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Heft s. Illustrierte Fmnitien-Deitung. Äahrg. is»Z


Vie krau 6s; Ken6antsn.
Kriminalroman von ll. v. lllauhmann.
(?ortlehung.)
(Oackcjl-uck verboten.)
an wird es gewiß nicht an Bemühungen
I fehlen lassen", fuhr Frau Hermine in
WM» ihrem Briese an den Bruder fort, „die
ZU, ZU M, Wahrheit aus Martha herauszubringen,
und es ist schade, daß wir nicht mehr in Zeiten leben,
wo man für solche Zwecke die Tortur zu Hilfe nehmen
konnte. Aber man würde sie wahrscheinlich auch auf
der Folterbank nicht dahin bringen, ihren Bruder zu
verraten. Sie ist eben eine jener verschlagenen, grund-
verderbten Naturen, die das Böse tun aus reiner
Freude am Bösen, und denen darum mit Härte eben-
sowenig beizukommeu ist als mit Sanftmut und Güte.
Sie wird bei ihrem Leugnen verharren in der Gewiß-
heit, daß man sie ja schließlich nicht auf Lebenszeit
ins Gefängnis sperren kann, und in der Hoffnung,
nach ihrer Freilassung gemeinsam mit dem ehren-
werten Bruder die Früchte dieser edlen Standhaftig-
keit zu genießen. Mir aber stehen nun natürlich
wieder endlose Vernehmungen bevor, bei denen alle
Wunden meines armen, gepeinigten Herzens von
neuem ausgerissen werden. Und ich bin ganz allein —
ich habe keinen Menschen, zu dem ich mich flüchten
kann, keinen, der mich mit einem freundlichen Trost-
wort anfrichtet, wenn die Verzweiflung mich zu über-
wältigen droht! — Ich mache Dir ja keinen Vor-
wnrf, lieber George, denn ich sehe wohl, daß Du
den besten Willen hast, alles für mich zu tun, was
in Deinen Kräften steht. Aber es betrübt mich so
sehr, daß Deine Geschäfte Dir nicht Zeit lassen, mich
auch nur auf einen einzigen Tag zu besuchen. Ich
kann Dir nicht sagen, welche Erleichterung es mir
gewähren würde, vor dem einzigen Menschen auf
Erden, zu dem ich volles Vertrauen haben kann,
einmal mein ganzes Herz auszuschütten, rind mit
ihm über meine Zukunft zu beraten. Wenn Du es
möglich machen kannst, so komme, und wäre es nur
auf wenige Stunden! — Auch der längste Brief
— und ich denke, der vorliegende ist wieder lang
genug geworden — kann in solcher Lage die münd-
liche Aussprache nicht ersetzen. Und es gibt noch so
viel, so unendlich viel, was ich Dir zu sagen hätte.
In der Hoffnung, recht bald durch eine Erfüllung
dieser Bitte erfreut zu werden, grüßt und umarmt
Dich Deine unglückliche Schwester."
Noch am Abend des Tages, an welchem auf
Grund einer anonymen Denunziation die Haus-
suchung bei der jungen Lehrerin und — nach Auf-
findung des Tausendmarkscheins — ihre Verhaftung
erfolgt war, sandte Frau Hermine Winter diesen
ausführlichen Brief, die Arbeit mehrerer Stunden,
an ihren Bruder ab. Was er an tatsächlichen Mit-
teilungen enthielt, entsprach vollkommen der Wahr-
heit. Und die Genugtuung der Verfasserin über das
Verhängnis, das ihre tödlich gehaßte Feindin ereilt
hatte, wäre sicherlich noch größer gewesen, wenn sie
gewußt hätte, ein wie überzeugendes Beweismittel

jener neue Tausendmarkschein in den Augen des
Untersuchungsrichters war. Seine Nummer fand
sich nämlich als eine der ersten in dem aus Ger-
hard Winters Notizen entnommenen Verzeichnis.
Darüber,daß
die Banknote

mutigen Standhaftigkeit die Tränen der Scham in die
Augen treten ließ. Es empörte ihn, daß all seine
kriminalistische Gewandtheit nicht das kleinste Zuge-
ständnis aus ihr herauszupressen vermochte, und als sie

wirklich aus
der Beute des
Kassendiebes
stammte,
konnte keiner-
lei Ungewiß-
heit bestehen.
Wenn sich
unter solchen
Umständen
der Unter-
suchungs-
richter Har-
rius nicht
länger durch
den günsti-
gen Eindruck
beeinflussen
ließ, den die
Persönlich-
keit der jun-
gen Lehrerin
anfangs ans
ihn gemacht
hatte, und
wenn er ihr
nicht mehr
mit freundli-
cher Milde,
sondern mit
strengem
Ernst begeg-
nete, so tat
er damit nur,
was jeder
gewissenhafte
Beamte an
seiner Stelle
getan haben
würde. Auch
er sah in ihr
jetzt nur noch
eine unge-
wöhnlich ge-
schickte Ko-
mödiantin.
Seine Vor-
haltungen
während des
stunden-
langen Ver-
hörs, dem er
das junge
Mädchen
Unterwarf,
waren von
einer Art, die
ihr trotz ihrer

Zonntagskrieäen. llnck einem Semälcle von ?. vröltz.


ix. isos.
 
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