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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 37.1902

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Heft 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.44085#0049
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Heft 2.

Das Buch für Alle.

39

Monate heraus und wohnte ganz allein mit seinen
Dienern darin. Ich glaube, die Doktors hatten es
ihm verordnet, denn er war krank und sollte in die
Einsamkeit. Aber es ist ihm wohl nicht einsam genug

gewesen, denn eines Tages fanden wir ihn auf der
Diele, und die abgeschossene Pistole hatte er in der
Hand. Die Lili hat ihn zuerst gesehen, und das hat
sie bis heute noch nicht ganz wieder verwinden
können."
„Und nun steht das Haus leer?" fragte Gabori.
„Mit der ganzen Einrichtung — jawohl. Den
Erben ist wohl nichts viel daran gelegen, denn die
haben unmenschlich viel Geld, aber wegschmeißen
wollen sie es doch auch gerade nicht. So bin ich
denn zum Verwalter bestellt worden und ich habe
auch Vollmacht, das Ding zu verkaufen, wie es geht
und steht. Aber darüber kann ich wohl hinsterben,
und der Wintersturm wird den Rest thun."
„Ich möchte das Innere des Hauses besichtigen,"
sagte Reinhold nach einer Panse.
„Das kann geschehen, den Schlüssel habe ich
immer bei mir. Alle paar Wochen gehe ich oder die
Lili hinein und wischen den Staub ab. Dafür wer-
den wir bezahlt."
„Ich denke, Ihre Enkelin fürchtet sich?"
„Tagsüber nicht, lieber Herr, sondern nur am
Abend, denn abends — na, sehen Sie sich's nur an."
Gabori schloß sich den beiden an, und die Be-
sichtigung begann.
Es war eigentlich nicht viel an dem Innern der
kleinen Villa zu sehen, nur die Einrichtung berührte
insofern eigentümlich, als sie vollständig zur Auf-
nahme eines Bewohners bereit war, und dennoch seit
Jahren nicht benutzt wurde.
Rechts vom Hausflur lag das geräumige Schlaf-
zimmer mit zwei Betten, und an dieses schloß sich
die Küche; links vom Flur befand sich ein Herren-
zimmer mit anstoßendem Salon; die Möbel waren
solide und gut erhalten, wenn auch ersichtlich nur
für den Sommeranfenthalt bestimmt; überall herrschte
in Vorhängen, Ueberzügen und Teppichen die rote
Farbe vor.
„Das war eine Narrheit von dem Besitzer," sagte
Erdmann. „Er konnte ohne die rote Farbe nicht
leben, und zuletzt, als wir ihn fanden, war auch die
Diele rot von Blut. Hier neben dem Schreibtisch
lag er, aber den Fleck habe ich abgehobelt und neu
angestrichen."
„Ist ein Keller vorhanden?" fragte Gabori plötz-
lich.
„Gewiß, unter dem ganzen Hanse; der ist sogar
das beste von allem. Wollen Sie ihn sehen?"
„Ich habe kein Interesse daran," versetzte Gabori
gleichgültig.
Reinhold war entzückt. Ihm kam dieses elegante
kleine Nest mitten in der wilden Natur höchst roman-
tisch vor, und er dachte es sich prächtig, hier ein
paar Wochen zu verbringen. Vielleicht auch ein paar
Monate, denn wo zwei Menschen das ganze Jahr
Hausen, da konnte sich auch der dritte behaglich ein-
richten. Und wenn mal wieder die Sehnsucht nach
der Welt kam, die er jetzt fliehen wollte, dann
brauchte man nur eine halbe Stunde bis zur nächsten
Bahnstation zu gehen.
Ein leises Beben des Hauses erinnerte in diesem
Augenblick an jene Welt. Es fuhr gerade ein Güter-
zug vorüber, und die Erschütterung der schweren

Wagen war deutlich unter den Füßen zu ver-
spüren.
„Daran mnß man sich gewöhnen," sagte Erd-
mann. „Es passieren hier ziemlich viele Züge, ober-

es hält keiner. Man sieht die Menschen nur vorüber-
fliegen, und dann ist es wieder stille."
Reinhold sah sich noch einmal um. „Haben Sie
auch Vollmacht, das Haus zu vermieten?"
„Nein, nur zu verkaufen. Die Erben wollen es
los sein "
„Und der Preis?"
„Fünftausend Mark, mit allem, was darin ist."
Die Summe war lächerlich klein für ein ganzes
Besitztum, aber sie war immerhin groß für die Be-
friedigung einer bloßen flüchtigen Laune. Wer dieses
Geld ausgab, um vielleicht einmal in seinem Leben
wenige Wochen „nnterzutauchen", der mußte sehr-
reich sein oder sehr thöricht — vielleicht auch beides.
Gabori sah mit einem eigentümlich gespannten
Blick zu seinem Reisegefährten hinüber.
„Ich kanf's," sagte Reinhold plötzlich entschlossen,
und als ob er nähere Ucbcrlegung fürchtete, setzte er
schnell hinzu: „Wir wollen das Geschäft gleich hier-
an Ort und Stelle abschließen. Dieser Herr wird
gewiß die Güte haben, als Zeuge zu diene», und
für die übrigen Formalitäten mit dem Grundbuch
und dergleichen haben wir später Zeit genug. — Ein-
verstanden, Alter?"
Erdmann schüttelte verwundert den Kopf und sah

mißtrauisch von einem znm anderen. Als aber Rein-
hold mit der sorglosen Lässigkeit eines reichen Mannes
die Brieftasche hcrvorzog, ein ganzes Bündel Bank-
noten in die Hand nahm und fünftausend Mark auf

den Schreibtisch zählte, da wurde es dem Bahnwärter
klar, daß ein ernstliches Geschäft ohne Feilschen und
Schacher zu stände gekommen sei.
„Das ist alles recht schön und gut, lieber Herr,"
sagte er bedächtig. „Aber wenn Sie so viel Ver-
trauen zu mir haben, daß Sie nicht mal nach der
Vollmacht fragen und ums damit zusammenhängt,
so müßte ich doch ein schlechter Kerl sein, wenn ich
meinerseits was verschweigen thäte. Das ist näm-
lich so 'ne Sache, müssen Sie wissen —"
Reinhold ließ die Scheine liegen und steckte seine
Brieftasche wieder ein.
„Gekauft ist gekauft, und von Bedingungen kann
nicht die Rede sein. Aber was meinen Sie eigent-
lich?"
„Es ist nämlich von wegen dem Licht," entgegnete
der Bahnwärter und kratzte sich hinter den Ohren.
„Was für Licht? Da steht ja eine Lampe, die
Einrichtung scheint ganz vollständig zu sein."
„Von so einem Licht spreche ich nicht," fuhr Erd-
mann langsam fort und blickte sich nm. „Sie müssen
nämlich wissen, wenn die Nacht kommt, und wenn
es sehr dunkel wird, dann sieht man mitunter in
diesen: Hanse Licht. Das heißt, so eigentlich und
richtig habe ich es selber noch nicht gesehen, obschon
ich oft genug die Bahnstrecke entlang gehe, aber die
Leute sagen es nun mal. Und weil Sie nun doch
in dem Hause wohuen wollen, so müssen Sie doch
auch erfahren, was damit los ist, und ob Sie sich
auch nicht davor fürchten. Denn es giebt wohl nicht
viele, die in der Dunkelheit gerne den Fußsteig
draußen entlang gehen, sondern sie halten sich lieber
auf der anderen Seite vom Bahndamm."
„Also ein Spuk!" sagte Reinhold lachend.
„Wir auf der Heide glauben an so was," ent-
gegnete Erdmann ruhig. „Es kann ja sein, daß
nichts daran ist, es läßt sich weder das eine noch
das andere beweisen. Aber Sie müssen es wissen,
um sich danach einzurichten."
„Dann wird man mich an: Ende hier verhungern
lassen?"
„Eine Aufwartung kriegen Sie sicher nicht, das
heißt jemand, der in den: Hause schläft. Tagsüber
ist das was anderes, da scheint die Sonne über
nns allen. Was Reinemachen und Essen anlangt,
das kann Ihnen meine Enkelin ganz gut besorgen,
aber abends nach Sonnenuntergang müssen Sie sich
allein behelfen, das kann ich Ihnen im voraus sagen.
Und wenn Sie nun die Dinger da wieder einstecken
wollen, so soll Ihnen das unbenommen bleiben, denn
ich will keinen Menschen betrügen und ihm mit Heim-
lichkeiten unter die Angen treten."
Wenn Reinhold nicht schon entschlossen gewesen
wäre, seiner romantischen Laune nachzugeben, dann
hätte er es jetzt sicherlich gethan.
Das war ja eine entzückende Aussicht, gleichsam
in einem Bannkreise zu sitzen und wie durch Zauber-
macht alle lästige Neugier von sich fernhalten zu
können. Vor der Langenweile fürchtete er sich nicht
im geringsten, denn er hatte schon unter der Ein-

richtung eine kleine Bibliothek entdeckt und konnte
sich daher ganz nach seiner Neigung die Zeit ver-
treiben.
Der Spuk war für ihn natürlich nicht vorhanden.

Einstellung eines pteröe; in den 5cbaukelnotstall. (5. 43)


Operation an einem llkeröe in borirontaler bags. (5. 43)
 
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