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Selbstverständlichkeit von Dingen, deren Zusammen-
hang ihm völlig dunkel war. Aber soviel sie sich
unterhielten, der fremde Mann, der da mitten zwi-
schen ihnen saß, schien für sie gar nicht vorhanden
zu sein, als wäre er ein Schemen, durch den man wie
durch die Luft
hindurchsehen
und hindurch-
sprechenkönne.
Ab und
zu ging einer
hinaus und
kam nicht wie-
der. Dann
wurde einer
von einem
Laufburschen
zu irgend ei-
nem Manne,
dessen Namen
ganz fremd
an das Ohr
Heydemanns
fchlug, geru-
fen, woraus
der Gerufene
nach einigen
Minuten wie-
derkam,seinen
Hut aufsehte
und, ohne sich
zu verabschieden, fortging. Und außer diesen Män-
nern, die ihren Platz im Berichterstatterzimmer hatten,
kamen noch andere Leute, Mitarbeiter, die gewöhn-
lich nicht in diesem Raume saßen und wohl zu
Hause arbeiteten. Sie stellten Fragen, plauderten
eine Weile und gingen wieder fort. Es war über-
haupt ein unaufhörliches Kommen und Gehen, ein
nimmer rastendes Sprechen und Verhandeln, und
dabei ein ununterbrochenes Arbeiten. Mit immer-
steigender Verwunderung, mit Staunen sah Heyde-
mann, wie alle diese Leutchen in der steten Unruhe,
in dem lauten Treiben, während des saft nie ruhen-
den Gespräches Blatt um Blatt beschrieben, als
seien sie taub für den Lärm, blind für die Flucht
der Erscheinungen und empfindungslos für das un-
ruhige Getriebe, das keinen Augenblick stillstand.
Die Stunden vergingen, die Mittagszeit rückte
vor, die lebendige Maschine der Redaktion arbeitete

König Peter I. von Serbien.


immer hastiger, lauter und stärker, und Heydemann
saß noch immer da, müßig, verwirrt, entmutigt, und
kein Mensch kümmerte sich um ihn. Herr Schultze
hatte ihn vollständig vergessen.
Dann wurde es allmählich stiller und stiller. Die
Arbeit näherte sich offenbar einer Pause. Nun saß
noch ein einziger Mann an einem Pulte, ein langer,
großer Herr mit einem stark ergrauten Bart und
einer scharfen Brille. Und jetzt stand auch dieser
auf, uni fortzugehen. Da erst wagte Heydemann
zu sprechen. Er fragte schüchtern, leise, ob jetzt
Mittagszeit im Bureau sei.
„Sie sind wohl ganz neu?" fragte der Bericht-
erstatter zurück. „Wo haben Sie bisher gearbeitet?"
„Noch gar nicht," antwortete Heydemann beschämt.

Zoioan klioakunioMick,
äer neue ksrbikckie Minilterprnüilont.


„Na —" meinte der andere achselzuckend, „Sie
wollen wohl erst Journalist werden? Wie? Viel
Vergnügen werden Sie dabei nicht haben. Ich
wollte, ich wäre was anderes. Und überhaupt . . .
nun. Sie werden ja sehen. Wie ist doch Ihr Name?"
„Heydemann."
„Heydemann — Heydemann —" meinte der

Journalist nachdcnkend, „von einem Namensvetter
von Ihnen wurde kürzlich viel gesprochen. Dem
ist sein ganzes Vermögen gestohlen worden."
„Das war ich."
„I — Sie waren t
Na, wissen Sie, das
wenigstens noch et-
was Geld außerdem
geblieben?"
„So gut wie nichts."
„Ah so — darum
also! Wirklich sehr
traurig. Hoffentlich
kommen Sie noch zu
Ihrem Gelds und
brauchen sich nicht
hier abzurackern. Je-
der Berns ist besser
als der eines Zei-
tungsschreibers. Übri-
gens — ja . . . frag-
ten Sie nicht, ob jetzt
Pause ist? In der
Redaktionsarbeit
nicht, aber Bericht-
erstatter haben nichts
mehr zu tun. Erst wieder in etwa zwei Stunden."
Mit grämlicher Miene griff er nach seinem Hut
uud nach kurzem Gruß ging er zur Tür hinaus.
Also noch einmal anfangen nach zwei Stunden.
Heydemann seufzte. So gering seine Hoffnungen
waren, die Wirklichkeit erschien noch schlimmer. Sechs
Stunden hatte er dagesessen — mit Ausnahme dieses
einen Mannes hatte niemand ein Wort an ihn ge-
richtet, und niemand hatte von ihm Notiz genommen.
Ein böser Anfang.
Also in zwei Stunden. Was mochten die Damen
von ihm denken? Sie dürsten ungefähr jetzt vom
Mittagstisch aufstehen und sich wundern, wo er
bleiben mag.
Aber er wollte nicht hingehen. Er hätte vielleicht
Auskunft geben und erzählen müssen, erzählen, wie
er die vielen Stunden hier trostlos und auf das Un-
gewisse wartend, zugebracht. Nein! Mochten sie
von ihm denken, was sie wollten. Er wollte warten,
ausharren. Vielleicht — vielleicht lächelt ihm doch
etwas Glück. Dann erst wollte er kommen.
Langsam verließ er die Redaktion, begab sich in
eine kleine Kneipe, um etwas zu essen, und brachte

ls! Ach, du lieber Gott! . . .
ist aber Pech! Ist Ihnen

Kronprinz Ssorg von Serbien.


Nacli sinsr pkotogrnplne von
Loiüonnn; !n Senk.

Der alte um! cler neue Konak in Leigraü.


Der lltznciltietoscklsl in Serbien. (5. 547)
 
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