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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 37.1902

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Heft 26
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https://doi.org/10.11588/diglit.44085#0624
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Heft 26. Illustvievte Fcrmilien-Deitung. Laheg 1962



Vie neue Vörie in lüamckeim. klack einer pkotograplne von Vnion Vkeinig, Vokplioiograpb in Vkannlieiin. ö32)

die Gastfreundschaft seines Brotherrn genießt, als
Begleiter und Beschützer zuweist."
Sie hatte«, während sie spräche«, bereits deu
Weg «ach dem Waldschloß eingeschlagen, und Re-
nate ging viel schneller, als es dem Grafen er-
wünscht war.
Nun aber blieb sic plötzlich stehen und sah ihm
voll ins Gesicht. „Der Herr Forstmeister hatte dar-
auf, so viel ich weiß, nicht den geringsten Einfluß.
Und auch, wenn es der Fall gewesen wäre, würde
er sicherlich in der Lage sein, die volle Ver-
antwortung für seine Anordnungen zu tragen. Ich
liebe es nicht, Vorwürfe oder Verdächtigungen an-
zuhörcn, die gegen einen Abwesenden gerichtet sind."
Jetzt war Meinburg seiner Sache gewiß. Die
Entrüstung, die eine an und für sich ganz harmlose
Aenßernng in ihr entflammt hatte, ließ ihm keinen
Zweifel mehr, daß in ihrem Herzen eine wärmere
Empfindung für Alvörden lebte. Und der ingrimmige
Haß, den er ohnehm gegen seinen überlegenen Gegner
empfand, wurde in diesem Augenblick durch ein Ge-

2m V?alllkckloh.
komcm von ksintiolfl Ortmann.
(kortlehuug.)

- (Nacliltruck verboten.)
M M aben Sie nicht schon manchmal die Enipfin-
dnng gehabt, mein Fräulein, daß dieser
M Forstgehilfe ein etwas unheimlicher Be-
M M schützer ist?" fragte Graf Meinbnrg.
„O nein," erwiderte Renate Meinardns. „Er
hat sich gegen mich niemals anders als bescheiden
und ehrerbietig benommen. Und schon um seines
traurigen Schicksals willen hat er meine ganze
Sympathie."
„Ein Besitztum, um das ich ihn aufrichtig beneide.
Er hat, wie ich gesehen habe, nur einen Arm. Und
vermutlich ist es das, was Sie nut seinem traurigen
Schicksal meinen," bemerkte der Graf.
„Nicht das allein.
Denn was den Ver¬
lust für den Aermsten
zu einem so schmerz¬
lichen macht, sind die
unglücklichen Um¬
stände, unter denen
er ihn erlitt."
Obwohl Meinburg
mit ihr viel lieber von
ganz anderen Dingen
gesprochen hätte, als
von diesem gleichgül¬
tigen Forstgehilfen,
mußte er nun doch
wohl oder übel ein
gewisses Interesse für
den Einarmigen er¬
heucheln und sie um
eine nähere Erklärung
ihrer letzten Worte
bitten. Aber als Re¬
nate sie ihm gegeben,
konnte er sich nicht
enthalten, zu sagen:
„Ein Mörder also?
So wurde ich von
einem ganz richtigen
Instinkt geleitet, als
mir der Mensch auf
den ersten Blick un¬
heimlich und abstoßend
erschien. Der Herr
Forstmeister v. Alvör¬
den muß in seiner
Verwaltung in der
That recht sonderba¬
ren Grundsätzen hul¬
digen, wenn er einen
solchen Menschen nicht
nur im Dienste be¬
hält, sondern ihn auch
einer Dame, welche

fühl brennender Eifersucht bis zu unsinniger Wut
gesteigert. Ohne zu überlegen, daß es vielleicht eine
ebenso unwürdige als lächerliche Thorhcit war, die
er damit beging, stieß er hervor: „Und wenn ich es
nun trotz des Verbotes für meine Pflicht halten
müßte. Sie vor diesem Manne zu warnen, der unter
allen Menschen wahrscheinlich der letzte ist, Ihr Ver-
trauen und Ihre Freundschaft zu verdienen? Würden
Sie —"
„Nicht weiter, Herr Graf," wehrte sie ab. „Ihre
Warnung ist überflüssig. Und ich weiß nicht, was
Ihnen ein Recht giebt, sich um meine Beziehungen
zu irgend jemand zu kümmern."
„Gewiß, ich habe kein Recht dazu. Denn Sie
kennen mich kaum und können deshalb auch nicht
wissen, wie aufrichtig und uneigennützig die Teil-
nahme ist, die nur meine Worte diktierte. Aber am
Ende ist es doch nicht der erste beste, der da zu
Ihnen spricht. Mein Name sollte Ihnen Gewähr
genug dafür sein, daß ich nicht ohne die triftigsten
Gründe von einem Abwesenden so zu Ihnen spreche.
Ich sehe, daß Sie sich
durch die Persönlich-
keit dieses Mannes
und durch den heuch-
lerischen Anschein von
Ritterlichkeit, den er-
sieh so vortrefflich zu
geben versteht, haben
blenden und bestechen
lassen. Und ich weiß,
daß Sie unmöglich
Menschenkenntnis und
Welterfahrung genug
besitzen können, um
hinter der trügerischen
Maske das wahre
Gesicht des Herrn
Forstmeisters zu er-
spähen. Auch ich habe
mich lange durch diese
Maske täuschen lassen
— auch ich war naiv
genng, den Mann für
meinen Freund zu
halten, der mich ehr-
los und schändlich
hinterging."
Renate hatte an-
fänglich noch den Ver-
such gemacht, ihn zu
unterbrechen; aber er
hatte sich nicht darum
gekümmert. Und nun
ließ sie totenbleich den
Sturm seiner leiden-
schaftlichen Worte über
sich ergehen.
Ihr Schweigen
bereitete ihm eine
wilde Genugthunng,
und in dem Verlan-
gen, sein Nachewerk
ganz zu vollenden, fuhr
 
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