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dom Ä-el.
K r i m i n a l e r z ä h l u n g
von
Friedrich Friedrich.
(Fortsetzung.)
In der Nähe seines Gutes angelangt, hielt der
Freiherr an und stieg vom Pserde, indem er dem
Reitknechte den Zaum zuwarf.
„Nun reite zurück," sprach er kurz. „Ich wollte
sehen, ob die Tyiere gut laufen, sie sind beide besser
als ich glaubte, laß ihnen aus dem Heimwege Zeit,
denn sie sind erhitzt!"
Er gab dem Reitknechte ein Trink-
geld und schritt dann rasch seinen!
Gute zu.
Der Gedanke, daß er den Kopf
des Barons hinter dem Baume im
Walde gesehen habe, wich nicht von
ihm. Als er auf der Veranda vor
seinem Hause saß, glitt sein Auge
unwillkürlich durch den Garten hin.
Konnte der Kops nicht auch dort
wieder austauchen? Er hatte der
Phantasie nie in seinem Leben viel
Spielraum gegönnt, dennoch ließ die-
selbe düstere Bilder vor ihm aufstcigen,
welche er mit aller Kraft nicht zu ver-
scheuchen vermochte. Um ihnen ans-
znweichen, begab er sich früher als
gewöhnlich zur Ruhe, nachdem er sich
überzeugt hatte, daß Thüren und Fen-
ster fest verschlossen waren.
Ziemlich früh am folgenden Mor-
gen erschien der Kommissär Pitt auf
dem Gute. Der Freiherr zuckte un-
willkürlich leise zusammen, als er
diesen Mann erblickte, dennoch trat
er ihm artig entgegen.
„Ich habe versprochen, Sie über
den Stand der Untersuchung zu un-
terrichten, so weit dies meine Pflicht
gestattet," sprach Pitt.
„Haben Sie den Mörder Matten's
entdeckt?" warf der Freiherr ein, indem
er den Kommissär einlud, sich nieder-
zulassen und ihm einen Stuhl hinschob.
Er that dies mit einer solchen
Hast, als wolle er seine eigene Unruhe
dadurch verbergen.
„Nein," gab Pitt zur Antwort.
„Das Verbrechen, das in diesem Hanse
verübt ist, hat mir schon sehr viel
Mühe bereitet und bis jetzt ist sie
sämmtlich vergebens gewesen. Die Ar-
beiter haben dasselbe nicht begangen, dies
ist jetzt so gut wie erwiesen. Barthels

ist verhaftet und seine Aussage stimmt mit der Lang-
hoff's vollständig überein. Er ist allerdings in jener
Nacht hier im Garten gewesen, um sich zu überzeugen,
ob der Herr v. Malten noch bei Ihnen sei, als er
indessen kein Fenster mehr erhellt gesehen, ist cr sofort
zurückgekehrt. Nach der übereinstimmenden Aussage
der übrigen Verhafteten ist dies fast zwei Stunden
früher gewesen, als der Schuß gefallen. Er leugnet
nicht, daß er ein Pistol bei sich geführt, aber nur in
der Absicht, um Malten zu schrecken, nicht um ihn zu
tödten; es ist dasselbe Pistol gewesen, welches ich am
folgenden Morgen in dem Stroh seines Lagers ge-
sunden, und daß aus ihm die Kugel, welche Malten
getödtet, nicht geschossen ist, sah ich sofort."

Der Freiherr hatte schweigend zugehört, während
seine Augen mehrere Male unruhig und ungeduldig durch
das Zimmer hinglitten.
„Ich habe meine Nachforschungen nach allen Seilen
hin ausgedehnt und es ist mir nicht gelungen, eine
sichere Spur zu entdecken," fuhr der Kommissär fort.
„Hat sich Ihnen nicht ein Verdacht aufgedrängt?"
„Nein," gab der Freiherr zur Antwort.
„Sie haben auch keine Spur weiter gefunden? Ich
weiß, daß Ihr Auge ein scharfes ist."
„Ich habe nichts gefunden."
„Herr Freiherr, ich habe jeden möglichen Fall er-
wogen," fuhr Pitt fort, „ich finde selbst keine Ruhe, wenu
mir eine solche Aufgabe gestellt ist, da haben sich mir
nur zwei Möglichkeiten ergeben."
Er hielt inne.
„Welche? Bitte, sprechen Sie,"
fiel Mannstein ein.
„Entweder hat sich der Herr von
Malten selbst das Leben genommen ..."
„Nein, das ist nicht möglich," un-
terbrach ihn der kleine Herr. „Es
hätte sich müssen doch eine Waffe
finden, mit der er sich erschossen!"
„Könnte nicht eine Freundeshand
dieselbe entfernt haben, in der Ab-
sicht, der Familie des Todten den
Schmerz und auch die Schmach zu
ersparen?"
„Ich war der erste, der nach dem
Schüsse in das Zimmer trat!" rief
der Freiherr.
„Ganz recht; Malten war Ihr
Freund, und daß Sie auch der Freund
seiner Frau und Tochter sind, haben
Sie nach feinem Tode hinlänglich be-
wiesen. Es wäre doch gewiß ein
edler Beweggrund gewesen, der Sie
bewogen, die Waffe, mit der er sich
selbst den Tod gegeben, zu entfernen."
„Ich habe "dies nicht gethan," gab
Mannstein mit offenem Blicke zur Ant-
wort. „Weshalb hätte ein Alaun, der
reich und allgemein beliebt war, der
mit seiner Familie ans das Glücklichste
lebte, der ein heiteres Gemüth und
keinen Grund zur Klage hatte -—
weshalb hätte ein solcher Alaun sich
das Leben nehmen sollen? Er hat es
nicht gethan!"
„Dasselbe, was Sie mir sagen,
habe auch ich erfahren," bemerkte der
Kommissär. „Es lag in der That
nicht die geringste Veranlassung vor,
die den Herrn v. Malten zum Selbst-
morde hätte treiben können, und daß
er in einer plötzlichen Geistesstörung
es gethan habe, ist anch kaum anzu-

Lutztnig Winbthorst.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb- (2. 106.)
 
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