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von dort aus den 1400 Zentner schweren beweglichen
Granitblock Logans Rock, die großartige Felslandschaft
von Lands End, der äußersten Südmestspitze Englands,
den berühmten Cromlech (Druidenheiligtumsvon St. Just
und den St. Michaelsberg, eine merkwürdige Felseninsel,
die sich jäh zu einer Höhe von 70 Meter erhebt und
mit dem Festlande nur durch einen natürlichen 600 Meter
langen Damm verbunden ist, der zur Ebbezeit für die
Dauer von 3 Stunden aus dein Wasser herausragl.
Auf dem Gipfel des Felsberges erhebt sich die Priorei
des heiligen Michael und ein Schloß, das Sitz der
Familie St. Aubyn ist. Am Fuße des Berges liegt ein
Fischerdörfchen, und an den vorgelagerten Klippen
branden unaufhörlich die Wogen des Atlantischen Ozeans.
——
Ois rLmklsnE 6ole.
(Zielie 6cis Lilä ciuk Zelts uncl 5b7.)
V>as hätte sich der gute Alte doch nicht träumen lassen,
" daß er, der ehrsame Schuhmacher, noch einmal dein
Schneider ins Handwerk pfuschen würde. Aber in der
Welt geht's seltsam zu, und was tut ein guter Mensch
nicht aus Mitleid! Da hat sich Nachbars August, dieser
wilde Schlingel, die Hose gänzlich zerrissen und steht
nun heulend vor der Tür, da er sich nicht nach Hause
getraut, wo ihn die strenge Mutter nicht gerade freund-
lich empfangen würde. Der alte Schuster spürt ein
menschlich Rühren, er ruft den August herein, heißt ihn,
sich über seine Kniee zu legen, und beginnt dann mit
Schusterzwirn den Schaden auszubessern. Das ist eine
Arbeit! Aber während der Alte mühsam Stich an Stich
setzt, um eine möglichst unsichtbare Naht herzustellen,
kommt ihm die Erinnerung an seine eigene frohe Kinder-
zeit, in der er selbst über Zäune und Dächer, auf Bäume
und Gerüste hat klettern können und dabei manche
Hose zerrissen hat. Ja damals — in der Jugend!
Wie lange ist das her, wie weit, wie weit liegt das
hinter ihm! Wie traurig, daß der Mensch altern
muß! Und des Schusters ernste, nachdenkliche Miene,
des wilden August weinerliche Niedergeschlagenheit im
Gegensatz zu der lächerlichen Veranlassung macht den
Humor des Bildes aus.

ksttelucls LscluiliCiikrciuCii in ^unis.
Vsks cklis Mlcl ciuk Teile 571.)
Vkn den Straßen von Tunis, der Hauptstadt des gleich-
namigen nordafrikanischen Reiches, das seit 1881
unter französischer Schutzherrschaft steht, findet sich ein
buntes Völkergemisch zusammen. Mauren, Kabylen,
Neger aus allen Teilen Afrikas, Ägypter, Griechen, Ar-
menier, Juden, Italiener, Franzosen und Spanier, sie
alle sind in dem lebhaften Getriebe, das in den engen
Straßen herrscht, vertreten. Mag aber die einheimische
Bevölkerung noch so viele interessante Gestalten auf-
weisen, keine erscheint dem Fremden, der Tunis besucht,
anziehender als die bettelnden Beduinenfrauen. Zwar
sind die Beduinen Mohammedaner, aber ihre Frauen
trage,: das Gesicht trotzdem unverhüllt. Ursprünglich
beruht wohl dieser für die mohammedanische Welt unge-
wöhnliche Brauch auf dem nomadischen Leben in der
Wüste, wo die Frauen nur selten Gelegenheit haben,
von fremden Männern gesehen zu werden, aber er ist
auch von den Hadesi, den beduinischen Händlern, die
sich in den Städten ansässig gemacht haben, beibehalten
worden. Infolgedessen kann man die Gesichtszüge der
Beduincnfrauen ungehindert betrachten. Wie ein paar
feurige Kohlen glühen die großen, dunklen Augen, deren
Glanz durch die Auftragung eines schwarzen Färbe-
mittels aus die unteren Augenlider künstlich gehoben
wird. Stirn und Wangen sind mit kleinen blauen
Tättowierungen versehen. Die Ohren und die Unter-
lippe sind mit herabhängendem Geschmeide geschmückt.
Den Hols umgibt ein Halsband mit Kettchen, und die
Brust umschließt ein Gürtel, der an den Rosenkranz er-
innert. Das den Beduinen eigene malerische Gewand
vermehrt den Reiz der ganzen Erscheinung. Die
bettelnden Beduinenfrauen sind also in ihrem Äußern
ihren europäischen Schwestern sehr unähnlich. In ihrem
Auftreten zeigt sich denn auch keineswegs Gedrücktheit
und Abgehärmtheit, vielmehr spiegelt sich in ihren Zügen
eine gewisse Gefallsucht und Schalkhaftigkeit wider. Was
braucht auch ein Beduinenweib für sich und ihre Kinder
zum Leben? Etwas Reis oder Mais, dazu Tomaten und
Zwiebeln, genügt als Nahrung. Die Lehmhütte draußen
vor der Stadtmauer kostet so gut wie nichts. Auch ohne
die Hilfe der zauberkräftigen Amulette, die die Bettlerin
unter ihrem Schmuck trägt, bringt das Betteln inwenigen
Stunden so viel zusammen, daß die geringen Ausgaben
für den Unterhalt mit Leichtigkeit bestritten werden kön-
nen. Für den Überschuß kann man sich im Bazar
blitzenden Tand kaufen. Weitere Sorgen braucht man
sich nicht zu machen, denn Allah ist groß und Mohammed
ist sein Prophet. Man sieht denn auch dem Kinde, das
die Bettlerin bei sich hat, keinen Mangel an. In ganz
Afrika tragen die Frauen ihre Kinder nicht auf dem
Rücken oder dem Arm, sondern lassen sie auf einer Hüfte
reiten Der runde Pausback schaut so munter und selbst-
bewußt in die Welt, als wäre er der Sprößling des
Beis von Tunis selbst. Besonders gern halten sich die
Bettlerinnen in den Bazaren und an den Kaffeehäusern
und Gasthäusern auf, in denen Fremde verkehren, und
oftmals genug wird ihnen auch hier ein Silberstück in
die Hände gedrückt.

s-s Das Rätisl cles „Roten Röwen".

koman von Serkarkl Ztein.

(kortkehung.)

NN stand Heydcmann wieder im Nedaktions-
» zimmer, Herr Schultze blickte von seiner Ar-
D > beit auf und fragte ziemlich resigniert: „Haben
Sie etwas erfahren?"
„Ja, es ist der Radscha von Godaweri," ant-
wortete Heydemann.
„Haben Sie ihn gesehen?" fragte Schultze mit
gutmütigem Spott.
„Jawohl. Ich wurde sogar hinausgeschmissen."
Ein dreistimmiges, lautes Gelächter ertönte.
„Ich gratuliere," sagte Schultze heiter. „Aber
können Sie etwas über Ihr Erlebnis schreiben?"
„Ich glaube, ja," meinte Heydemann, „es könnte
vielleicht etwas ausführlich werden?"
„Doch nicht wie Ihr Brandbericht?" fragte Schultze
mit besorgter Miene.
„Ich hoffe, besser," sagte Heydemann. „Nur ...
na, ich möchte einen Moment das Konversationslexikon
haben."
Wieder erscholl fröhliches Lachen.
„Heinrich!" rief Schultze einen jungen Burschen
an, „führen Sie den Herrn in das Bibliothek-
zimmer!" —
Heydcmann saß wieder im Berichterstatterzimmer
und schrieb und schrieb Blatt um Blatt. Und die
Feder flog über das Papier ohne Panse, ohne Rast.
Mehrere Blätter lagen bereits vor ihm, als
Schultze in das Zimmer trat und ungeduldig fragte:
„Wie stcht's? Haben Sie schon etwas?"
„Bitte, hier," antwortete Heydemann, „ich bin
bald fertig."
Mit verwundertem Mißtrauen nahm Schultze das
Manuskript und ging hinaus. Nach mehreren Mi-
nuten hörte Heydemann zu schreiben aus, nahm das
letzte Blatt und ging in das Redaktionszimmer.
Schultze überflog raschen Blickes das Geschriebene
und sagte dann lächelnd: „Herr Heydemann, ich
mache Ihnen mein Kompliment. Sie haben Ihre
Arbeit wirklich wie ein geschickter Journalist gemacht.
Ich hoffe nach dieser Probe, daß Sie für uns ein
guter Mitarbeiter sein werden." —
Im Abendblatt des „Tagesboten" las man an
diesem Tage einen langen Bericht über den Radscha
von Godaweri. Der Bericht schilderte das ferne
Land in Indien, er gab ein Bild von der Erschei-
nung des Fürsten und seines ersten Ministers, er
erzählte, daß der Fürst eine schwere Reise gehabt,
daß ihm die europäischen Verhältnisse außerordent-
lich imponiert hätten, daß er noch weitere Reisen
durch die Großstädte unternehmen wolle und, nm
die Erfahrungen in Europa bereichert, daran gehen
werde, in feiner Heimat Reformen durchznführen.
Die Berichterstatter lasen mit kritischer Miene
jedes Wort dieses Berichtes, von dem man wußte,
daß er von dem neuen Manne herrührte. Und in
weniger als einer halben Stunde war die „Null"
zu einer „Nummer", der Mann, den man nicht der
Beachtung gewürdigt hatte, war zum „Kollegen"
avanciert.

Mit etwas mehr Zuversicht als in den vorher-
gegangenen Tagen kam Heydemann am nächsten
Morgen in die Redaktion. Die anderen Herren
hielten es bereits der Mühe für wert, seinen Gruß
zu erwidern und ab und zu ein kleines Gespräch mit
ihm anznsangen. Heute begann auch seine eigent-
liche Tätigkeit als Berichterstatter, indem Schultze
ihn, wie die anderen Berichterstatter, zunächst mit
kleineren Feststellungen und Nachforschungen betraute,
wodurch er sich allmählich jene Routine aneignen
sollte, die ihn zu Arbeiten ans eigener Initiative
und zur Selbständigkeit bringen konnten.
Er hatte eben einen solchen Auftrag erledigt und
war dabei, das Resultat seiner Erkundigungen in
die Form einer kleinen Notiz für das Abendblatt
zu bringen, als Eduard Bohne mit seinem lebhaften
Gruß eintrat.
„Da sind Sie ja!" rief er Heydemann mit einer
Freudigkeit zu, als wäre nunmehr die tiefste Sehn-
sucht seines Herzens erfüllt. „Ihr Bericht, lieber
Heydemann, ist famos, großartig, 'ne Leistung, sage
ich Ihnen! Ich habe mich riesig gefreut."
„Na, haben Sie schon die zehntausend Mark ver-
dient, Böhnchen?" unterbrach Schwabe den Strom
der Komplimente.
„Seien Sie nur ganz ruhig," erwiderte Bohne,
„ich werde sie verdienen. Darauf können Sie Gift
nehmen. Sie mit Ihrem faulen Kopf können ja
doch nichts "

(llcickclruck verboten.)
„Ich habe Sie gewarnt, Bohne," sagte Schwabe
spöttisch, „Sie werden sich wieder einmal blamieren."
„Nu, wenn schon," meinte Bohne achselzuckend,
„Sie blamieren sich alle Tage."
Dann wandte er sich an Heydemann und ver-
einbarte mit ihm eine Zusammenkunft am Abend
nach Schluß der Redaktion, um einige Auskünfte
über die näheren Umstände des Verschwindens des
Geldes mit ihm zu beraten.
„Ein Scharlatan, ein Ausschneider!" knurrte
Schwabe, als Bohne das Zimmer verließ.
„Ja, das ist er," sagte einer der Berichterstatter,
„aber er ist nicht dumm. Die Geschichte mit dem
Jnwelendiebstahl vor mehreren Monaten hat er mit
seinen Recherchen hcrausgekriegt und die Polizei auf
den richtigen Weg gebracht."
„Ein blindes Huhn hat einmal ein Korn ge-
funden," meinte Schwabe gehässig.
„Nta, jedenfalls ist er ein geriebener Junge," sagte
der andere. „Er arbeitet wenig und verdient viel."
„Mit Schwindelreklamen!" brummte Schwabe.
Heydemann hörte diese Gespräche, aber er ent-
hielt sich aller Fragen. Er fühlte sich noch zu neu
in diesem Kreis nnd fürchtete zn belästigen oder neu-
gierig zu erscheinen. Abgesehen davon hatte ihm
Bohne in einem gewissen Grade imponiert; die
Sicherheit, mit der er auftrat, rief iu Heydemann
den Eindruck hervor, daß Bohne ein erfahrener nnd
gewandter Journalist fei, der jedenfalls das dnrch-
znführen vermochte, was er sich vornahm.
Und da Heydemann die Hoffnung nicht aufgeben
konnte, so war er auch geneigt, zu glauben.

Die Vormittagsstunden waren verronnen. Heydc-
mann hatte einige kleine Arbeiten hinter sich, die
den Tag lohnend gemacht hatten. Mit einem ge-
wissen Glücksgeftthl/das Herz von besten Hoffnungen
geschwellt, betrat er wieder die Straße, und unwill-
kürlich schlug er den Weg zu dem kleinen, billigen
Restaurant ein, in dem er in den letzten Tagen sein
Mittagessen genommen hatte.
Plötzlich aber hielt er inne und verlangsamte
feinen Schritt.
„Warum gehe ich eigentlich nicht zu den Damen?"
fragte er sich. „Warum denn nicht? Es ist doch
endlich Zeit, daß ich mich sehen lasse. Die mögen
was Schönes von mir denken. Na, nnd hinaus-
werfen werden sie mich wohl nicht."
Mit einem raschen Entschluß schlug er den Weg
nach dem Norden Berlins ein, immer schneller gehend,
als wollte er die Versäumnis von Tagen nachholcn.
Nun stand er wieder vor der Tür, an die er so
oft ängstlich, zaghaft, mit dem Gefühl des geduldeten
Armen geklopft hatte.
Das Dienstmädchen, das ihm öffnete, machte ein
verwundert mißbilligendes Gesicht.
„Ah — Herr Heydemann," sagte sie in einem
Tone, der deutlich einen Vorwurf und zugleich eine
Billigung seines Kommens enthielt.
Als er eintrat, saß Edith in einem Fauteuil, mit
einem Buch in der Hand. Sie stand auf, machte
einen Schritt aus ihn zu nnd streckte ihm mit einem
freundlich grüßenden Lächeln die Hand entgegen.
Fran Doktor Driesen aber erschien etwas steif.
Sie war in großer Toilette, ziemlich grell — rosa
Seidenblnse nnd meergrüner Seidenrock mit großer
Schleppe, um den Hals eine Perlenschnur, im Haar
eine rote Mohnblume — offenbar zu einem Besuch
gerüstet oder einen Besuch erwartend. Der Ausdruck
ihres Gesichtes entsprach der ganzen Erscheinung,
halb feierlich, halb verdrießlich, im ganzen kühl, förm-
lich und dazu etwas pikiert.
Sie begrüßte Heydemann mit einer würdevollen
Bewegung und schien einen schweren Vorwurf ans
den Lippen zn haben. Aber sie besann sich rasch.
Sie lächelte, streckte ihm ihre beringten Finger ent-
gegen und sagte: „Aber lieber Herr Heydemann,
was ist Ihnen denn passiert? Seit Tagen warten
wir, lassen nach Ihnen fragen — ich habe die
schönsten Ideen zu einem großen Roman, Arbeit in
Menge, und Sie, Sie verschwinden, Sie lassen ein-
fach nichts von sich hören!"
„Ich bitte vielmals um Entschuldigung," sagte
er etwas verlegen. „Ich habe nämlich neue Arbeit
gefunden."
„Arbeit? Wieso?" meinte Fran Friederike ziem-
lich spitz. „Hier" — sie zeigte ans ihren Schreib-
tisch — „haben Sie ja gerade genug zu tun."

XXVI. Igos.
 
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