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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 37.1902

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Heft 3
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Das Buch für Alle.

Lirst 3.

es beschleicht sie ein banges Gefühl. Ob's ihm
doch zu eng wird am heimischen Herd, ob er sich
hinaussehnt, hinaus aufs Meer? Nur das nicht —
sie könnt' es nicht ertragen! Es ist in ihr eine
heiße Liebe erwacht zu dem Manu, der sie an sein
Herz genommen, der sie zu ueuem Leben erweckt hat.
Er soll keinen Wunsch mehr haben, als bei ihr zn sein.
Heinz schweigt über das, was in ihm vorgeht,
aber das Auge eines liebenden Weibes sieht scharf.
Maren weiß die immer mehr sich steigernde Unruhe
des Gatten zu deuten. Sie kennt die Art. So hat's
der Wilms getrieben, wenn der Winter zu lang
währte. Dann kannte er sich nicht vor Unrast und
wurde täglich verstimmter. Und nun ist's dasselbe bei
Heinz. Aber sie hütet sich, daran zu rühren; sie
hütet sich, Schlafendes zu wecken.

peiscüatt kür üas Siegel üer kaissrin-kegeniin.


pskscbakk kür üas ffamkiegel üe5 Kaisers Vi-Kun.


Bis nächstes Jahr hab' ich Klaus Jürgens' Amt,
und weine Zeil ist ausgefüllt."
„Also du bist schon entschlossen, Heinz?" Ganz
ruhig kommt's aus Marens Mund.
„Entschlossen, nein. Wie könnt' ich? Nur, es
wird mir schwer, Herrn Hansen „Nein" zu sagen.
Und auch sonst, Maren, gerade im Frühling! Da
zicht's so 'n alten Schiffer wie mit Gewalt aufs
Wasser. Sich, Mare-n, wenn du's thätest, ließest
mich gehen, nur dies eine Mal noch, zum letztenmal!
Später, wie gesagt, dann denk' ich nicht mehr daran.
Dann ist das Kind da, und ich hab' mein Amt, da
vergißt sich's allmählich."
„Ja, ja, Heinz, ich versteh' schon, und ich will
dir nichts in den Weg legen." Maren ist klug. Sie
giebt nach, denn sic fühlt, thäte sie's nicht, dann
würde er wohl bleiben, aber das Meer, die Sehn-
sucht nach dem Meer würd' ihr seine Liebe rauben,
die Liebe des Mannes, die ihr ein so köstliches Gut
deucht. —
Nach drei Tagen ist Heinz abgereist. Maren ist
nun wieder allein, nur in seinem Hans, anstatt in

Da thut's ein anderer.
Heinz erhält einen Brief und nachdem er ihn ge-
lesen^ und wieder gelesen, legt er ihn seiner Fran
hin. Er ist von seinem früheren Reeder. Der Mann,
dem er viel verdankt, bittet ihn dringend, noch ein-
mal auszuhelsen. Ein Kapitän ist erkrankt, einer
fährt ans eigene Rechnung, die Zeit drängt, und der
Handelsherr kann keinen passenden Ersatz finden.
Da fragt er an, ob Heinz Andresen noch frei und
gewillt ist, ihm auszuhelsen. Nur dies eiue Mal, nur
für eiue kurze Fahrt — kaum drei Monate!
Maren liest, und dann läßt sie das Blatt sinken
und fragt mit bebender Stimme, während ihre Augen
starr werden, und ihr Antlitz weißer als sonst er-
scheint: „Und was wirst dir ihm antworten, Heinz?"
Der Mann schlägt seine Augen nieder: „Ja, Maren,

weiß ich's? Ich bin Herrn Hansen Dank schuldig.
Er hat mir Vertrauen geschenkt, als ich noch 'n
junger Kerl war, er hat's immer gut mit mir gemeint,
und einmal, als ich schwer krank lag in Melbourne,
da hat er für mich sorgen lassen, wie für 'nen Sohn,
und meine Mutter hier hat er auch nicht vergessen.
Und ist mir kein Schaden daraus erwachsen. Wär'
ihm freilich gern noch einmal gefällig, das kannst
du wohl begreifen. Und zn versäumen hätt' ich ja
eben nichts in den drei Monaten. Bis das Kind
geboren wird, Maren, da wär' ich längst wieder hier.
Und das Geld könnt' uns schon auch zu statten kom-
men. Jetzt hat's 'n Sinn, zu schaffen und zusammen-
zuhalten. Auch kam' es uns zn statten für die An-
schaffungen im künftigen Jahr für die Badegäste.
Denn natürlich, Maren, 's soll zum letztenmal sein.



paiasisiegel üss Kaisers!a Lkiag.


Siegei üsr Kaiserin-Kegsniin.


peksckiakk kür ckas palaskslsgsl ckes Kaisers Vi-Kun.
petscliakts ckinesiscüer kerrscker. (5. 71)


veisckiakk kür üas kSanüsiegsk üss Kaisers Ii! Lkiing.


ihrem. Sie hält die beiden Anwesen sanber in
stand und dazwischen arbeitet sie allerlei Weißzeug
für das erwartete Kind. Von ihren toten Knaben
ist nichts mehr da. Alles ist aufgebraucht oder ver-
schenkt. Mit Mühe sucht sie ihre Angst um den
geliebten Mann zu bemeistern. Sie sieht um sich,
sie ist ja doch nicht die einzige! Alle haben ihre
Männer, ihre Söhne draußen auf dem Meer und
sind doch fröhlich und guter Dinge. Und es ist seine
letzte Reise, das weiß sie, dann hat sie ihn für immer.
Denn später werden es nicht nur ihre Hände sein,
die ihn halten, sondern noch zwei andere, kleine weiche
Kinderhände. So sucht sie sich zu trösten, aber sie
kann's nicht hindern, daß sie zittert vor der Zukunft,
wieder zittert. Und sie hat gemeint, das sei nun vorbei.
Sie bekommt öfters Nachricht. Heinz schreibt so
heiter, so zufrieden. Er ist voller Zuknnftsfrende und
begreift sich selbst nicht, daß er sich hat trennen können
von seinem Weibe. „Aber es ist zum letztenmal, ich
schwör's. Mein Abschied vom Ozean ist diesmal
unwiderruflich. Dann bleib' ich ganz bei dir und
bei unserem Jungen."

Sie muß lächeln über seine Zuversicht auf einen
Jungen. Und mit jeder Woche, die vergeht, wird
sie getroster. Noch einen Monat, dann hat sie ihn
wieder. Das ist ja auch gar keine Reise, nur bis
Brasilien und zurück.
Da.— eines Tages läuft die entsetzliche Kunde
ein: das Schiff, welches Heinz führt, die „Hela", ist
im'Nebel, angerannt von einem englischen Dampfer,
in den Grund gebohrt, und kein Mann von der Be-
satzung gerettet.
Von Stund an ist Maren eine alte Frau. Früher
hat sie gemeint, eine zu sein; jetzt ist sie's trotz ihrer
Mutterhoffnnng. Hart erscheinen ihre Züge, und ihr
blondes Haar ist ergraut. Aber in all ihrem Kum-
mer bleibt sie stark, denn sie muß handeln. Es gilt,
die beiden Anwesen zu verkaufen, Heinz hat ihr noch
vor der Abreise seinen Besitz vermacht. Nun heißt's,
schnell alles zu Geld machen. Sie will fort, weit
fort! Ihr Kind soll nicht am Meer geboren werden.
Weit ins Land hinein will sie ziehen, nach Thüringen.
Dort hat ihr früher ein Oheim gelebt, ein Bruder
ihrer frühverstorbenen Mutter.
 
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