Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 37.1902

DOI Heft:
Heft 2
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44085#0042
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heft s JUustvievte Faurikien-Deitnug. Z»Kg. IM.


V?enn 6u mi'ck liebst.
komcin von Seorg 6arlioig sCmmff Koeppel).
(fortset^ung.)

(llcickäruck verboten.)
rau v. Lüftung nahm stillseufzend die drei-
hundert Mark des Vikamtes au sich, um sie
für Marie Antoniens Toilette zu verwenden.
Zu rechter Zeit lag denn auch eiu rosa
Kaschmirkleid in Marie Antoniens Schlafzimmer,
dem das junge Mädchen, deren höchster Luxus bis-
her ein dunkles Sonntagstuchkleid gewesen war, nur
mit verhaltenem Atem zu nahen wagte.
Inzwischen hatte die Baronin sich mit Erfolg be-
müht, ihrem Schützling die Elemente höfischer Ge-
sittung beiznbringen, besonders den großen Hofknicks.
„In dem Moment, wo du morgen hören wirst: Eure
königliche Hoheit wollen allcrgnädigst gestatten —
dies ist nämlich der Moment, wo möglicherweise die
Großherzogin dich
im Bazar kennen
lernen will — erste
tiefe Verbeugung.
So! Linker Fuß
nach hinten." —
Die Baronin
bengte nach dieser
Erläuterung ihren
mittleren Körper¬
teil so bedenklich
nach rückwärts,
daß Marie Anto¬
nie vor Schreck
die Lippen weit
öffnete.
„Wenn dann
die hohe Fran dich
ansieht und etwa
die Gnade hat, dich
anznsprechen:
zweiter Knicks.
Hier ließ sich die
Freifrau Halbwegs
auf den Teppich
nieder, schnellte
jedoch wieder
majestätisch in die
Höhe.
„Sollte sie dir
aber gar die Hand
reichen — tief den
Kopf herunter und
leiser Handkuß.
So!" Die Baro¬
nin neigte demütig
das Haupt, wäh¬
rend sie ihren rech¬
ten Arm gekrümmt
ansstreckte, nm

! mit ihren Lippen den eigenen Handrücken zu be-
! rühren.
„Also, ich bin die Fürstin. Los!"
Marie Antonie folgte diesem Kommando mit so
lautem Herzschlag, daß sie sozusagen hilflos in beide
Kniee sank.
„Tu wackelst ja!" rief die Barouin uuzusricdcu.
„Sollst du denn mit den Beinen hinten ansschlagen'f
Na, endlich! Jetzt ging's an." -
Die Erregung, in welche das junge Mädchen
dnrch diese Lektionen versetzt worden war, erreichte
ihren Höhepunkt, als Marie "Antonie, reizend ge-
schmückt, neben der stolzblickenden Baronin die Stufen
zu den Sälen des Wohlthätigkeitsbazars emporstieg,
halb erstickt von einem atemranbendcn Mischgcfühl
der Angst und des Entzückens.
Wie aber erst, da beide in den großen, taghell
erleuchteten Raum traten, welcher von Buden und
Lauben, Menschen und Waren vollgepfropft war!
Marie Antonie klammerte sich ängstlich an den
"Arm der außerordentlichen Tante, welche mit einer
Sicherheit, als habe sie Amadeus Dcbcllaires Tochter
von Kindheit an auf den Knicen gewiegt, das tief-

errötende Mädchen einige Dutzend Male als ihre
liebste Nichte, die Vikomtesse Marie Antoinette
v. Dcbcllaire, vorstellte.
Bald zeigte ein fortlaufendes Geflüster den Weg
an, welchen Fran v. Lüttmig genommen hatte. Plötz-
lich erhielt Marie Antonie durch die Fächcrspitze ihrer
Führerin einen spürbaren Stoß gegen den Arm.
„ FH re königliche Hoheit —"
Infolge des ununterbrochenen Grüßens und An-
gesprochcnwerdcns schon ganz wirbelig geworden,
fehlte jetzt nicht viel, und Marie Antonic hätte laut
anfgeschluchzt vor Erregung. Sie wagte nicht mehr
die Wimpern ans,zuschlagen, ans Angst, das Stich-
wort zu überhören.
Jetzt tönte Tante Tinas Stimme: „Enre könig-
liche Hoheit gestatten —"
Niemand konnte behaupten, daß der Knicks,
welchen die kleine Vikomtesse zu stände brachte, be-
sondere Anmut verriet; schlimmer wäre es aber
beinahe geworden, als sie die Angen anfschlug,
um sie an der fürstlichen Schönheit, welche ihr
vorschwebtc, zu weiden. Denn statt der majestä-
tischen Gestalt, die sie als unfehlbar voranssetzte,
stand eine kleine,
runde, recht behä-
bige Dame vor ihr,
durchaus einfach
gekleidet, nieder
holdselig noch herr-
lich, sondern ei-
gentlich häßlich. —
„Tante Tina,"
flüsterte "Antonie,
als die Fürstin
nach freundlichem
Gruße ihren Weg
fortsetzte, „Tante
Tina, du sagtest
ja, eine Prinzessin
sei niemals häß-
lich —"
„In solchem
Falle," flüsterte
die Baronin lehr-
reich zurück,
„spricht man von
angenehmen Ge-
sichtern. Ta kann
sich jeder denken,
was er will. —
Guten Abend,
Edi! Sieh doch
mal zn, daß wir
zn Betty ans Büf-
fett gelangen,"
Ein blonder
Mann, dessenZüge
für sein Geschlecht
zu fein geraten
waren, welchen
Eindruck der ge-
rade Haarscheitel
noch vermehrte.

Vie llxenstrasse am Vienoaläsiätter See. llack einer vliolograpliis von M. Zsckuanäen in Mclock. (5. 38)
 
Annotationen