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Baumeister: das Architektur-Magazin — 8.1909/​1910

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Schoenfelder, Lothar Bruno Karl: Die Architektur Italiens, ein Ergebnis klimatischer Verhältnisse, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.53857#0142

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132

DER BAUMEISTER - 1910, AUGUST


*St. Georgskirche in Milbertshofen.

den übertragen lassen,
immer vor Augen be-
halten. Erst die eigen-
tümliche Verwirrung,
das völlige Hintan-
setzen des konstruk-
tiven Gedankens, das
sich im 18. und 19. Jahr-
hundert fühlbar machte,
hat zu dem wähl- und
planlosen Uebernehmen
südlicher Formen in
unsere Baukunst ge-
führt. Das Erwachen
architektonischen Ge-
wissens, wie wir es seit
Jahrzehnten in steigen-
dem Masse in England
und Deutschland wie-
der beobachten kön-
nen, musste notwendig
wieder zur Abkehr
von allem Wesens-
fremden, von allem
konstruktiv Unmög-
lichen und Material-
unechten führen. Nicht
in derNachahmung sol-
cher Architekturreize,

*Arch. O. O. Kurz, München. St. Georgskirche in München-Milbertshofen.
Flächen, an deren schönem Steinkorn, an deren bloss kon-
struktiv richtige Zusammenfügung die Gotik schon ihre
Freude hatte, hat die Renaissance wieder mit Ornamenten
bedeckt. Aber was bedeuten diese unbedeutenden Verände-
rungen gegenüber den grossen Konstruktionsprinzipien. Der
Italiener hat für die nordische Gotik im Mittelalter niemals
das richtige Verständnis gehabt, aus dem ganz einfachen
Grunde, weil er den konstruktiven Grundgedanken der Gotik
nicht nachging, da er es nicht zu tun brauchte. Genau so
ist es den Nordländern ergangen mit italienischer Renais-
sance. Die nordische Renaissance, die deutsche, die fran-
zösische, flämische, englische, alle basieren nach wie vor auf
den konstruktiven Prinzipien der Gotik und verwenden nur
ganz nebenbei in der Dekoration, italienische ornamentale
Motive. Der Gotiker begriff eben sehr wohl, dass all die
Hindernisse, die in den vorstehenden Zeilen aufgeführt sind,
für die Einführung des italienischen Portikus, der italienischen
Terrazza, des italienischen flachen Daches, im nordischen
Klima auf geradezu unüberwindliche Hindernisse stösst. Auch
die nachfolgende Zeit bis hinein in das Barok hat die
Grenzen, in den sich italienische Formen nach dem Nor-


Heil lie-
Nur in
Entwick-

Platzanlage mit Rathaus
in Herne. (Siehe Seite 128),

die zu verwer-
ten unser Kli-
ma uns nicht
erlaubt, kann
das
gen.
der
lung neuer
Motive auf der
konstruktiven
Basis, die un-
ser Vaterland
unsaufzwingt,
kann Erfolg
liegen. Der
Grenzen sei-
ner Kraft sich
bewusst sein,
das macht den
ganzen Mann, das ist auch die Stärke
eines Volkes, einer Nation.


Verlag: Georg D. W. Callwey in München. Verantwortlich: Hermann Jansen in Berlin W. 35. Druck: Kastner 4 Callwey in München
 
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