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Baumeister: das Architektur-Magazin — 8.1909/​1910

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Kalkschmidt, Eugen: Der städische Boden und das Haus: II. Rud. Eberstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.53857#0079

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DER BAUMEISTER » 1910, MARZ.

69


Jagdhaus Brey, Murnau. Hofseite.
leiden. Eberstadt bemerkt in diesem Zusammenhänge: Der
Zwang zur Aufbringung der von der spekulativen Wertbe-
wegung geforderten Beträge (an Grundstücks- etc. Zinsen)
„bildet vielleicht die schlimmste und am wenigsten beachtete
Seite der Bodenwertbildung“. (S. 117.)
In der nun folgenden Woh n u ngs s t a t i s ti k stellt der
Verfasser ein höchst lehrreiches Zahlenmaterial zusammen,
das durchweg die neuesten Untersuchungen berücksichtigt.
Die interessante Tatsache ergibt sich, dass die verrussten
rheinischen Industriestädte die besten Behausungsziffern auf-
weisen. Es folgt ein sehr stattliches Kapitel über die Praxis
des Städtebaues, das eine Fülle neuer Anschauungen und
Tatsachen verarbeitet. Weiterhin werden die sattsam gerügten
Schäden des behördlichen Eingreifens erörtert und eine sehr
brauchbare Uebersicht über die Bauordnungen der wichtigsten
Bundesstaaten wird gegeben. Ein besonderer Abschnitt be-
handelt in erweitertem Zusammenhänge die Kapitalbe-
schaffung und im Anschlüsse daran die modernen Formen
der Bodenleihe wie die Möglichkeiten einer Besteuerung der
Bodenwerte. Boden-

die Hofwohnung einer
Mietskaserne, sondern
um unser Volk mit
den besten Landhäu-
sern zu versorgen.“
(S. 264.) Das aber ist
unmöglich, weil der
fiktive Bodenwert
verzinst werden,
durchdieMieter, durch
die gesamte produk-
tive Volkswirtschaft
jahrein, jahraus be-
zahlt werden muss,
ohne dass an eine
Schuldentilgung die-
ser horrenden Summe
gedacht werden
könnte. Das ist viel-
leicht die aller-
schlimmste Einsicht,
die uns Eberstadt er-
öffnet.
Und deshalb fordert
er die Rückkehr zum
deutschen Recht mit
seiner Hypothekendif-
ferenzierung. Er sagt:
„Die grundbuchliche
Belastung des Bodens
für produktive Zwecke
soll getrennt werden
und dauernd getrennt
bleiben von der Belastung für immaterielle und spekulative For-
derungen, so dass der Bauwert nicht mehr genutzt werden kann
zur Realisierung der spekulativen Ansprüche.“ (S. 266.) Es soll
unterschieden werden zwischen Meliorationshypotheken und
einfachen Bodenschulden. Solange man aber die grundbuch-
liche Verschmelzung des Bauwertes mit der Bodenspekula-
tion zulässt, kann weder dem Baugewerbe noch dem
Wohnungswesen geholfen werden. Auch Eberstadt tritt also
für eine erweiterte Anwendung des Erbbaurechtes ein; er
verlangt eine Vervollständigung der gesetzlichen Bestim-
mungen über Beleihung von Bauten auf Erbbaurecht und
verweist auf den vielerörterten Mangel an Realkreditinstituten
für solche tilgbaren Darlehen auf geliehenen Boden.
In weiteren Abschnitten sind dargestellt die Bewegung der
Bevölkerung an der Hand der Benutzungsziffern der Ver-
kehrsmittel, ferner die mancherlei Versuche der städtischen
Ansiedelungsreformer. Die Bautätigkeit unter Gewinnverzicht
wird nach Umfang und besonderer Tendenz beschrieben.
Endlich folgt ein kurzer, aber recht inhaltsschwerer Ueber-

parzellierung und
Realkredite sind nach
Eberstadt das eigent-
lich Entscheidende in
der Wohnungsfrage
— wir sind ja im Laufe
der Untersuchungen
längstin diewirtschaft
liehen Krankheitser-
scheinungen der städ-
tischen Behausungen
hineingeraten. Und
hier wartet uns Eber-
stadt mit einer er-
schreckenden Ueber-
raschung auf: er be-
rechnet die Boden-
verschuldung in
Deutschland heute auf
60 Milli ar den. Drei
Viertel von ihnen dürf-
ten auf die Städte ent-
fallen. Jährlich kom-
men für Hypotheken
neu hinzu mehr als
zwei Milliarden. Für
Verzinsungmüssen im
Jahre aufgebracht wer-
den 21i2 Milliarden.
Für den Bau jeder
neuen Wohnung wäre
durchschnittlich ein
Betrag von 7500 Mark
vorhanden; „mehr als
hinreichend nicht für


Arch. Emanuel von Seidl, München.

Jagdhaus Brey, Murnau. Vorderseite (Grundrisse Tafel 43 44.)
 
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