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Das Hans -es Othello.
Erzählung
von
K. A Struivy.
(Forisetznng.)
5.
Das Bureau des Advokaten de Malis hatte un-
gefähr dieselbe Ausstattung, wie ähnliche Geschäfts-
lokale bei uns: mit Tinte befleckte und mit Papieren
überladene Stehpulte, an den kahlen geweißten Wänden
Repositorien mit Büchern gelehrten Aussehens und Akten-
bündeln angefüllt. Fenster ohne Vorhänge, ein halbes
Dutzend Rohrstühle und zwei mit Saffian gepolsterte
Lehnsessel für die vornehmeren Klienten.
Nur der Steinfußboden und die dunkle
getäfelte Holzdecke mit den zierlich ge-
schnitzten Piuienäpfeln in der Kreuzung
der Ornamente war spezifisch venetianisch.
Von den zwei im Bureau anwe-
senden Personen hatte der Eine, ein
kleiner dicker Blondin, soeben ein Blatt
Papier, auf welches ein blutendes, von
einem Pfeil durchstochenes Herz mit der
Unterschrift: „Ewig das Deine" gemalt
war, au die Fensterscheibe geklebt und
beobachtete durch ein großes Theater-
perspektiv die Wirkung, welche diese
symbolische Liebeserklärung auf die
kleine Perlenstickerin machen werde, die
drüben, emsig auf ihre Arbeit gebückt,
am Fenster saß. Derselbe hätte das
Glas nicht nöthig gehabt, da die
Gasse so eng war, daß man seinem
Gegenüber ohne Anstrengung die Hand
reichen konnte.
„Warum seufzen Sie denn so herz-
brechend, Zulian?" sagte der Andere,
ein schmächtiger Schwarzkopf, welcher
seine langen Beine in dem Saffianlehn-
stuhle behaglich dehnte. „Um Gottes
willen, ich glaube, Sie haben eine
österreichische Cigarre geraucht, Sie
Vaterlandsverräther, und das hat Ihre
ohnehin nicht allzu starken Gehirnnerven
angegriffen."
- „Sie wissen nicht, Piergiovan",
gab der Blonde wiederum tief aufseuf-
zend zur Antwort, „Sie wissen nicht!" —
„Was weiß ich nicht?" unterbrach
ihn der Schwarze. „Ich bitte Sie,
sagen Sie mir in verständlichem Jta-
licmfch, der herrlichen Sprache unseres
Tasso und Petrarca, was Ihnen das
Herz gebrochen hat."
„Sie war vorgestern mit Krako-
mirowitz in der Fe.nce!"

„Kra—Kra? Wer ist das?"
„Der Kroat, welcher mir meine Marietta ver-
führt hat," entgegnete der Blondin, indem er sich
bemühte, sein rosiges Gesicht in möglichst fchwermüthige
Falten zu legen.
„Also ein Individuum, ein männliches Individuum
! ist dieser Kra— hol' ihn der Teufel mit sammt sei-
nem Namen. Madonna! Schämen Sie sich nicht,
Zulian, wegen eines Kroaten in so tiefe Melancholie
zu versinken. Sie verschwenden Ihre Zeit mit Ver-
fertigung durchstochener Herzen, statt Ihre Feder und
Ihren Geist, für welche unser Chef Ihnen das emi-
nente Salär von 30 Lire monatlich bezahlt, dem Ehc-
scheidungsakt zu widmen, welchen ich dort angefangen
auf Ihrem Pulte liegen sehe? Beruhigen Sie sich,

Sie sollen gerächt werden, das schwöre ich Ihnen,
Zulian. Ich werde Ihren Kroaten denunciren und
wenn der Löwe von San Marco zu brüllen beginnt,
wird er das erste Opfer der Volkswnth werden."
„Ich sehe die heilige Barbara," rief der Blonde,
durch das Fenster blickend, „sie kommt zu uns herein."
„Um Gottes willen," lachte der Andere, „er ist
verzückt, er hat Visionen, er sieht eine Heilige! Zu-
lian, ich erlebe es noch, daß Sie wenigstens selig ge-
sprochen werden."
Die Thüre öffnete sich und die Tcchter des Anti-
quars rauschte herein. Nachdem sich die schöne Bar-
bara, um Herrn de Malis zu erwarten, in einen
der Sasfianlehnsessel niedergelassen und ihren Shawl
ganz in der Manier der Heiligen von Maria Formosa
drapirt hatte, nahm sie die Aufmerksam-
keit der beiden jungen Leute huldreichst
entgegen. Sie konnte, den Kopf ein
wenig zur Seite geneigt, die glänzenden
braunen Augen auf den Sprecher ge-
heftet, den Fächer in der etwas gehobenen
Hand, gerade wie die Namensschwester
den Palmzweig haltend, so hübsch zu-
hören.
Piergiovan erschöpfte sich in guten
und schlechten Witzen und selbst für
Zulian, welcher mit obligatem Lächeln
und offenem Munde zuhörte, beganu der
Steru drübeu am Fenster vor der
strahlenden Sonne im Lehnstuhl zu
erbleichen.
Da öffnete sich die Thüre znm
zweiten Male und Ghita trat herein,
nicht eben freudig überrascht, die Neben-
buhlerin im vollen Glanze ihrer Schön-
heit vor sich zu sehen. Sie konnte sich
eines bitteren Gefühls nicht erwehren,
wenn sie die elegante Toilette dersel-
ben mit ihrem verschossenen Seiden-
kleide verglich. Dennoch nahm sie mit
dem Anstande einer Fürstin auf dem
anderen Lehnsessel Platz. Ich bin ja
eine Barberigo, dachte sie, und Jene
ist nur die Tochter eines ehemaligen
Dieners meiner Tante.
Endlich erlöste sie Herr de Malis
und Barbara wurde, als die Zuerst-
gekommene, eingeladen, in das Privat-
zimmer des Advokaten einzutretcn.
„Ihr Herr Vater ist wieder -un-
päßlich? ich bedaure," fragte der Ad-
vokat, in der Meinung, Herr Ortiga,
für welchen er schon allerhand Rechts-
geschäfte geordnet hatte, habe wie schon
einige Male seine Tochter mit einem
Auftrage an ihn abgesendet.
„Ich komme nicht im Namen meines
Vaters," begann die schöne Barbara


Wilhelm bmanncl Freiherr van KctU-ler, Bischos von Mainz. (L. 298.)
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb.

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