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das kleine, beschleifte, schreiende Bündel, das den
Sohn und Majoratserben vorstellt, herum. Der
Junge soll natürlich schon bildschön und Gott weiß
wem ähnlich sein. Das merkt aber nur das stolze
Elternpaar selber. Du hättest nur mit zur Taufe
nach Rotenburg kommen sollen, Lisa. Axel und die
Gräfin würden sich wirklich gefreut haben."
„Glaubst du? Ich bezweifle es. Kindtaufen
sind auch nicht meine Passion."
„Leider —" bestätigte der Erbprinz etwas doppel-
sinnig. Als er aber den Ausdruck auf dem Gesicht
seiner Frau bemerkte, fuhr er gutmütig fort: „Es
würde dich doch interessiert haben, dort alles zu sehen.
Das Schloß ist wundervoll renoviert. Ein herr-
licher Besitz! Rotenburg füllt seine Stellung als
Großgrundbesitzer vorzüglich aus. Es geht alles
wie am Schnürchen. Und die Jagd —"
„Ach, von der Jagd will ich nichts wissen," unter-
brach ihn die Erbprinzeß schnell. „Erzähle mir-
lieber, wie Freda aussah. Ist sie noch ebenso hübsch?"
„Noch weit hübscher. Bei der Taufe, mit den
Familienbrillanten der Rotenburgs im Haar, sah
sie bildschön aus. Axel schien das auch zu finden.
Nein, ist der Mensch verliebt in seine Frau! Und
schon ein Jahr verheiratet!"
„So — nun, vielleicht besuche ich Freda einmal.
Sie war eigentlich reizend. Die Bergen intrigierte
damals gegen sie. Es ärgert mich jetzt, daß ich aus
ihr dummes Gewäsch hörte."
Der Erbprinz staunte. „Deine geliebte Lilli!"
„Ach, so sehr geliebt habe ich sie eigentlich nie!"
versicherte die Erbprinzeß. „Findest du es nicht
langweilig, immer ein so häßliches Gesicht ansehen zu
müssen?"
„Sehr!" bestätigte der Erbprinz ironisch. „Wenn
mich nicht alles täuscht, habe ich es aber die längste
Zeit gesehen."
Die Erbprinzeß zuckte die Schultern. „Ich werde
Freda schreiben," wars sie leicht hin. „Glückliche
Menschen sind nicht nachtragend. Ich sehne mich
nach Abwechslung. Im Lauf des Sommers könnte
ich sie einmal in Rotenburg besuchen. Freda als
junge Mutter — ich muß das sehen! Es wird
deliziös sein."
Ende.
Cins intsrsllcintL Cntdsckung.
(5>obo ilcis Nilä iiuk 5e!te S07.)
slichts Schöneres kennen die beiden Alten, deren Cha-
" rakterköpfe der Maler auf unserem Bilde festgehalten
hat, als zu disputieren und zu philosophieren. Das war
ein Freudentag für den greisen Oberlehrer, als der
Jugendfreund endlich nach einem Leben voller Kampf
und Mühen zurückkehrte, um seinen Lebensabend in
der Heimat zu genießen. Nun hatte er doch einen
Menschen, der seinen Studien Interesse und Verständnis
entgegenbrachte. Freilich, was er selbst nur aus Büchern
gelernt hatte, das wußte der Freund meist aus eigener
Erfahrung, und Theorie und Praxis ließen sich oft nicht
recht vereinigen. Dann stritten sie wohl tagelang ohne
Zorn und Unfreundlichkeit jeder für seine Ansicht. Und
konnten sie sich nicht einigen, dann wurden Autoritäten
ins Treffen geführt. So hat der Oberlehrer die Ent-
deckung gemacht, daß in einigen alten Werken seine
kürzlich so stark angefochtene Ansicht auch vertreten ist.
Da ist er denn mit den Büchern sogleich hinüber ge-
gangen zu seinem Freunde, um diesem triumphierend die
interessante Entdeckung zu zeigen und zu hören, was
dieser wohl dazu meint. Doch dieser läßt sich durch die
siegesbewußte Miene des Alten nicht stören. Aus seiner-
langen englischen Pfeife rauchend, prüft er sorgfältig und
dann — disputieren sie wieder fröhlich weiter, zunächst
natürlich über diese interessante Entdeckung.
——
Oie NCUCrökkusts Ztation Cigsrncuid der
Äuiigkrciubakilu
(Ziske die 3 Lilder ciuk Zsits blO.)
split bewunderungswürdiger Energie wird auch nach
dem Tode des Züricher Ingenieurs Guyer-Zeller
die von diesem ins Werk gesetzte elektrische Bahn von
der Scheidegghöhe auf den Gipfel der Jungfrau der
Vollendung entgegengeführt. In Wort und Bild sind in
früheren Jahren unseren Lesern bereits die verschiedenen
Hauptmomente des Unternehmens dargestellt worden; im
Sommer 1899 wurde, nachdem schon früher die Station
Eigergletscher besucht werden konnte, das erste Viertel
der auf eine Länge von 12,4 Kilometer projektierten
Strecke mit Eröffnung der Station Rotstock dem Verkehr
übergeben. Von den 900 Metern der Teilstrecke Eiger-
gletscher-Rotstock führen 700 durch den Felsen. Die Fels-
terrasse der letzteren Station liegt 2S3O Meter hoch,
während der höchste Gipfel der Jungfrau eine Höhe von
4167 Meter hat. Nunmehr ist eine weitere Station ge-
wonnen; sie hat den Namen „Eigerwand" erhalten und
liegt 2868 Meter über dem Meere. Wie die Strecke
selbst ist auch diese Station ganz in den Felsen gehöhlt,
den hier die Jungfraubahn durchzieht. Das erste unserer
Bilder zeigt einen im Ausgang des Tunnels haltenden
Zug und vorn einen Teil des eigentlichen Stationsrnums.
Das ganze Felsengewölbe hat eine Vodenfläche von
220 Quadratmetern und 7 Meter Höhe. Seine Decke
wird von natürlichen Felssäulen getragen, die beim
Sprengen des Gesteins stehen gelassen wurden und deren
Dicke 3 bis 5 Meter beträgt. In einer zweiten Grotte,
links vom Zugangsstollen, der S,5 Meter breit ist, findet
der Reisende ein Büfett mit Erfrischungen. Eine elek-
trische Tee- und Kaffeeküche sorgt für warme Getränke.
An Bänken zum Ausrühen fehlt es nicht. Unheimlich
bliebe der Aufenthalt in dieser künstlichen Felsenhöhle
aber doch, schlösse sich nicht an dieselbe eine breite Aus-
sichtsgalerie. Hier weht frische Luft und entzückt begrüßt
das Auge mit dem Tageslicht die weite Aussicht, die sich
von hier aus über das Grindelwaldtal, die Faulhorn-
kette, Bürgenstock und Rigi, die Berge des Mittellandes
bis zum Jura und Schwarzwald hin ausdehnt. Bei
diesem Weitblick von der Eigerwand aus fühlt man so
recht, in welcher Höhe man sich befindet. Die Über-
windung der neuen Teilstrecke hat weit mehr Arbeitszeit
in Anspruch genommen, als ursprünglich veranschlagt
war. Bei der Durchbohrung des äußerst harten Kalk-
gesteins konnte man sich keiner hydraulischen Gesteins-
bohrmaschinen bedienen, wie sie beim Simplondurchstich
Wunder verrichtet haben. Es fehlte dazu in dieser
Höhenlage am Wasser. So war man auf elektrische
Bohrmaschinen angewiesen, deren Leistungskraft weit ge-
ringer ist. Zudem können ja die Tunnelarbeiten der
Jungfraubahn nur von einem Angriffspunkte aus, von
unten nach oben, betrieben werden, und die Förderung
des losgefprengten Gesteins auf der stark geneigten
Bahnlinie war mit außerordentlichen Schwierigkeiten ver-
knüpft. Leiter des Baus und des Betriebs ist der In-
genieur H. H. Peter.
Cin ^allsrkrsuiid.
(Zi'slis dcis Lild ciuk Zelts bll.)
I/>ie unter den Menschen, so gibt es auch unter den
W Pferden Wasserscheue und Wasserfreunde. Aller-
dings wird die Liebe zum Wasser einem vierbeinigen
Wasserfreunde nicht immer als Tugend angerechnet,
wenigstens nicht von seinem Reiter, der durch diese Vor-
liebe oft in recht unangenehme Situationen kommen
kann. Natürlich ist es kein Zufall, daß alle Pferde mit
„Mucken", namentlich zur Manöverzeit, stets den zu einer
Übung eingezogenen Reservisten zugewiesen werden, die
dann keine Ahnung von diesen „Mucken" haben. So ist
auch auf unserem Bild der Reiter ahnungslos mit den
Kameraden am Abend eines Manövertages zum Fluß
„in die Schwemme" geritten. Doch wie erstaunt er, als
fein braves Rößlein sich bei dem ersten Schritt in das
Wasser als ein „Wasserfreund" entpuppt, der es kaum
erwarten kann, sich ohne Rücksicht auf seinen Reiter in
die kühle Flut zu werfen und sich behaglich prustend
einigemal auf dem Rücken hin und her zu wälzen. Auf
dieses Schauspiel aber haben die Kameraden nur ge-
wartet, um nun lachend und witzelnd die Belustigungen
des Wasserfreundes und die Anstrengungen des Reiters,
wieder hochzukommen, mit ihren Bemerkungen zu be-
gleiten. Wer den Schaden hat, braucht ja für den Spott
nicht zu sorgen. Dieses Sprichwort hat wohl nirgend
mehr Geltung als beim Militär.
Der Zekrslöwogsl.
(Zistie dci5 8ild auk Zelte (>13.)
>^u den seltsamsten Erscheinungen der afrikanischen
" Vogelwelt gehört der Sekretärvogel, der seinen Namen
zwölf paarweise neben- und hintereinander gestellten,
etwa IS Zentimeter langen Nackenfedern verdankt, die
aufgerichtet werden können und dann entfernt an die
hinter das Ohr gesteckte Feder eines Geheimschreibers
erinnern. In der Landessprache aber hat dieser über
einen großen Teil Afrikas, namentlich der südlichen
Hälfte, verbreitete Vogel noch unerklärlichere roman-
tische Namen; so im Westen Sudans „Roß des Teufels"
und im Nordosten „Schicksalsvogel". Die Naturforscher-
haben sich infolge der eigenartigen Form des Sekretär-
vogels entschließen müssen, ihm in ihrem System eine
besondere Klasse, die der Kranichgeier, zuzugestehen. Sein
schlanker Körper, der ziemlich kleine Kopf, der wie beim
Geier auf dem Scheitel etwas flach gedrückt erscheint,
der ziemlich lange Hals und vor allem der kräftige und
fast von der Wurzel an gebogene Schnabel weisen ihn,
wie auch die starken Fänge, in die Klasse der Raubvögel.
Nur seine an Stelzen erinnernden langen Fußwurzeln
geben ihm Ähnlichkeit mit dem Kranich. Vor anderen
Geierarten zeichnet den Sekretärvogel der auffallend
lange, abgestufte Schwanz und die schönen matten Farben
seines reichen, großfederigen Gefieders aus, das an der
Brust leicht aschgrau ist mit einem bräunlichen Schimmer.
Die Hinterhalssedern sind dagegen fahler, die Ohren-
gegend und Halsseiten schmutziggraugelb. Der Nacken-
schopf, die Schwingen und Deckfedern, wie die Unter-
schenkel schwarz, die langen Steuerfedern fahlweiß bis
graubraun mit einem schwarzen Bande. Seine Höhe beträgt
1,i5 bis 1,2» Meter. Bemerkenswert ist, daß dieser Vogel
trotz seiner weiten Schwingen (Fittichlänge 62 Zentimeter,
mittlere Schwanzfedern 68 Zentimeter) nur selten und
dann nur sehr ungern zum Fliegen sich entschließt, und
daß es überdies eines Anlaufs bedarf, bevor er sich in
die Lüfte erheben kann. Einmal in der Höhe, schwebt
er lange ohne Flügelschlag majestätisch dahin. Im all-
gemeinen verläßt er sich, ob er selbst jagt oder gejagt
wird, auf seine guten Läufe, die ihn veranlassen, wald-
reiche Gegenden zu meiden und in den Steppen zu
leben, die er fast so schnell wie die besten Laufvögel
durcheilen kann. Unersättlich vertilgt er alles, was auf
dem Boden kriecht; Lurche und Kerbtiere, Schildkröten
nnd Eidechsen. Ganz besonders gefährlich wird er den
Schlangen, von denen er selbst die größeren Giftschlangen
angreift und gewöhnlich nach kurzem Kampfe tötet. Seine
Flügel dienen ihm dabei als Schutz und Waffe. Er teilt
damit heftige Schläge aus und gebraucht gleichzeitig ge-
schickt seine kräftigen Fänge, bis es ihm gelingt, nach
schnellem Vorstoß die Schlange mit dem Schnabel im
Genick zu fassen. Ob er unempfindlich gegen Schlangen-
gift ist, hat man noch nicht feststellen können. Als
Schlangen-, Mäuse- und Rattenvertilger wird der Sekre-
tärvogel im Kapland von den Menschen gehegt, doch
wird er leicht dem anderen Geflügel gefährlich. Die
Jagd auf ihn bietet übrigens ganz besondere Schwierig-
keiten, da er schwer zu finden nnd zu beschleichen ist.
Nur die fortgesetzte Hatz zu Pferde bis zur völligen
Erschöpfung des Tieres verheißt Erfolg.
c--s Da? Kütlel de; „Koten Köwen".
koincin von Serliard Nein.
(kowshung uni Lckluh.)
M un will ich Ihnen sagen, was ich denke,
M Bohne," platzte nunmehr Heydemann in
W E voller Wut heraus. „Ich denke, daß Sie
lauter Unsinn reden. Aufschneidereien,
weiter nichts. Und ich denke, daß Sie mich von nun
an mit der ganzen Sache in Ruhe lassen. In Ruhe!
Verstehen Sie mich? Ich will nichts mehr davon
wissen! Auch nichts von Ihnen. Und ich bitte Sie
hiermit, sich nicht mehr nm meine Angelegenheiten
zu bekümmern. Adieu."
Bohne war starr. Durch den Kneifer sah er
Heydemann entsetzt an. Dieser plötzliche, unerwartete
Zornesausbruch war ihm völlig unverständlich, un-
begreiflich. Aber er faßte sich bald. Er hatte schon
viel erlebt und er wußte, daß das menschliche Hirn
mitunter sonderbare Wallungen hat, die eben wie
Wallungen bald vorübergehen. Wer weiß, welchen
geschäftlichen Arger der zornige Mann heute gehabt
haben mochte.
So blieb er denn ganz ruhig und sagte: „Nee,
mein Jungchen. Bilden Sie sich nur nicht ein, daß
ich ein Geschäft, an dem ich seit Wochen arbeite,
ans der Hand geben werde, weil Sie heute schlechter
Lanne sind. Fällt mir gar nicht ein. Ich verfolge
die Sache weiter, denn ich stehe schon fast am Ziel.
Sie werden ja sehen, Sie werden ja sehen!"
sNackilrllck verboten.)
Heydemann hatte einen Entschluß gefaßt. Um
jeder Versuchung aus dem Wege zu gehen, kündigte
er sein Zimmer und sagte seiner Wirtin, daß er
wahrscheinlich schon in den allernächsten Tagen aus-
ziehen werde, sobald er ein passendes Logis gefunden
habe.
Nachdem er diese Mitteilung gemacht, verließ er
rasch das Zimmer und stieg mit innerem Grimm
die Treppe hinab. Die Tür der Driesenschen Woh-
nung blieb geschlossen, Edith war nicht zu sehen.
Das paßte gerade zu seiner Stimmung. Er wollte
nichts mehr wissen, er wollte sich alle Empfindungen
für Edith aus dem Herzen reißen. Ja, nun war
es ihm ganz klar: er liebte sie, er liebte sie leiden-
schaftlich mit allem, was an ihm war. Er Hütte ihr
sein Leben geopfert, wenn sie es gewünscht hätte.
Aber sie wünschte es nicht, sie wünschte überhaupt
nichts von ihm. Er war — das glaubte er fest —
in ihren Augen eine Null, ein unbedeutender Mensch,
der Schreiber ihrer Schwester. Und auf einen sim-
pel» Schreiber braucht eine Dame keine Rücksicht zu
nehmen. Wenn sie die Lust anwandelt, kann sie
mit ihm spielen wie die Katze mit der Mans. Und
sie hat mit ihm gespielt, sie hat sich das kleine Ver-
gnügen gemacht
Nunmehr aber sollte es zu Ende sein, völlig zu
Ende. Andere Gegend, andere Wege. Die Arbeit
das kleine, beschleifte, schreiende Bündel, das den
Sohn und Majoratserben vorstellt, herum. Der
Junge soll natürlich schon bildschön und Gott weiß
wem ähnlich sein. Das merkt aber nur das stolze
Elternpaar selber. Du hättest nur mit zur Taufe
nach Rotenburg kommen sollen, Lisa. Axel und die
Gräfin würden sich wirklich gefreut haben."
„Glaubst du? Ich bezweifle es. Kindtaufen
sind auch nicht meine Passion."
„Leider —" bestätigte der Erbprinz etwas doppel-
sinnig. Als er aber den Ausdruck auf dem Gesicht
seiner Frau bemerkte, fuhr er gutmütig fort: „Es
würde dich doch interessiert haben, dort alles zu sehen.
Das Schloß ist wundervoll renoviert. Ein herr-
licher Besitz! Rotenburg füllt seine Stellung als
Großgrundbesitzer vorzüglich aus. Es geht alles
wie am Schnürchen. Und die Jagd —"
„Ach, von der Jagd will ich nichts wissen," unter-
brach ihn die Erbprinzeß schnell. „Erzähle mir-
lieber, wie Freda aussah. Ist sie noch ebenso hübsch?"
„Noch weit hübscher. Bei der Taufe, mit den
Familienbrillanten der Rotenburgs im Haar, sah
sie bildschön aus. Axel schien das auch zu finden.
Nein, ist der Mensch verliebt in seine Frau! Und
schon ein Jahr verheiratet!"
„So — nun, vielleicht besuche ich Freda einmal.
Sie war eigentlich reizend. Die Bergen intrigierte
damals gegen sie. Es ärgert mich jetzt, daß ich aus
ihr dummes Gewäsch hörte."
Der Erbprinz staunte. „Deine geliebte Lilli!"
„Ach, so sehr geliebt habe ich sie eigentlich nie!"
versicherte die Erbprinzeß. „Findest du es nicht
langweilig, immer ein so häßliches Gesicht ansehen zu
müssen?"
„Sehr!" bestätigte der Erbprinz ironisch. „Wenn
mich nicht alles täuscht, habe ich es aber die längste
Zeit gesehen."
Die Erbprinzeß zuckte die Schultern. „Ich werde
Freda schreiben," wars sie leicht hin. „Glückliche
Menschen sind nicht nachtragend. Ich sehne mich
nach Abwechslung. Im Lauf des Sommers könnte
ich sie einmal in Rotenburg besuchen. Freda als
junge Mutter — ich muß das sehen! Es wird
deliziös sein."
Ende.
Cins intsrsllcintL Cntdsckung.
(5>obo ilcis Nilä iiuk 5e!te S07.)
slichts Schöneres kennen die beiden Alten, deren Cha-
" rakterköpfe der Maler auf unserem Bilde festgehalten
hat, als zu disputieren und zu philosophieren. Das war
ein Freudentag für den greisen Oberlehrer, als der
Jugendfreund endlich nach einem Leben voller Kampf
und Mühen zurückkehrte, um seinen Lebensabend in
der Heimat zu genießen. Nun hatte er doch einen
Menschen, der seinen Studien Interesse und Verständnis
entgegenbrachte. Freilich, was er selbst nur aus Büchern
gelernt hatte, das wußte der Freund meist aus eigener
Erfahrung, und Theorie und Praxis ließen sich oft nicht
recht vereinigen. Dann stritten sie wohl tagelang ohne
Zorn und Unfreundlichkeit jeder für seine Ansicht. Und
konnten sie sich nicht einigen, dann wurden Autoritäten
ins Treffen geführt. So hat der Oberlehrer die Ent-
deckung gemacht, daß in einigen alten Werken seine
kürzlich so stark angefochtene Ansicht auch vertreten ist.
Da ist er denn mit den Büchern sogleich hinüber ge-
gangen zu seinem Freunde, um diesem triumphierend die
interessante Entdeckung zu zeigen und zu hören, was
dieser wohl dazu meint. Doch dieser läßt sich durch die
siegesbewußte Miene des Alten nicht stören. Aus seiner-
langen englischen Pfeife rauchend, prüft er sorgfältig und
dann — disputieren sie wieder fröhlich weiter, zunächst
natürlich über diese interessante Entdeckung.
——
Oie NCUCrökkusts Ztation Cigsrncuid der
Äuiigkrciubakilu
(Ziske die 3 Lilder ciuk Zsits blO.)
split bewunderungswürdiger Energie wird auch nach
dem Tode des Züricher Ingenieurs Guyer-Zeller
die von diesem ins Werk gesetzte elektrische Bahn von
der Scheidegghöhe auf den Gipfel der Jungfrau der
Vollendung entgegengeführt. In Wort und Bild sind in
früheren Jahren unseren Lesern bereits die verschiedenen
Hauptmomente des Unternehmens dargestellt worden; im
Sommer 1899 wurde, nachdem schon früher die Station
Eigergletscher besucht werden konnte, das erste Viertel
der auf eine Länge von 12,4 Kilometer projektierten
Strecke mit Eröffnung der Station Rotstock dem Verkehr
übergeben. Von den 900 Metern der Teilstrecke Eiger-
gletscher-Rotstock führen 700 durch den Felsen. Die Fels-
terrasse der letzteren Station liegt 2S3O Meter hoch,
während der höchste Gipfel der Jungfrau eine Höhe von
4167 Meter hat. Nunmehr ist eine weitere Station ge-
wonnen; sie hat den Namen „Eigerwand" erhalten und
liegt 2868 Meter über dem Meere. Wie die Strecke
selbst ist auch diese Station ganz in den Felsen gehöhlt,
den hier die Jungfraubahn durchzieht. Das erste unserer
Bilder zeigt einen im Ausgang des Tunnels haltenden
Zug und vorn einen Teil des eigentlichen Stationsrnums.
Das ganze Felsengewölbe hat eine Vodenfläche von
220 Quadratmetern und 7 Meter Höhe. Seine Decke
wird von natürlichen Felssäulen getragen, die beim
Sprengen des Gesteins stehen gelassen wurden und deren
Dicke 3 bis 5 Meter beträgt. In einer zweiten Grotte,
links vom Zugangsstollen, der S,5 Meter breit ist, findet
der Reisende ein Büfett mit Erfrischungen. Eine elek-
trische Tee- und Kaffeeküche sorgt für warme Getränke.
An Bänken zum Ausrühen fehlt es nicht. Unheimlich
bliebe der Aufenthalt in dieser künstlichen Felsenhöhle
aber doch, schlösse sich nicht an dieselbe eine breite Aus-
sichtsgalerie. Hier weht frische Luft und entzückt begrüßt
das Auge mit dem Tageslicht die weite Aussicht, die sich
von hier aus über das Grindelwaldtal, die Faulhorn-
kette, Bürgenstock und Rigi, die Berge des Mittellandes
bis zum Jura und Schwarzwald hin ausdehnt. Bei
diesem Weitblick von der Eigerwand aus fühlt man so
recht, in welcher Höhe man sich befindet. Die Über-
windung der neuen Teilstrecke hat weit mehr Arbeitszeit
in Anspruch genommen, als ursprünglich veranschlagt
war. Bei der Durchbohrung des äußerst harten Kalk-
gesteins konnte man sich keiner hydraulischen Gesteins-
bohrmaschinen bedienen, wie sie beim Simplondurchstich
Wunder verrichtet haben. Es fehlte dazu in dieser
Höhenlage am Wasser. So war man auf elektrische
Bohrmaschinen angewiesen, deren Leistungskraft weit ge-
ringer ist. Zudem können ja die Tunnelarbeiten der
Jungfraubahn nur von einem Angriffspunkte aus, von
unten nach oben, betrieben werden, und die Förderung
des losgefprengten Gesteins auf der stark geneigten
Bahnlinie war mit außerordentlichen Schwierigkeiten ver-
knüpft. Leiter des Baus und des Betriebs ist der In-
genieur H. H. Peter.
Cin ^allsrkrsuiid.
(Zi'slis dcis Lild ciuk Zelts bll.)
I/>ie unter den Menschen, so gibt es auch unter den
W Pferden Wasserscheue und Wasserfreunde. Aller-
dings wird die Liebe zum Wasser einem vierbeinigen
Wasserfreunde nicht immer als Tugend angerechnet,
wenigstens nicht von seinem Reiter, der durch diese Vor-
liebe oft in recht unangenehme Situationen kommen
kann. Natürlich ist es kein Zufall, daß alle Pferde mit
„Mucken", namentlich zur Manöverzeit, stets den zu einer
Übung eingezogenen Reservisten zugewiesen werden, die
dann keine Ahnung von diesen „Mucken" haben. So ist
auch auf unserem Bild der Reiter ahnungslos mit den
Kameraden am Abend eines Manövertages zum Fluß
„in die Schwemme" geritten. Doch wie erstaunt er, als
fein braves Rößlein sich bei dem ersten Schritt in das
Wasser als ein „Wasserfreund" entpuppt, der es kaum
erwarten kann, sich ohne Rücksicht auf seinen Reiter in
die kühle Flut zu werfen und sich behaglich prustend
einigemal auf dem Rücken hin und her zu wälzen. Auf
dieses Schauspiel aber haben die Kameraden nur ge-
wartet, um nun lachend und witzelnd die Belustigungen
des Wasserfreundes und die Anstrengungen des Reiters,
wieder hochzukommen, mit ihren Bemerkungen zu be-
gleiten. Wer den Schaden hat, braucht ja für den Spott
nicht zu sorgen. Dieses Sprichwort hat wohl nirgend
mehr Geltung als beim Militär.
Der Zekrslöwogsl.
(Zistie dci5 8ild auk Zelte (>13.)
>^u den seltsamsten Erscheinungen der afrikanischen
" Vogelwelt gehört der Sekretärvogel, der seinen Namen
zwölf paarweise neben- und hintereinander gestellten,
etwa IS Zentimeter langen Nackenfedern verdankt, die
aufgerichtet werden können und dann entfernt an die
hinter das Ohr gesteckte Feder eines Geheimschreibers
erinnern. In der Landessprache aber hat dieser über
einen großen Teil Afrikas, namentlich der südlichen
Hälfte, verbreitete Vogel noch unerklärlichere roman-
tische Namen; so im Westen Sudans „Roß des Teufels"
und im Nordosten „Schicksalsvogel". Die Naturforscher-
haben sich infolge der eigenartigen Form des Sekretär-
vogels entschließen müssen, ihm in ihrem System eine
besondere Klasse, die der Kranichgeier, zuzugestehen. Sein
schlanker Körper, der ziemlich kleine Kopf, der wie beim
Geier auf dem Scheitel etwas flach gedrückt erscheint,
der ziemlich lange Hals und vor allem der kräftige und
fast von der Wurzel an gebogene Schnabel weisen ihn,
wie auch die starken Fänge, in die Klasse der Raubvögel.
Nur seine an Stelzen erinnernden langen Fußwurzeln
geben ihm Ähnlichkeit mit dem Kranich. Vor anderen
Geierarten zeichnet den Sekretärvogel der auffallend
lange, abgestufte Schwanz und die schönen matten Farben
seines reichen, großfederigen Gefieders aus, das an der
Brust leicht aschgrau ist mit einem bräunlichen Schimmer.
Die Hinterhalssedern sind dagegen fahler, die Ohren-
gegend und Halsseiten schmutziggraugelb. Der Nacken-
schopf, die Schwingen und Deckfedern, wie die Unter-
schenkel schwarz, die langen Steuerfedern fahlweiß bis
graubraun mit einem schwarzen Bande. Seine Höhe beträgt
1,i5 bis 1,2» Meter. Bemerkenswert ist, daß dieser Vogel
trotz seiner weiten Schwingen (Fittichlänge 62 Zentimeter,
mittlere Schwanzfedern 68 Zentimeter) nur selten und
dann nur sehr ungern zum Fliegen sich entschließt, und
daß es überdies eines Anlaufs bedarf, bevor er sich in
die Lüfte erheben kann. Einmal in der Höhe, schwebt
er lange ohne Flügelschlag majestätisch dahin. Im all-
gemeinen verläßt er sich, ob er selbst jagt oder gejagt
wird, auf seine guten Läufe, die ihn veranlassen, wald-
reiche Gegenden zu meiden und in den Steppen zu
leben, die er fast so schnell wie die besten Laufvögel
durcheilen kann. Unersättlich vertilgt er alles, was auf
dem Boden kriecht; Lurche und Kerbtiere, Schildkröten
nnd Eidechsen. Ganz besonders gefährlich wird er den
Schlangen, von denen er selbst die größeren Giftschlangen
angreift und gewöhnlich nach kurzem Kampfe tötet. Seine
Flügel dienen ihm dabei als Schutz und Waffe. Er teilt
damit heftige Schläge aus und gebraucht gleichzeitig ge-
schickt seine kräftigen Fänge, bis es ihm gelingt, nach
schnellem Vorstoß die Schlange mit dem Schnabel im
Genick zu fassen. Ob er unempfindlich gegen Schlangen-
gift ist, hat man noch nicht feststellen können. Als
Schlangen-, Mäuse- und Rattenvertilger wird der Sekre-
tärvogel im Kapland von den Menschen gehegt, doch
wird er leicht dem anderen Geflügel gefährlich. Die
Jagd auf ihn bietet übrigens ganz besondere Schwierig-
keiten, da er schwer zu finden nnd zu beschleichen ist.
Nur die fortgesetzte Hatz zu Pferde bis zur völligen
Erschöpfung des Tieres verheißt Erfolg.
c--s Da? Kütlel de; „Koten Köwen".
koincin von Serliard Nein.
(kowshung uni Lckluh.)
M un will ich Ihnen sagen, was ich denke,
M Bohne," platzte nunmehr Heydemann in
W E voller Wut heraus. „Ich denke, daß Sie
lauter Unsinn reden. Aufschneidereien,
weiter nichts. Und ich denke, daß Sie mich von nun
an mit der ganzen Sache in Ruhe lassen. In Ruhe!
Verstehen Sie mich? Ich will nichts mehr davon
wissen! Auch nichts von Ihnen. Und ich bitte Sie
hiermit, sich nicht mehr nm meine Angelegenheiten
zu bekümmern. Adieu."
Bohne war starr. Durch den Kneifer sah er
Heydemann entsetzt an. Dieser plötzliche, unerwartete
Zornesausbruch war ihm völlig unverständlich, un-
begreiflich. Aber er faßte sich bald. Er hatte schon
viel erlebt und er wußte, daß das menschliche Hirn
mitunter sonderbare Wallungen hat, die eben wie
Wallungen bald vorübergehen. Wer weiß, welchen
geschäftlichen Arger der zornige Mann heute gehabt
haben mochte.
So blieb er denn ganz ruhig und sagte: „Nee,
mein Jungchen. Bilden Sie sich nur nicht ein, daß
ich ein Geschäft, an dem ich seit Wochen arbeite,
ans der Hand geben werde, weil Sie heute schlechter
Lanne sind. Fällt mir gar nicht ein. Ich verfolge
die Sache weiter, denn ich stehe schon fast am Ziel.
Sie werden ja sehen, Sie werden ja sehen!"
sNackilrllck verboten.)
Heydemann hatte einen Entschluß gefaßt. Um
jeder Versuchung aus dem Wege zu gehen, kündigte
er sein Zimmer und sagte seiner Wirtin, daß er
wahrscheinlich schon in den allernächsten Tagen aus-
ziehen werde, sobald er ein passendes Logis gefunden
habe.
Nachdem er diese Mitteilung gemacht, verließ er
rasch das Zimmer und stieg mit innerem Grimm
die Treppe hinab. Die Tür der Driesenschen Woh-
nung blieb geschlossen, Edith war nicht zu sehen.
Das paßte gerade zu seiner Stimmung. Er wollte
nichts mehr wissen, er wollte sich alle Empfindungen
für Edith aus dem Herzen reißen. Ja, nun war
es ihm ganz klar: er liebte sie, er liebte sie leiden-
schaftlich mit allem, was an ihm war. Er Hütte ihr
sein Leben geopfert, wenn sie es gewünscht hätte.
Aber sie wünschte es nicht, sie wünschte überhaupt
nichts von ihm. Er war — das glaubte er fest —
in ihren Augen eine Null, ein unbedeutender Mensch,
der Schreiber ihrer Schwester. Und auf einen sim-
pel» Schreiber braucht eine Dame keine Rücksicht zu
nehmen. Wenn sie die Lust anwandelt, kann sie
mit ihm spielen wie die Katze mit der Mans. Und
sie hat mit ihm gespielt, sie hat sich das kleine Ver-
gnügen gemacht
Nunmehr aber sollte es zu Ende sein, völlig zu
Ende. Andere Gegend, andere Wege. Die Arbeit