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Das Buch für Alle.
W 1.
Da; cüennscke üubomtorium.
nämlich aus dem rühmlichst bekannten Atelier von
James Kookson, der anerkanntermaßen der beste
Zahnarzt der Vereinigten Staaten ist und nur allere
bestes Material und allerreinsteS Gold verarbeitet."
Für diese feine Reklame zahlte der Zahnarzt mit
Vergnügen zwcihundertundsünfzig Dollars.
Auch sonst machte die „Morning Post" mit dem
Extrablatt ein glänzendes Geschäft. Die ganze Stadt
amüsierte sich natürlich königlich darüber, die
Kandidatur Harrisons mar rettungslos dem Fluche
der Lächerlichkeit preisgcgeben.
Herbert
aber erhielt
dreihundert
Dollars Be-
lohnung und
wurde zugleich
zum Redakteur
ernannt mit
einem An-
fangsgehalt
von fünftau-
send Dollars.
Als er sich
am Nachmit-
tage dem Pri-
vatcomptoir
des Chefredak-
teurs näherte,
um sich ihm
als neuen Kol-
legen vorzu-
stellen, hielt er
vor der Thür
erstaunt inne,
denn er glaubte eine bekannte, liebe Stimme zu
hören. Er lauschte gespannt. Kein Zweifel, es
war Luise Schwarz, an die er die ganze Nacht in
stillem Sehnen gedacht hatte.
Sie schien sehr erregt zn sein, denn ihre Stimme
bebte, als sie jetzt sagte: „Nein, nein, Herr Redak-
teur. Machen Sie nur keine Ausflüchte! Sie müssen
mir eine andere Stelle verschaffen, oder mich sonst
ausgiebig entschädigen. Denn durch Sie, durch Ihren
Reporter, der, sicherlich in Ihren: Auftrage, mir in
hinterlistiger Weise mein Geheimnis entlockte, bin ich
nm meine gute,
Liner der krörsäle.
Harrison, es würde euch sonst noch bitter gereuen.
Denn sein Herz und sein Gemüt sind ebenso falsch
wie die Haare nnd die Zähne seiner Gattin."
Dann folgte eine eingehende, im allgemeinen der
Wahrheit entsprechende nnd nnr ein wenig allzn-
dramatisch zngespitzte Schilderung des Einbruchs, in
der es an allerhand boshaften Spitzen gegen den
Bankier nnd seine Gattin nicht fehlte. Am Schluß
des Extrablattes aber hieß es:
„Einen Trost wenigstens hat der bemitleidens-
werte Dieb doch noch gehabt. Das Gebiß stammt
der Aerger schon gemacht hatten.
Hastig trat sic auf ihn zn.
Ehe sie aber noch ein Wort
sagen konnte, Hub er schon an:
„Fräulein Schwarz, ich allein bin
der Schuldige. Ich bin auch zu
jeder Genugthnnng, zu jeder Ent-
schädigung bereit."
„"Nein," entgegnete sie,, und
Thränen traten ihr in die Angen,
„von Ihnen will ich gar nichts
habe::. Es schmerzte mich nur tief,
daß ein Landsmann so an mir
handeln konnte."
„Weinen Sie nicht, liebes
Fräulein," bat er im weichsten
Ton und faßte zärtlich ihre Hand.
„Es ist wahr, ich habe eigentlich
schlecht an Ihnen gehandelt. Aber
geschehene Dinge lassen sich nicht
ändern, höchstens besser machen.
Und das will ich auch, will meine
ganze Kraft dafür cinsetzen. Ich
will Ihnen also alles geben, was
ich besitze, und das ist gar nicht
wenig, denn ich habe recht hübsch
gespart. Aber wissen Sie, was Sie
mit in den Kauf nehmen müssen?"
Sic sagte nichts, aber sic schaute ihn fragend an,
ein leises Beben ging über ihre Gestalt, schneller und
schneller pochte ihr Herz in angstvoller Erwartung.
„Mich selbst!" sagte er leise und innig. „Sind
Sie es zufrieden?"
Sie schluckte tapfer die immer heißer hervor-
qnellendcn Thränen hinunter und sagte nichts wie:
„Ja!"
Sie sträubte sich auch gar nicht, als er sie in
seine Arme schloß und ihr die Thränen von den
Augen küßte.
Line ptnlosopln'scüe Vorlesung.
„Mein geliebtes Mädchen", flüsterte er. „Dir
allein danke ich mein Glück, denn ohne dich wäre
ich — doch nein, das null ich dir lieber erst nach
der Hochzeit erzählen. Dem Diebe von Mrs. Harri-
sons falschen Zähnen aber würde ich mit Freuden
ein fürstliches Dankgeschenk stiften, wenn ich das
Vergnügen hätte, ihn zn kennen."
Der Chefredakteur klatschte vcrguügt in die
Hände nnd rief: „Ah, Mr. Schmitz, das gicbt ja
wieder einen prächtigen Artikel fürs Abendblatt!"
--
habe ich Thomas Johnson gehei¬
ratet, der sich ja auch unter den
Gästen befand. Die Hochzeit feiern
wir im Hotel „Monopol", denn
das Hotel „Zur Stadt Baltimore"
ist Thomas nicht sein genug.
Lieber Herbert, Du mußt mir nicht
böse sein. Glaube mir, es ist besser
so; nur hätten doch nicht recht zu
eiuauder gepaßt. Eine Amerika-
nerin paßt nur zu einem Amerika¬
ner. Ich hoffe, daß Du bald
mit einer blonden Deutschen recht
glücklich wirst!
Mary Johnson."
Drei-, viermal las er dieses
denkwürdige Schreiben durch uud
wunderte sich, daß er so ruhig
dabei bleiben konnte. Seltsamer-
weise fühlte er keine Spur von
dem wahnsinnigen Schmerz, der
gestern noch ganz sicher sein Herz
durchzuckt haben würde, wenn ihm
seine Mary so plötzlich verloren
gegangen wäre. Ihn: war weit
eher zu Mute, als sei er von einer
schlimmen Krankheit genesen. Wie
befreit atmete er ans, eine schwere
Last schien ihn: von der Seele gefallen zu sein.
„Mary hat recht!" murmelte er vor sich hin. „Sie
wäre keine Fran für mich gewesen, wir wären beide
höchst unglücklich miteinander geworden."
3.
An: anderen Morgen erschien ein Extrablatt der
„Morning Post", das an der Spitze mit riesengroßen
Lettern die Warnung trug:
„Mitbürger! Wählt nimmermehr den Bankier
Die klbiietkek.
hochbezahlte
Stellung ge-
kommen. So-
bald Harrison
von Ihren:
Extrablatt er-
fuhr, hat er
mich fortge-
schickt." "
Ohne die
Antwort sei-
nes Chefs ab-
zuwarten, öff-
nete Herbert
schnell die
Thür und trat
ins Zimmer.
Als Luise
ihn erblickte,
färbten sich ihre
Wangen noch
röter, als sie
der Zorn und
Studier- und Scülairinuner iür r»si Studentinnen.
Oie krauenuniversität in 5t. Petersburg. Nack ptiotograpliien von Ziffer Znfferson. (5. 13)
Das Buch für Alle.
W 1.
Da; cüennscke üubomtorium.
nämlich aus dem rühmlichst bekannten Atelier von
James Kookson, der anerkanntermaßen der beste
Zahnarzt der Vereinigten Staaten ist und nur allere
bestes Material und allerreinsteS Gold verarbeitet."
Für diese feine Reklame zahlte der Zahnarzt mit
Vergnügen zwcihundertundsünfzig Dollars.
Auch sonst machte die „Morning Post" mit dem
Extrablatt ein glänzendes Geschäft. Die ganze Stadt
amüsierte sich natürlich königlich darüber, die
Kandidatur Harrisons mar rettungslos dem Fluche
der Lächerlichkeit preisgcgeben.
Herbert
aber erhielt
dreihundert
Dollars Be-
lohnung und
wurde zugleich
zum Redakteur
ernannt mit
einem An-
fangsgehalt
von fünftau-
send Dollars.
Als er sich
am Nachmit-
tage dem Pri-
vatcomptoir
des Chefredak-
teurs näherte,
um sich ihm
als neuen Kol-
legen vorzu-
stellen, hielt er
vor der Thür
erstaunt inne,
denn er glaubte eine bekannte, liebe Stimme zu
hören. Er lauschte gespannt. Kein Zweifel, es
war Luise Schwarz, an die er die ganze Nacht in
stillem Sehnen gedacht hatte.
Sie schien sehr erregt zn sein, denn ihre Stimme
bebte, als sie jetzt sagte: „Nein, nein, Herr Redak-
teur. Machen Sie nur keine Ausflüchte! Sie müssen
mir eine andere Stelle verschaffen, oder mich sonst
ausgiebig entschädigen. Denn durch Sie, durch Ihren
Reporter, der, sicherlich in Ihren: Auftrage, mir in
hinterlistiger Weise mein Geheimnis entlockte, bin ich
nm meine gute,
Liner der krörsäle.
Harrison, es würde euch sonst noch bitter gereuen.
Denn sein Herz und sein Gemüt sind ebenso falsch
wie die Haare nnd die Zähne seiner Gattin."
Dann folgte eine eingehende, im allgemeinen der
Wahrheit entsprechende nnd nnr ein wenig allzn-
dramatisch zngespitzte Schilderung des Einbruchs, in
der es an allerhand boshaften Spitzen gegen den
Bankier nnd seine Gattin nicht fehlte. Am Schluß
des Extrablattes aber hieß es:
„Einen Trost wenigstens hat der bemitleidens-
werte Dieb doch noch gehabt. Das Gebiß stammt
der Aerger schon gemacht hatten.
Hastig trat sic auf ihn zn.
Ehe sie aber noch ein Wort
sagen konnte, Hub er schon an:
„Fräulein Schwarz, ich allein bin
der Schuldige. Ich bin auch zu
jeder Genugthnnng, zu jeder Ent-
schädigung bereit."
„"Nein," entgegnete sie,, und
Thränen traten ihr in die Angen,
„von Ihnen will ich gar nichts
habe::. Es schmerzte mich nur tief,
daß ein Landsmann so an mir
handeln konnte."
„Weinen Sie nicht, liebes
Fräulein," bat er im weichsten
Ton und faßte zärtlich ihre Hand.
„Es ist wahr, ich habe eigentlich
schlecht an Ihnen gehandelt. Aber
geschehene Dinge lassen sich nicht
ändern, höchstens besser machen.
Und das will ich auch, will meine
ganze Kraft dafür cinsetzen. Ich
will Ihnen also alles geben, was
ich besitze, und das ist gar nicht
wenig, denn ich habe recht hübsch
gespart. Aber wissen Sie, was Sie
mit in den Kauf nehmen müssen?"
Sic sagte nichts, aber sic schaute ihn fragend an,
ein leises Beben ging über ihre Gestalt, schneller und
schneller pochte ihr Herz in angstvoller Erwartung.
„Mich selbst!" sagte er leise und innig. „Sind
Sie es zufrieden?"
Sie schluckte tapfer die immer heißer hervor-
qnellendcn Thränen hinunter und sagte nichts wie:
„Ja!"
Sie sträubte sich auch gar nicht, als er sie in
seine Arme schloß und ihr die Thränen von den
Augen küßte.
Line ptnlosopln'scüe Vorlesung.
„Mein geliebtes Mädchen", flüsterte er. „Dir
allein danke ich mein Glück, denn ohne dich wäre
ich — doch nein, das null ich dir lieber erst nach
der Hochzeit erzählen. Dem Diebe von Mrs. Harri-
sons falschen Zähnen aber würde ich mit Freuden
ein fürstliches Dankgeschenk stiften, wenn ich das
Vergnügen hätte, ihn zn kennen."
Der Chefredakteur klatschte vcrguügt in die
Hände nnd rief: „Ah, Mr. Schmitz, das gicbt ja
wieder einen prächtigen Artikel fürs Abendblatt!"
--
habe ich Thomas Johnson gehei¬
ratet, der sich ja auch unter den
Gästen befand. Die Hochzeit feiern
wir im Hotel „Monopol", denn
das Hotel „Zur Stadt Baltimore"
ist Thomas nicht sein genug.
Lieber Herbert, Du mußt mir nicht
böse sein. Glaube mir, es ist besser
so; nur hätten doch nicht recht zu
eiuauder gepaßt. Eine Amerika-
nerin paßt nur zu einem Amerika¬
ner. Ich hoffe, daß Du bald
mit einer blonden Deutschen recht
glücklich wirst!
Mary Johnson."
Drei-, viermal las er dieses
denkwürdige Schreiben durch uud
wunderte sich, daß er so ruhig
dabei bleiben konnte. Seltsamer-
weise fühlte er keine Spur von
dem wahnsinnigen Schmerz, der
gestern noch ganz sicher sein Herz
durchzuckt haben würde, wenn ihm
seine Mary so plötzlich verloren
gegangen wäre. Ihn: war weit
eher zu Mute, als sei er von einer
schlimmen Krankheit genesen. Wie
befreit atmete er ans, eine schwere
Last schien ihn: von der Seele gefallen zu sein.
„Mary hat recht!" murmelte er vor sich hin. „Sie
wäre keine Fran für mich gewesen, wir wären beide
höchst unglücklich miteinander geworden."
3.
An: anderen Morgen erschien ein Extrablatt der
„Morning Post", das an der Spitze mit riesengroßen
Lettern die Warnung trug:
„Mitbürger! Wählt nimmermehr den Bankier
Die klbiietkek.
hochbezahlte
Stellung ge-
kommen. So-
bald Harrison
von Ihren:
Extrablatt er-
fuhr, hat er
mich fortge-
schickt." "
Ohne die
Antwort sei-
nes Chefs ab-
zuwarten, öff-
nete Herbert
schnell die
Thür und trat
ins Zimmer.
Als Luise
ihn erblickte,
färbten sich ihre
Wangen noch
röter, als sie
der Zorn und
Studier- und Scülairinuner iür r»si Studentinnen.
Oie krauenuniversität in 5t. Petersburg. Nack ptiotograpliien von Ziffer Znfferson. (5. 13)