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Hcst 18. Illustrierte Fanrllien-Deitung. Iahrg. iM


Van CIver6aal5 Crbkckakt.
koman von K?ol6oincir Urban.
<?ortktzung.)
tNackckruck verboten.)
eine Herrlichkeit hält das schon deshalb für
ersprießlicher," fuhr der Rechtsanwalt Lin-
ning in seiner Erklärung fort, „weil es billiger
und nicht mit den enormen Kosten gericht-
licher Auseinandersetzungen verknüpft ist, die er —
die Frau Marquise werden mir die wohlgemeinte
Bemerkung verzeihen — in Hinsicht auf
die momentane Lage der Frau Marquise
vermeiden möchte."
„Mit einem Wort: Sie haben uns be-
stimmte Vorschläge zu machen, Mister
Linning?" fragte Perkins.
„Nein," erwiderte Linning zögernd,
„aber ich hoffte, hier solche entgegenneh-
men zu können."
„Bevor Sic das Schicksal unseres An-
trages, oder vielmehr den Befund des
Grabes in Paris kennen?"
„Vorher oder nachher, das gilt uns
gleich," erwiderte Linning.
Es entstand eine kleine Pause. Pcr-
kins sah die Marquise fragend an.
„Ich möchte," fuhr Linning fort, „die
Frau Marquise noch daraus aufmerksam
machen, wie mißlich und gefährlich es ist,
allerhand Betrügereien gewissenloser Sub-
jekte das Ohr zu leihen. Das würde den
Boden zu gütlichen Verständigungen ver-
nichten. Seine Herrlichkeit ist nicht ge-
neigt, und ich auch nicht, all den möglichen
und unmöglichen abenteuerlichen Hirn-
gespinsten Glauben oder auch nur Be-
achtung beizumeffen und würde auf diesen
Boden nicht folgen."
„Sie wünschen also, daß wir unseren
Antrag znrückziehen?" fragte Perkins.
„Ich habe in dieser Beziehung keine
Wünsche auszusprechen," antwortete Lin-
ning vorsichtig, „bin aber überzeugt, daß
das die Verständigung wesentlich erleich-
tern würde."
„Es muß aber Seiner Herrlichkeit doch
mindestens ebensoviel an der Erforschung
der Wahrheit gelegen sein, als uns?"
Perkins wußte sehr wohl, daß das nicht
der Fall war, aber er wollte Linning ver-
anlassen, sich in dem oder jenem Sinne
ausznsprcchcu. Verneinte er die Frage,
so war das ein Beweis, daß die Gegen-
partei Furcht vor der Wahrheit chabe, be-
jahte er sic, so war er sicher, daß von der
Gegenpartei nichts gegen seinen Antrag
unternommen werden würde.
„Was nennen Sie Erforschung der
Wahrheit?" entgegnete aber der vorsich-
tige Linning. „Für uns ist der Erblasser

tot, und wir halten alle die für Betrüger, die
etwas anderes behaupten."
„Green auch?"
„Den ganz besonders."
„Was haben Sie für einen Beweis gegen ihn?"
„Er liefert ihn selbst, indem er sich wegen seiner
Schwindeleien der strafenden Gerechtigkeit entzogen
hat. Aber wir werden ihn schon zu finden wissen.
Es kommt uns nicht auf ein paar hundert Pfund
an, den Mann der Justiz zu überliefern, die uns
hoffentlich für eine längere Reihe von Jahren vor
seinen Erpressungen und Schwindeleien sicher stellt."
„Sie suchen ihn?"
„Und werden ihn auch finden."

Perkins zog sich plötzlich wieder sehr nachdrücklich
an seiner Nase. Was hatte das zu bedeuten? fragte
er sich. Wußte Linning nicht, daß Green gerade der
verderblichste Zeuge über den angeblichen Tod Samuel
Scheppers war? Wußte er nicht, daß und warum
Green der gesuchteste Zeuge der Gegenpartei war?
Und Linning gab an, ihn selbst zu suchen? Vielleicht
war das eine Falle, um die Gegenpartei abzuhalten,
Green ebenfalls zu suchen. Oder Linning suchte ihn
sicher nur, um ihn unschädlich zu machen, um ihm
den Mnnd mit Gold zuzustopfen. Seine Herrlich-
keit konnte sich ja das leisten, und daß Green diese
Operation unangenehm empfinden würde, war auch
nicht anznnehmen. Wenn dann Green nach dem
Auslande spediert wurde, nach Frank-
reich, nach Amerika oder nach Australien,
dann konnte Perkins lange nach ihm
suchen!
„Es könnte vielleicht den Anschein
haben," begann Perkins nach einer Pause
nachdenklich, „als ob mir daran liege, eine
persönliche Aussprache zwischen meiner
Klientin und Herrn van Elverdaal zn
verhindern. Das ist keineswegs der Fall,
und wenn es also der Frau Marquise
gefällt. Seiner Herrlichkeit wegen einer
offenen vertraulichen Aussprache einen
Besuch zu machen, so würde ich das mit
ebensoviel Beifall begrüßen, als mein hoch-
verehrter Herr Kollege. Es wäre nur
nötig, daß die Fran Marquise uns ihre
Ansicht darüber mittcilt."
„Ich bin jederzeit dazu bereit," er-
klärte diese.
„Vorzüglich. Sagen wir also morgen
mittag?" fragte Perkins.
Linning zögerte mit der Antwort.
Würde Elverdaal morgen mittag wie-
derhergestellt fein? „Ich werde Herrn
van Elverdaal unverzüglich diese er-
freuliche Mitteilung machen," sagte er
dann, „und ich bin überzeugt, daß er da-
von sehr angenehm berührt sein wird.
Die bezügliche Einladung werde ich
Ihnen, Frau Marquise, sofort hierher-
senden. Sind Sie damit einverstanden?"
„Vollkommen!"
Als der Besuch in dieser Weise ver-
abredet war, verabschiedete sich Linning
von seinem teuren Kollegen iu derselben
herzlichen Art, wie er ihn begrüßt hatte,
und machte der Frau Marquise eine Ver-
beugung, an der kein Tanzmeister der
Welt etwas auszusetzen gehabt hätte.
„Ein vorzüglicher Mensch," bemerkte
die Marquise, als er fort war, „und
ohne Zweifel ein tüchtiger Anwalt."
„Nun, er ist ausnahmsweise einmal
nüchtern gewesen," antwortete Perkins
wegwerfend, „gleichwohl haben wir alle
Urfache, sehr auf der Hut zu fein, Frau
Marquise. Das geringste Versehen, die
kleinste Nachlässigkeit kann uns unberechen-
baren Schaden znfügen, denn unsere Sache

lu'sbesuorts am rlelvplion. vriginalreickuiung von Oscar klubm. (8. 342)


xviir isoz.
 
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