird,
wie die Bodenspeku-
lation daran beteiligt
ist und stellt als un-
umstössliches Gesetz
auf, dass „die ge-
drängte Bauweise bei
privatwirtschaftlichem
Verkehr nicht etwa
durch die intensivere
Ausnutzung den Ge-
ländeaufwand auf die
Arch. Emanuel von Seidl.
Schloss Seeleiten.