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HB 14. Illustrierte Fnmitien-Deitung. Zahr,. IM.



Stein stützte. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn
in dem Wappen ein Zwirnsknäuel oder eine Schneider-
elle gewesen wäre und Elverdaal hätte sich sein Geld
ehrlich mit seinem Handwerk verdient. Wie ein Blitz
schoß ihm diese Idee durch den Kopf, er wußte nicht
weshalb, aber er glaubte, daß er dann besser daran
gewesen wäre.
„Was suchen Sie hier, Sir?" hörte er sich plötz-
lich angesprochen, und als er erschrocken herumfuhr,
sah er vor sich einen baumlangen Mann mit einem
mächtigen schwarzen Vollbart in der Uniform
eines hochherrschaftlichen Portiers. An seiner gold-
betreßten Mütze — er behielt sie natürlich aus dem
Kopfe, fo daß Mister Burns genügend Muße hatte,
sie zu bewundern — befand sich ebenfalls das Wappen

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Uoman von söolkjsmcir Urban.
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lltackilruck verboten.)
ister Burns sollte Angst haben? Vor
U M was denn? „Es war einmal so —"
MAN hatte seine Mutter gesagt, genau wie
M, M. M. vor einiger Zeit der ältere freundliche
Gentleman aus dem Omnibus. Ein gewisser Trotz
stieg in ihm auf, und mutig, als wenn er es mit der
ganzen Welt aufnehmen könne, schritt er vorwärts,
nach Regentpark hinaus. Nur
eilt einziges Mal blieb er mit sei-
nem Blumenstrauß vor einem
Friseurladen stehen und besah sich
in dessen Spiegel. Sein etwas
bleiches und zartes, aber unge-
mein bewegtes Gesicht mit den
zutraulichen und herzlichen Augen
fiel ihm unwillkürlich aus. Er
war sich nie so aufgeregt, so un-
ternehmend vorgekommeii, seine
dunklen Augen erschienen ihm dunk-
ler und kräftiger als je. „Warum
denn nicht?" klang es trotzig in
ihm, warum sollte ihn denn Anny
nicht ebenso lieben wie er sie?
Machte er Pläne und Speku-
lationen? Er dachte wohl kaum
daran. Es war ihm jedenfalls
eher fatal als erfreulich, daß Anny
mit ihren Eltern aus der Bins-
bnry-Street fortgezogen und er
nun eine solche Schererei hatte,
um sie einmal zu sehen, ihr in die
Augen zu blicken und sie zu fragen:
Wie geht's? Und das alles so
hastig, so Knall und Fall, als ob
das ererbte Geld sie verwandelt,
sie zu Menschen besonderen oder
höheren Ranges gemacht habe, oder
es eine Schande sei, kein Geld zu
haben oder zu erben.
Als er in die vornehme Regent-
park-Road einbog, schmolz sein Mut
doch bedenklich zusammen. Das
war anders wie in Binsbury-
Street. Häuser mit prächtigen
Sandsteinfassaden, allem möglichen
architektonischen Zierat, Ballo-
nen, Erkern, alles breit und be-
quem und großartig, alles teuer
und luxuriös — das fiel ihm wie
ein Gewicht auf die Brust. Ah! da
war auch schon der Klingelzug mit
dem Wappen und den Initialen
„v. E." Nur flüchtig streifte sein
Blick das Wappen. Es stellte einen
Löwen dar, der seine Vordertatze
aus einen von Wellen umgebenen

mit dem Löwen, von dem Mister Burns wünschte,
daß er ein Zwirnsknäuel wäre.
„Entschuldigen Sie, Sir," erwiderte Mister Burns
höflich, vielleicht zn höflich, um sich Respekt zu ver-
schaffen, „ich wünschte Miß Anny van Elverdaal
meine Aufwartung zu machen und ihr diese Blumen
zum Geburtstag zu überreichen."
Der Portier verzog den Mund spöttisch.
„Mein teurer Sir," sagte er, „das wünschen sehr
viele junge Herren, und Sie sind seit einer Stunde
etwa der elfte oder zwölfte. Die Herrschaft ist aber
augenblicklich nicht zu Hanse. Wollen Sie mir Ihre
Karte geben, so werde ich sie mitsamt Ihren Blumen
im Besuchszimmer deponieren."
Mister Burns besaß keine Visitenkarten. In dieser
Beziehung war er mit seiner Mutter
einverstanden und meinte, daß es
besser und seinen Verhältnissen an-
gemessener wäre, sich ein gutes
Stück Rindfleisch an Stelle solchen
Tands zn kaufen. Gleichwohl er-
rötete er und sagte verlegen: „Ich
bitte um Entschuldigung, Sir,
mein Name ist Burns, William
Burns. Ich wohne in der Bins-
bury-Street, und —"
Kaum hatte Will den Namen
Binsbury - Street ausgesprochen,
als sich in der Art und Weise
des Portiers die ausgesprochenste
Abneigung kundtat. Er drehte
ihm den Rücken und unterbrach
ihn grob: „Bitte, mein Herr, wir
haben mit Leuten, die in der Bins-
bury-Street wohnen, nichts zu tun.
Ich habe ein für allemal den Be-
fehl, Leute aus der Binsbury -
Street nicht vorzulassen. Wenn
Sie ein Bittgesuch haben, so rei-
chen Sie es schriftlich ein. Die
Herrschaft wird gnädig wie immer
erwägen, was in Ihrem Falle zu
tun ist. Aber persönliche Besuche
aus der Binsbury-Street sind ver-
beten."
Will kam sich so hinausgeworfen
wie möglich vor. Die Schamröte
stieg ihm heftig ins Gesicht. Wie
oft hatte er die kleinen Läpper-
schulden der „gnädigen Herrschaft"
in der „blauen Jacke" von seinem
kärglichen Verdienst bezahlt? Wie
oft war er Anny, heimlich oder-
offen, zn Hilfe gekommen, wenn es
gar nicht mehr ging — in der
Binsbury-Street. Hatte er das
getan, damit ihm ein unverschäm-
ter, hochnäsiger Lakai den Text
las? War es ein Verbrechen, in
der Binsbury-Street zu wohnen?
Er hatte nicht übel Lust, dem
Manne seine Blumen an den Kopf
zu werfen und ihm die unver-
schämte Mütze herunterzuschlageu.

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