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ich hab» Ihren Weisungen zn gehorchen. Ich iverde
also ivcitere Schritte in der Angelegenheit nicht tun
und werde einen schriftlichen Bericht nicht erstatten.
Aber ich werde morgen um meine Entlassung aus
dem Polizeidienste nachsuchen. Ich bitte Sie, eine
rasche Erledigung dieses Gesuches befürworten zu
wollen."
Mit tief gesenktem Haupte saß Harmening da.
„Was soll ich Ihnen darauf antworten? Wollen Sie,
daß ich meinen armen, todkranken Jungen seinem
Henker ausliefere? — Nein, ich fühle nicht die Kraft
in mir, den alten Römer zu spielen. Die Schuld
dieses Delmonte ist doch auch noch keineswegs er-
wiesen."
„Ich bin nicht zum Richter über Ihre Handlungen
bestellt, Herr Polizeimrektor, und ich möchte bitten,
von einer weiteren Erörterung dieses Gegenstandes
abznsehcn. Was unsere — unsere privaten Be-
ziehungen betrifft, so werde ich mir erlauben. Ihnen
morgen brieflich oder, wenn Sie es wünschen, per-
sönlich die durch die veränderte Sachlage gebotenen
Erklärungen abzugeben."
Harmening nickte. „Ich überlasse es ganz Ihrem
Ermessen, welchen Weg Sie dafür wählen wollen.
Kann ich" — seine Worte wurden zu einem ganz
klanglosen Flüstern — „kann ich im übrigen auf
Ihre Verschwiegenheit rechnen?"
„Ans die meinige — ja! Aber ich bitte, nicht
zu vergessen, daß der Schutzmann Bcrkholtz über die
Sachlage genau in demselben Umfange unterrichtet
ist wie ich selbst. Und er ist — ein sehr gewissen-
hafter Beamter."
Da von dem Schreibtisch des Polizeidirektors her

Tümpel, aul dellen vberkläcks dis erben Ölspuren entdeckt wurden.


„Sie läßt Ihnen auch vieltansendmal danken,
Herr Polizeidirektor, und wenn ich für Sie durchs
Wasser oder durchs Feuer gchcu soll -"
„Na, lassen wir's gut sein, Bcrkholtz! Dergleichen
werde ich wohl schwerlich jemals von Ihnen ver-
langen. Es ist mir schon Belohnung genug, wenn
Sie immer ein so braver Beamter bleiben wie bis-
her. Vor dem Übereifer allerdings müssen Sie sich
dabei in acht nehmen. Der richtet manchmal noch

da recherchieren sollte, und der Doktor Runge, dem
ich natürlich nicht gesagt habe, nm was es sich
handelt, hat ohne weiteres zugestandeu, daß er dem
Bankdirektor vor zehn oder vierzehn Tagen eine
Dosis Strychnin zur Vergiftung eines Hundes ge-
geben hat."
Das war das letzte Glied in der Kette. Nun
war sie geschlossen, und es gab kein Entrinnen mehr
für den Schuldigen. Harmening fühlte seine-Kniee
wanken, und in seinen Ohren brauste das



löcuiptboingsbist.

Jetziges

Crdölpumpe bei der Urbeit.

..Das glaube
er soll nur seine Beschwerde ein-

_ Blut. Aber er raffte sich zusammen; denn
für ihn gab es ja kein Zurück mehr, und er
mußte sich des Schweigens dieses Mannes
versichern, wenn nicht alles vergebens ge-
wesen sein sollte.
So begann er von der Haltlosigkeit der
bis jetzt gegen Delmonte beigebrachten Ver-
dachtsgründe zu sprechen und von dem Be-
schluß, das Ermittlungsverfahren einzu-
stellen. Aber er hatte nicht mehr die Kalt-
blütigkeit und Ruhe, deren es bedurft hätte,
nm den schlichten, ehrlichen Mann da vor
ihm zu hintergehen. Vielleicht auch waren
das Erstaunen und das Mißtrauen, die er
ans dem Gesicht des Schutzmanns zn lesen
glaubte, in Wahrheit gar nicht vorhanden,
und er wurde in seiner nervösen Über-
reizung ohne alle Notwendigkeit an sich
selbst zum Verräter, als er, statt sich auf
die kurze dienstliche Mitteilung zu beschrän-
ken, plötzlich sagte: „Sie müssen mir übrigens
Ihr Wort geben, Bcrkholtz, daß Sie zu
keinem Menschen von diesen Dingen reden
werden. Und wenn Sie etwa eines Tages
vom Herrn Präsidenten oder von der
Staatsanwaltschaft befragt werden sollten,
so wissen Sie nichts. Verstehen Sie, wie ich
das meine?"
Der Kriminalschntzmann stand mit einem Male
so steif und gerade wie ein Laternenpfahl. „Zn
Befehl — nein, Herr Polizeidirektor! Ich meine,
daß ich überall, wo man ein Recht hat, mich zn
befragen, auch alles sagen werde, was ich weiß."
Das war es, was Ewald Harmening mit tief-

keinc Antwort mehr kam, ließ Liebenow seinen letzten
Worten eine leichte stumme Verbeugung folgen und
verließ das Zimmer, das er nach seiner Überzeugung
nicht wieder betreten würde.

l).
Wohl nie in seinem Leben war dem Kriminal-
schutzmann Bcrkholtz eine größere Überraschung
widerfahren, als da er am Abend dieses Tages
den Polizeidirektor Harmening in seine bescheidene
Behausung eintreten sah. Die Freude und die
Rührung über diesen Beweis außerordentlicher Teil-
nahme seines hohen Vorgesetzten waren ihm vom
Gesicht zu lesen; aber er war ein zn gut disziplinier-
ter Soldat, als daß er darüber nur für einen ein-
zigen Moment seine vorschriftsmäßige dienstliche Hal-
tung anfgegeben hätte.
Einmal nur drohte ihn die freudige Bewegung
zu überwältigen, als nämlich Harmening seiner
Brieftasche einen Hundertmarkschein entnahm und
ihn aus den Tisch legte.
„Das ist die Gratifikation, die ich Ihnen für Ihr
Verhalten in Sachen Nordhof ausgewirkt habe, Berk-
Holtz! Sic brauchen aber zu Ihren Kollegen nicht
davon zn reden, denn die Summe ist erheblich
höher, als sie in ähnlichen Fällen bewilligt zu werden
pflegt, und Sie wissen ja, das macht leicht Un-
zufriedenheit und böses Blut."
Die Danksagungen des Schuhmanns kamen er-
sichtlich ans dem tiefsten Herzen, und er bat in seiner
überströmenden Freude um die Erlaubnis, auf einen
Moment in das Nebenzimmer zu seiner kranken Fran
gehen zu dürfen, damit auch sic von dem unverhoff-
ten Glücksfall so schnell als möglich Kenntnis erhalte.
Als er wieder hereinkam, standen ihm die Tränen
in den Angen.

größeren Schaden an als die Lässigkeit. Da habe ich
znm Beispiel erst heute wegen Ihrer Nachforschungen
in der Wohnung des Herrn Doktor Delmonte arge
Unannehmlichkeiten gehabt, der Mann hat sich bitter
über Sie beschwert."
Der Krinnnalschutzmann lachte,
ich wohl. Aber
reichen; des-
wegenjagtman
mich sicherlich
nicht ans dem
Dienst. Der
Herr Kommis-
sar v. Liebe-
now meinte
schon heute
nachmittag,
daß wir den
Giftmischer
sicher in den
Fingern hät-
ten, und inzwi-
schen habe ich
auch noch her-
ansgebracht,
woher er das
Strychnin
hatte. Einer
seiner Freunde,
Doktor Paul
Runge, ist Be-
sitzer einer che-
mischen Fabrik.
Es war eine
Idee vom
Herrn Kommis-
sar, daß ich

XX. 1903.

0is TrflölinflufttiL in flsr ftünsburgsr 6öicls. llcicii ptzolograpiiien von Sultciv u. Übel, löokpliotograpii in iöcmnover. (5. 437)
 
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