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in Frankreich zu Ende war, nach England hinüberreisen
konnte, wo sie begann, um endlich im August in Schott-
land zu sein und am Ende dieses Monats oder am
Anfang des Septembers wieder nach Kairo zu fahren
und so seine Reise wieder von neuem zu beginnen.
Im Gegensatz zu diesem Millionär, der dem Frühling
nachreist, flüchtet ein anderer vor dem Herbst. Im Jahre
1887 lebte Herr Frederik Macdonald als glücklicher Mann
mit seiner Frau, zwei blühenden Söhnen und einer
Tochter in Edinburg. Zwei Jahre später war er ein
kinderloser Witwer. Seine Frau erkältete sich während
einem der kalten schottischen Herbstnebel und starb nach
kurzer Krankheit. Sein ältester Sohn verunglückte bei
einer Bootfahrt auf der Themse in einem dichten Nebel,
der zweite Sohn ertrank in der Nähe von Folkestone
während eines Novembernebels, und endlich starb seine
Tochter, die er in einem Pensionat zu Dresden unter-
gebracht hatte, an einer Erkältung, die sie sich bei einem
Erntefest, zu welchem sie von einer Pensionsfreundin
geladen worden war, zugezogen hatte. Seit der Zeit
wandert Macdonald vom Gram gebeugt über den ganzen
zivilisierten Teil der Erde. Stets folgt er dem Sommer,
denn er hat geschworen, niemals wieder einen Herbsttag
sehen zu wollen. °
Nur im Winter reist die Witwe des Millionärs
Humphrey D. Jones, der vor einigen Jahren in London
starb. Und damit hat es folgende Bewandtnis. In
seinem Testament vermachte der Millionär seiner Witwe
ein jährliches Einkommen von 20,000 Pfund unter der
Bedingung, daß sie jedes Jahr den Winter in einem
anderen europäischen Lande zubringen und hier in den
großen Städten persönlich an Arme und Kranke Almosen
austeilen und milde Stiftungen unterstützen sollte. Zu
diesem Zweck hinterließ er ihr noch 15,000 Pfund außer
ihrem Einkommen. Er erklärte in seinem Testament,
daß er in seiner Jugend oftmals ohne einen Heller in
der Tasche durch alle Länder Europas gewandert sei.
Im Sommer Hütte er sich überall eine Mahlzeit ver-
dienen können, und ein besseres Bett als eine Schütte
Stroh oder einen Heuhaufen unter Gottes freiem Himmel
könne er sich im.Sommer nicht denken. Im Winter da-
gegen hätte er in fast allen Ländern gehungert und mehr
als einmal hätten mitleidige Menschen ihn halberfroren
auf der Landstraße aufgehoben und verpflegt. Aus diesem
Grunde sollte seine Witwe in jedem Winter, der harten
Zeit für die Armen und Elenden, ein anderes Land
aufsuchen und Gutes tun so viel sie nur könnte. W. St.

Hin HheffandsSricf. — Kaiserin Maria Theresia von
Österreich wurde einst von ihrer Lieblingstochter, der
Prinzessin Albrecht von Sachsen, um Rat gebeten, wie
sie sich ihrem Manne gegenüber zu verhalten habe, um
sich dessen Liebe und Achtung immer zu bewahren. Die
Antwort, die vor etiva 150 Jahren geschrieben wurde,
enthält des Wahren und Schönen so viel, daß sie auch
heute noch von jeder Frau beherzigt zu werden verdient.
Die kaiserliche Mutter schreibt:
„Meine liebe Tochter! Du willst, daß ich Dir über
Deine Lage einen Rat gebe. Es gibt viel Bücher, welche
diesen Gegenstand behandeln, ich will nicht wiederholen,
was diese sagen. Du weißt, daß wir Frauen unseren
Männern unterworfen sind; daß unser einziges Be-
streben sein soll, dem Gatten zu dienen, ihm nützlich zu
sein, ihn zu unserem besten Freunde zu machen. Du
kennst Deinen Mann. Du hast alle Ursache, zu hoffen,
glücklich zu werden! Ich will Dich besonders daraus auf-
merksam machen, daß Du..in der zärtlichen Liebe für
Deinen Mann nicht in ein Übermaß gerätst, das ihm zur
Last fallen könnte; nichts ist so delikat als diese Klippe;
die zärtlichsten und tugendhaftesten Frauen scheitern
daran. Je mehr Du Deinem Manne Freiheit läßt, in-
dem Du am wenigsten zarte Aufmerksamkeit verlangst,
desto liebenswerter wirst Du ihm sein. Trachte danach,
ihn zu unterhalten, zu beschäftige», daß er sich nirgends
besser befinde, als eben bei Dir! Um Dir sein ganzes Ver-
trauen zu erwerben, mußt Du sorgen, es durch Dein Be-
nehmen, Deine Diskretion zu verdienen! — Laß niemals
den geringsten Verdacht in Deinem Herzen Eingang finden;
je mehr Du Deinem Gatten Vertrauen und Freiheit
schenkst, desto anhänglicher wird er Dir sein! Alles
Glück der Ehe besteht in beständiger Rücksichtnahme der
Gatten gegeneinander. Die törichte Liebe vergeht bald;
aber man muß sich achten, sich gegenseitig ergänzen und
nützlich sein. Ich habe Dich hie und da eifersüchtig bei Dei-
nen Freundinnen gesehen, hüte Dich ja davor bei Deinem
Manne; das würde Dir Deinen braven Gatten nur ent-
fremden! — Nicht einmal scherzen sollst Du über diesen
Punkt; vom Scherzen kommt es zu Vorwürfen. Alle
Ehen würden glücklich sein, wenn man sich so benehmen
würde; und glaube mir, meine gute Tochter, es hängt
so viel, unendlich viel von der Frau ab; sie soll die rechte
Mitte inne halten, die Achtung und das Vertrauen ihres
Mannes gewinnen; sie soll dasselbe nie mißbrauchen,
weder damit prunken noch befehlen wollen. Habe keine
Vertraute, das soll Dein Mann allein sein. Ich will

nicht einmal eine Ausnahme für mich machen, nm Dich
nicht an vertraute Mitteilungen zu gewöhnen.
Haben Worte des Unfriedens Dir den Tag getrübt,
so laß die Sonne nicht darüber untergehen, suche vor
Abend den richtigen Einklang wieder, damit die Dis-
harmonie nicht in den nächsten Morgen übergehe!
Dies ist der Rat Deiner treuen Mutter Maria
Theresia." O. v. B.
Auch eine Wergkeichsmetljode. — Vis zum Jahre 1848
war in Kurhessen, wie in den meisten anderen deutschen
Bundesstaaten, noch die Prügelstrafe zulässig und wurde
von den Richtern mit Vorliebe dann zur Anwendung ge-
bracht, wenn ihnen ein Delinquent durch hartnäckiges
Leugnen besondere Schwierigkeiten bereitet halte. Hier-
aus erklärt es sich, daß ein wegen seiner Strenge gefürch-
teter Justizamtmann in einem Amtsorte des Kreises
Fulda sich der Prügel als eines wirksamen Mittels zur
Bekämpfung von Verstocktheit auch in Zivilprozessen be-
diente, wenn die Parteien seinen Vergleichsvorschlügen
durch hartnäckiges Bestehen auf ihren Forderungen
Widerstand entgegensetzten. Er setzte diese zur Verein-
fachung seiner richterlichen Tätigkeit sehr dienliche Praxis
auch dann noch fort, als die Prügelstrafe bereits durch
ein neues Strafprozeßgesetz abgoschafft worden war,
und der Respekt der ländlichen Bevölkerung vor dem
gestrengen Herrn Amtmann war so groß, daß kein auf
so energische Weise „Verglichener" es wagte, sich des-
halb zu beschweren.
Eines Tages kam ein höherer Gerichtsbeamter aus
Kassel auf einer ihm vom Justizministerium übertragenen
Revisionsreise in jenen Amtsort und vernahm, als er-
sieh dem Gerichtsgebäude näherte, ein klägliches Ge-
schrei, welches aus den offsnstehenden Fenstern eines
Parterrezimniers drang. Betroffen vernahm er diese
längst nicht mehr gewohnten Laute und fragte dann
einen eben aus dem Gerichtsgebäude kommenden Land-
mann, was dieselben zu bedeuten Hütten.
„O," erwiderte der Gefragte, „heute finden Ver-
handlungen statt, und der Herr Amtmann ist gerade da-
mit beschäftigt, zwei besonders hartnäckige Gegner mit-
einander zu vergleichen."
Ob dieser Aufklärung nicht noch eine Auseinander-
setzung zwischen dein vorgesetzten Revisor und dem
„gestrengen Herrn Amtmann" gefolgt ist, darüber-
schweigt unsere Informationsquelle. Es läßt sich aber
wohl annehmen, denn geprügelt wurde künftig nicht
mehr. R. v. B.

Illustrierte kuMcticm




s^erinHosterwitzbei Dresden verstorbene sächsische Kriegs-
" Minister General Karl Paul Edler v.d. Planitz
war am20. September 1837
geboren und trat 1853 als
Avantageur bei der Ar-
tillerie ein. 1867 wurde
er Hauptmann und Ad-
jutant des Kronprinzen
Albert, im deutsch-fran-
zösischen Kriege war er
zuerst dem Generalstabe
des 12. Armeekorps, spä-
ter dem der Maasarmee
zugeteilt. Nach dem Kriegs
wurde er zum Großen
Generalstab nach Berlin
kommandiert, wo er dann
bis 1883 als sächsischer
Militärbevollmächtigter
blieb. Nachdem er dann
noch eine Reihe von Jah-
ren Frontdienst getan und
Seneral Karl Paul Cdler v. cl. Planitz, ^89 Kommandeur der
iEicker ltrie.-minilier t. ^5. Jnfanterrebr.gade ge-
ll-,» einer PkoiogrnMe von Mo Mn,er, "°^d°n war berief rhn
kokpkotograpk in OreZäen. IUI 1891 oas Ver-
trauen König Alberts
unter gleichzeitiger Beförderung zum Generalleutnant
auf den erledigten Posten des Kriegsministers, dem

zwei Bogen aus Beton, von denen der eine bereits fertig
ist, der andere, 38 Meter lange und 18 Meter breite an
dem Unglückstage fertig werden sollte. Zwei Wagen
mit Beton wollten eben hinauffahren, als sich der Bogen
plötzlich in der Mitte senkte und mit betäubendem
Krachen, das ihn tragende Gerüst zerdrückend, nach innen
stürzte. Sämtliche darauf befindlichen Arbeiter wurden
mit in die Tiefe gerissen, zwei davon getötet, vierzehn
schwer und ebensoviele leicht verletzt. Das Ereignis ist
um so unerklärlicher, als kurz vorher angestellte Prüfungen
durchaus nichts Verdächtiges ergaben und die Tragkraft
des Gerüstes völlig ausreichend war. —
Einen Freudentag bedeutete für die Bewohner des
herrlich gelegenen Äussee im Salzkammergut der Be-
such Kaiser Franz Josephs, der auf die dringende
Einladnng der Ausseer von dem benachbarten Ischl
herüberkam. Aussee hatte sich festlich geschmückt. Ein
Wald von Fahnen führte bis zum Bahnhof, der gleich-
falls im Festschmuck prangte. Gewinde aus Tannen-
und Fichtenrcisig bekränzten Häuser und Balkons, auch
mehrere hübsche Triumphbogen waren errichtet worden.
Aus dem Bahnhof wurde der Monarch vom Statthalter-
Grafen Clary und dem Bezirkshauptmann Baron Esebeck
empfangen, bestieg dann die vor dem Bahnhof haltende
Equipage und fuhr zuerst in das Gebiet der Gemeinde
Straßen. Dann ging es durch den Markt Aussee nach
Alt-Aussee, nach Grundlsee und zuletzt auf den Fest-
platz im Praunsalk, wo ein Wohltätigkeitsfest stattfand,
auf dem der Kaiser eine halbe Stunde verweilte, ehe er
den Zug bestieg, der ihn nach Ischl zurückführle. —

llle im Kan begrlkiene Comelnislniicke in lllüncken nacii dem Llnlturr:.
Hack einer pkotograpkie von S. Zluktter in Müncken.

v. d. Pla-
nitz zehn
Jahre
lang tüch-
tig und er-
folgreich
vorgestan-
denhat.—
Ein
schweres
und selte-
nes Un-
glück hat
sich in
Mün-
ch e n er-
eignet.
Dort
stürzte
plötzlich
ein Bogen
der im
Bau be-
griffenen
Corn e-
lius-
brück e,
die München mit der jenseits der Isar liegenden Vor-
stadt Au verbinden soll, ein. Die Corneliusbrücke hat

Lekucki des Kollers kranr Zolepli in lluliee: llnliunlt des Kollers vor dem keltplatz. ilacli einer klioiogrnpliie von III. Illoler in tlullee.
 
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