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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 37.1902

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Heft 27
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https://doi.org/10.11588/diglit.44085#0666
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Graz nahm einen herrlichen Verlauf. Der Deutsche
Sängerbund, der gegenwärtig 3694 Vereine mit nahezu
110,000 Sängern umsaßt, hatte die schöne Hauptstadt der
grünen Steiermark zur Feststadt gewählt, um die geistige
Zusammengehörigkeit aller deutschen Stammesgenossen
und die Sympathie der im Deutschen Reiche vereinten
Sänger für ihre österreichischen Bundesbrüder zum Aus-
druck zu bringen. Dies geschah denn auch in Graz in
wahrhaft erhebender, dabei durchaus taktvoller, von
keinem Mißklang getrübter Weise, und aufs glänzendste




Der »Primus- auk einer keiner
gsreöknlicken kalirtsn.
Nack einer Pkologropkio vom Ntelier Sckaul
in köamburg.
konnte durch die Anstrengungen, die von
der „Hansa" und dem zur Hilfe herbei-
geeilten „Delphin" gemacht wurden, ge-
rettet werden. Auch die Besatzung ging
mit Ausnahme des Kapitäns Peters,
des verletzten Maschinisten Prigge und
eines gleichfalls verwundeten Matrosen
zu Grunde. Von den geretteten Passa-
gieren waren verschiedene ebenfalls ver-
wundet, doch waren Aerzte und Kranken-
wagen zur Stelle, als sie an Land kamen,
und die Schwerverwundeten wurden so-
fort ins Hafenkrankenhaus überführt.
Der „Primus" war der älteste der im
Hamburger Hafen und auf der Unter-
elbe verkehrenden Passagierdampfer. Er
war seit 1844 im Dienst, aber immer noch

Vie vampkeckaiastwpsts uuk 6er Untereibe bei Nienstedten- ksrgung und Linkorgung 6er steicksn.
Nack einer piisiogmlckio vom gisiisr Sckaal in kamdurg.

Lils ein Wohlthäter der Kinderwelt ist der hervorragende
^Berliner Kliniker Professor Karl Gerhardt, der
am 20. Juli aus seiner Besitzung Gamburg in Baden
verstarb, vor allem zu rühmen. Im Kampfe gegen die
gefährlichen Halskrankheiten, die früher in der Kinder-
welt noch viel verheerender auftraten als heute, war er
einer der erfolgreichsten Aerzte und Lehrer. Er war im
Jahre 1833 zu Speier geboren, studierte in Würzburg
und war dort als junger Arzt Assistent Bambergers.
1861 erhielt er das Lehramt für innere Medizin in Jena,
1872 das in Würzburg, 1885 das in Berlin, wo er als
Professor für spezielle Pathologie und Therapie der Nach-
folger von Frerichs wurde. Sein Spezialstudium bildeten
Herzkrankheiten. Sein vor-
treffliches „Lehrbuch der
Auskultation und Perkus-
sion" und das ebenso hoch
stehende „Handbuch für
Kinderkrankheiten" haben
große Verbreitung gefun-
den. Mit Leyden und Frän-
kel gab er die „Zeitschrift
für Tuberkulose" heraus,
ferner die internationale
Monatsschrift „Tuberku-
losis". Am Leidenslager
des Kaisers Friedrich be-
währte Gerhardt in hervor-
ragender Weise seinen Ruf
und Charakter. —
Die allgemeinste Teil-
nahme hat das große
Schiffsunglück auf
der Elbe bei Nien-
stedten vor Hamburg ge-
)es 21. Juli jählings über
hundert Menschenleben vernichtete. Der Eilbecker Ge-
sangverein „Treue" hatte an jenem Sonntag auf dem
kleinen Raddampfer „Primus" einen festlichen Ausflug
nach Buxtehude gemacht. Unter fröhlichem Gesang war
die Gesellschaft, die gegen 200 Häupter zählte, auf der
Heimfahrt begriffen und schon ganz nahe der Landestelle
Nienstedten, als der Zusammenstoß mit dem großen
Schleppdampfer „Hansa" von der Hamburg-Amerikalinie
erfolgte. Es war kurz nach Mitternacht. Der schwere
Schleppdampfer hatte seinen Kurs elbeaufwärts und
traf den weit kleineren „Primus" so unglücklich mitt-
schiffs, daß der Stoß in den Maschinenraum schnitt,
wobei der Dampfkessel aufgerissen wurde, was eine
Explosion zur Folge hatte. Eine furchtbare Panik trat
ein. Von den Passagieren in den Kajüten konnten sich
nur ganz wenige flüchten. Die übrigen sanken mit dem
abbrechenden Schiffshinterteil in die Tiefe. Diejenigen
Passagiere, die sich auf Deck befunden hatten, trieben
auf dem Wasser im Strom umher, der gerade von Ebbe
auf Flut umsetzte. Nur der kleinere Teil der Hilflosen

weckt, das in der

dre Kehlkops-,

pwkeiior Karl Seriuirdt fi.
Nack einer pkotograpiiio von
Z. L. Sckanruäckter,
iöoipkotograpk in Koriin.

seetüchtig. Unser zweites Bild veranschaulicht die lraurigen
Scenen, die am nächsten Tag das Bergen und Einsargen
der Leichen am Elbufer begleiteten. Fünfzig Leichen
wurden im Laufe dieses Tages geborgen. Die preußische
Strompolrzei hatte einen Regierungsdampfer mit dem
Absuchen der Elbe nach rm Wasser treibenden Leichen
beauftragt. —
DieWetterkatastrophe,welche am 26.Juli in der
sechsten Nachmittagsstunde ganz plötzlich einen Teil des
Rheinlands heimgesucht hat, erinnerte in vieler Be-

vis Papierfabrik in Kirchberg de! Jülich nach 6ein Wirbelsturm.

ziehung an die Tornados, die man nur in Amerika kennt.
Der Wirbelsturm bewegte sich von der belgischen Grenze
über Jülich bis in die Gegend von Köln. Er ent-
wurzelte zahllose Bäume, hob Dächer ab, stürzte Fabrik-
schornsteine in Trümmer und richtete viel ähnlichen
Schaden an. Leider hat die Katastrophe auch mehrere
Menschenleben gekostet. Besonders furchtbar hat das
Unwetter in der Gegend von Jülich gehaust. Einer
der einstürzenden Schornsteine fiel auf das Kessel-
haus der Fabrik, so daß es in Brand geriet. Ein
25 Meter hoher Wasserturm fiel in Trümmer, wobei
ein darauf beschäftigter Arbeiter in die Tiefe stürzte.
In Kirchberg erlitt die Papierfabrik durch den
Wirbelsturm besonderen Schaden; auch hier wurden
mehrere Personen verletzt. —
Das (6.) Deutsche Sängerbundesfest in

Nack oinor Pkoiograpkio von Lniil Xaiior in Ninon.
trat in Erscheinung, welcher Faktor idealer Gemeinschaft
für alle Deutschen,, im besonderen auch gerade für die
nicht in des Reiches Grenzen wohnenden, die Pflege des
deutschen Liedes ist. Eine ausgezeichnete Vertretung fand
der nordamerikanische Sängerbund durch I. P. Frenzel
aus Indianapolis, der auf die Begrüßung durch den
Bundesvorstand, Professor Gellert ^Leipzig), mit dem Ver-
sprechen antwortete, den Eintritt des nordamerikanischen
Sängerbunds in den Deutschen Sängerbund zu betreiben.
Aus Rußland, der Schweiz, England waren gleichfalls
Abordnungen eingetroffen. Weit über Erwarten groß war
der Zuspruch der Gäste. Schon am 26. Juli trafen über
10,000 Sänger aus Deutschland und Oesterreich ein. Die
von ihrem alten Schloßberg malerifch gekrönte Stadt
prangte in prächtigem Festschmuck. Während der Illu-
mination am Abend fand in der reichgeschmückten Fest-
 
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