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viC kClietzung liCvs XIII. in 6sr
psterskrircks.
(Tislie ckie Zililer auk Teile bld unck b)7.)
s.änge vor seinem Tod hatte Leo XIII. bestimmt, das;
er sein Grab in der ältesten Kirche Roms, der alt-
ehrwürdigen Bischofskirche der Päpste, San Giovanni
in Laterano, finden wolle, und er wird dort auch zur
letzten Ruhe bestattet werden. Zuvor aber mußte altem
Brauchs gemäß die Beisetzung des Verstorbenen in der
Peterskirche erfolgen, der Grabkirche des Apostels Petrus,
der Kirche des Vatikans. Eine Reihe weihevoller Zere-
monien und kirchlicher Trauerfeierlichkeiten ging dieser
ersten Beisetzung der sterblichen Hülle Leos Xlll. voraus,
die sechs Tage in Anspruch nahmen. Kurz nach der
feierlichen Feststellung des Todes durch den Pontifikats-
verweser Kardinal Oreglia erfolgte die Einkleidung der
Leiche für die erste Aufbahrung unter Beihilfe der
Ärzte. In der Sutane aus weißer Seide, mit eben-
solchen Schuhen an den Füßen, das Haupt mit der
roten Papstmütze geschmückt, wurde der Tote in roten
Damast gebettet; die Hände wurden ihm über der
Brust um ein Kruzifix gefaltet. Acht Träger brachten
dann, von der Schweizer- und Nobelgarde und Zere-
monienmeistern begleitet, die Bahre in ein rot aus-
geschlagenes Zimmer des Vatikans in der Nachbar-
schaft der Galleria degli Arazzi. An den Ecken dcr
Bahre wurden Kandelaber mit großen brennenden
Wachskerzen ausgestellt; die Nobelgarden lösten einander
ab in dem Ehrendienst als Wächter der Leiche, während
Posten der Schweizergarde die Eingänge des Zimmers
bewachten. Vierundzwanzig Stunden nach dem Tode
erfolgte die Einbalsamierung der Leiche unter der Leitung
des Doktors Lapponi, und gleich danach die Ausbahrung
im Thronsaal des Vatikans. Hier war sie in das kost-
bare päpstliche Ornat gekleidet: die Sutane aus weißen;
Moirs, das Chorhemd aus feinstem Spitzengewebe, die
Mozetta um die' Schultern aus Purpur, die Strümpfe
aus weißer Seide, die Pantoffeln aus roter Seide mit
schwerer Goldstickerei, auf dem Haupt den Camauro,
eine Bischofsmütze, aus karmesinrotem Samt. Das
Haupt des Toten ruhte auf zwei Kissen aus rotem Samt
mit goldner Randstickerei, ebenso war das rotsamtene
Bahrtuch mit Gold garniert. So empfing der Ver-
storbene am 22. Juli die letzten Huldigungen der Kar-
dinäle und des römischen Adels. Die Trauernden knieten
zu Füßen des Toten nieder und küßten die mit einem
goldnen Kreuz bestickten roten Pantoffeln. Und nun
erst, am Abend vom Mittwoch zum Donnerstag, wurde
die Leiche in die Peterskirche getragen, damit sie dort
bis zu ihrer Beisetzung der Andacht des Volkes zum
Gegenstand werde. Durch weite Säle, über lange
Korridore und breite Treppen ging der Zug hinab in
den Petersdom, der mit dem Vatikanpalaste zusammen-
hängt. Voraus die gesamte Geistlichkeit von Sankt
Peter, dis Bahre getragen von acht Sediarien, die bis-
her den Sänslendienst beim Papste versahen, die hohen
Gestalten der Schweizer- und der Nobelgarde in langen
Reihen daneben. Es folgten die Kardinäle und Prä-
laten in violetten Gewändern. Nur Wachsfackeln be-
leuchteten den Weg. Inmitten des Hauptschiffs der
hochgewölbten Basilika wurde die Bahre niedergesetzt.
Die Sänger von Sankt Peter intonierten das »Indern
me vomins", und der stellvertretende Erzpriester erteilte
die Absolution. Das Haupt des Papstes schmückte jetzt
eine hohe Mitra aus Silber. Dann erfolgte dis Auf-
stellung der Bahre in der Sakramentskapelle und hier
blicb sie während der nächsten drei Tage das Ziel der
Wallfahrt vieler Tausende. An der Beisetzungsfeier am
Abend des 25. Juli nahmen etwa 2000 eingeladene Per-
sonen teil. Zuvor war die Leiche dem dreifachen Sarge
aus Zypressenholz, aus Blei und aus Ulmenholz feierlich
übergeben worden. Ein hoher Katafalk, den S Meter
hohe brennende Kerzen umgaben, trug dann den Sarg
während des Trauergottesdienstes, dem die Einsegnung
und Beisetzung folgten. Über der unscheinbaren Eichen-
tür dcr Chorkapelle zwischen zwei hohen Säulen aus
rotem Marmor hat der Sarkophag aus weißem Marmor
seinen Platz, in welchem Papst Leo XIII. zunächst seine
Rühe gesunden hat. Mittels einer Maschinerie, wie sie
unser Bild S. 617 zeigt, wurde der Sarg emporgewunden.

Im Kislsuklkupt 6sr Zcivcmci 2U Ulllucksn.
lTielce «los Lilü auk Teile öSl.)
Mn der Westseite der Theresienwiese in München, auf
hex alljährlich das Oktoberfest abgehalten wird, er-
hebt sich auf einer Anhöhe vor der Ruhmeshalle mit
ihren Büsten der berühmtesten bayrischen Männer das
Riesenstandbild der Bavaria. Als Schutzgöttin des
Landes ist diese erzene Kolossalsigur gedacht, die mit der
Linken einen Kranz, das Symbol des Ruhmes, über sich
hält und mit der Rechten das Schwert und einen Lor-
beerzweig an sich drückt. Ihr zu Füßen liegt der bay-
rische Löwe. Es sind ganz außerordentliche Größen-
verhältnisse, die hier von der Kunst zu beherrschen waren,
um den gewünschten harmonischen Eindruck zu erreichen.
Fast 20 Meter hoch ist diese Frauengestalt. Die Höhe
des Kopfes beträgt ohne den Hals 185 Zentimeter, die
Breite des Mundes 36, die des Auges 27 Zentimeter,
die Länge der Nase 56, die des ganzen Gesichtes
153 Zentimeter. Unverhältnismäßig größer erscheinen
die Gliedmaßen, von denen der Arm mit der Hand nicht
weniger als 722 Zentimeter lang ist mit einem stärksten
Umfang von 148 Zentimeter. 66 steinern" Stufen müssen
überwunden werden, um im Hohlraum der Statue bis

in die Höhe des Knies emporzuklimmen. An die steinernen
Stufen schließt sich eine feste Wendeltreppe aus Guß-
eisen an, auf der man bis in den Kopf der Figur,
in dem sich Bänke befinden, hinansteigen kann. Zwar
ist der Zugang zu diesen Ruheplätzchen, namentlich in
der Halsgegend der Figur, nur für schlanke Personen
möglich, und die Temperatur dort oben bei warmem
Wetter kaum erträglich, die weite Aussicht aber auf die
Stadt und dis Alpen, deren Gipfel hier zum ersten Mal
den vonNordenKommenden entgegengrüßsn, entschädigen
reichlich für Hitze und Mühe. Ein herrlicher Rundblick
von den Spitzen des Salzkammerguts bis zu den M-
gäuer Bergen! Interessant ist es auch, das Gesicht der
Bavaria von innen zu betrachten. Denn obwohl das
Erz oben 15 Zentimeter, unten sogar 22 Zentimeter dick

ist, sieht man doch deutlich dis tiefen Linien der Haar-
wellen, der Augen und Nasenflügel. Eine Widmungs-
tafel in; Kopfs der Bavaria gibt genaue Kunde davon,
daß „dieser Koloß von Ludwig l. errichtet, von Ludwig
von Schwanthaler erfunden und modelliert und in den
Jahren 1844 bis 1850 gegossen und aufgestellt worden
ist von Ferdinand Miller". Erinnert mag daran werden,
daß die 87,360 Kilogramm Erz, die für die Statue ver-
braucht wurden, aus alten Geschützen, zum Teil aber
von den türkischen Kanonen herstammen, die nach der
Seeschlacht von Navarino (1827) mühsam vom Meeres-
gründe gehoben worden sind. Vollendet wurde die
Bavaria am 7. August 1850, an welchem Tage in Gegen-
wart des Stifters das Riescnhaupt der schon vorher
aufgestellten Figur ausgesetzt wurde.

S-Ä? llnbeitellbar.

Lrrcikilung ncick ^citlacksli. Von C. C. V?sber.

1.
V ^^ochenlang hatte Hermannstadt, die Haupt-
stadt Siebenbürgens, im Bann eines harten
Frostes gelegen. Von früh bis spät hatte
von den Karpathen her ein eisiger Wind geweht, der
die Menschen von den Straßen gefegt und in die
geheizten Stuben getrieben hatte. Endlich am Mor-
gen des 1. Dezember .war ein Witterungswechsel ein-
getreten. Eine wärmere Luftströmung hatte sich
Bahn gebrochen. Glitzernder Rauhreif hatte sich an
dem dürren Geäst von Baum und Strauch gebildet
und eine dichte Nebelbank lagerte auf der Unter-
stadt von Hermannstadt, von welcher steinerne Trep-
pen zu der fast durchweg deutschen Oberstadt hinaus-
führen. Durch die Straßen aber wogte von neuem,
unbeeinträchtigt durch die ziehenden Nebelschwaden,
die auch in die Oberstadt vorzudringen begannen,
jenes betriebsame Leben, das diese bedeutende sieben-
bürgische Industriestadt so vorteilhaft auszcichnet.
Es war pünktlich halb neun Uhr Morgens, als
der Mitinhaber der Bankfirma Simonis L Komp.,
Herr Michael Mayer, das Kontor betrat, das sich
am Hermannsplatz der Oberstadt befand. Mit herab-
lassendem Kopfnicken begrüßte er die Angestellten,
die im ersten Zimmer bereits bei der Arbeit waren,
und begab sich dann nach den: Kontor der Chefs.
Der ungefähr fechsnndzwanzigjährige Mann begann
sogleich die Briefe zu öffnen und zu lesen, die auf
seinem Schreibpult lagen. Einen Teil sortierte er
in verschiedene kleine flache Körbe, während er einen
anderen auf ein zweites Schreibpult legte, das Rücken
an Rücken an dem seinen stand und für den eigent-
lichen Chef der Firma, Theodor Simonis, bestimmt
war. Theodor Simonis war der Onkel des Herrn
Michael Mayer und sollte in kürzerer Zeit auch noch
fein Schwiegervater werden. Denn Michael war
seit zwei Monaten mit der einzigen Tochter Simo-
nis', Marie, verlobt, und man hatte die Verhei-
ratung für Ende Mürz festgesetzt. Eine Viertelstunde
nach dem Neffen erschien auch der Onkel, der weiß-
haarige, alte Simonis.
„Das ist ja ein furchtbares Nebelwetter," sagte
er eiutretend. „Was gibt es Neues?" fuhr er daun
fort und setzte wohlwollend hinzu: „Du hast wohl
schon tüchtig gearbeitet, Michael?"
„Ja, der Nebel kocht förmlich in den Straßen,"
entgegnete Michael, einen Blick durch das Fenster
werfend. „Es sind sehr viele Briefe mit Zahlungs-
anweisungen eingetroffeu. Es muß jemand Mittags
zur Bankfiliale hinüber und die Wechsel und die
Schecks einkassieren. Ich habe dir schon alle die
Sachen auf deinen Platz hinübergclegt, Onkel. Du
mußt über die Wechsel und die Schecks quittieren."
Simonis setzte sich an seinen Platz, rief dem
Neffen noch zu: „Mario laßt wie immer grüßen!"
und stürzte sich, nachdem der Neffe pflichtschnldigst
seinen Dank abgestattet hatte, mit dem Eifer in die
Arbeit, welcher den in seinem Berufe aufgehenden
Kaufmann kennzeichnet.
Nach einer Stunde etwa hatte Simonis die Auf-
stellung beendet und-sagte: „Es ist nicht so schlimm mit
der heutigen Post. Es sind im ganzen 48,000 Gulden
einzukassieren. Wir haben schon größere Posten ge-
habt."
„Wer soll das Geld holen?" fragte Michael.
„Lansa natürlich. Wenn er um ein Uhr zu Tisch
geht, kommt er bei der Bankfiliale vorbei und gibt
dort die Abrechnung ab. Wenn er dann nach der Tisch-
zeit wieder nach dem Kontor geht, holt er das Geld."
„Tränst du deinem alten Kassierer so unbedingt?"
fragte Michael den Onkel. „Ich weiß nicht, mir
gefällt manches an dem Manne nicht."
„Ich traue ihm, wie mir selbst. Lansa ist bald
dreißig Jahre bei uns im Geschäft. Es sind Millionen
' durch feine Hände gegangen, und er ist so ver-

Miiciickcuck verboten.)
trauenswürdig wie nur möglich. Wie gesagt, ich
leiste für ihn Garantie wie für mich selbst."
„Man lebt hier sehr patriarchalisch," bemerkte
Michael lächelnd. „In Wien würde der Mann
keine Kasse haben, schon weil er unverheiratet ist.
So ein Mann ohne allen Anhang, ein Junggeselle,
bietet doch nicht die Sicherheit wie ein verheirateter
Mann mit Familie."
„Schade nur, daß die Sicherheit nicht genügt,
auch wenn der Mann Familie hat. Du weißt es
selbst, daß in den letzten Jahren so und so viele
Kassierer gerade in Wien durchgebrannt sind, die
Weib und Kind hatten. Bei den Kassierern heißt
es wie auf den Wechseln: „Wert in mir selbst."
Wenn der Wert nicht schon in dem Kassierer steckt,
wird ihn die Familie auch nicht erst hineinbringen."
„Verzeihe meine Bemerkung," entgegnete Michael.
„Aber ich kann mich noch immer nicht an die hiesi-
gen Verhältnisse genügend gewöhnen. Ich bin eben
erst ein halbes Jahr hier und komme direkt von Wien."
„Du wirst deine Nervosität und deinen Großstadt-
argwohn auch noch verlieren. Du sagst ja selbst,
es ginge bei uns patriarchalisch zu. Wir fühlen
uns dabei entschieden wohler als bei der übertriebe-
nen Ängstlichkeit und Vorsicht, die ja in den Mil-
lionenstädten nötig sein mag. Hier kennt man sich
gegenseitig, und ich glaube, wenn unser Lansa auf
die Idee käme, mit dem Gelds dnrchbrennen zu
wollen, so käme er kaum bis auf den Bahnhof, ohne
gesehen zu werden. Aber es ist überhaupt nicht
recht, von dem treuen Menschen so etwas zu reden.
Ich glaube, wenn er erführe, wir trauten ihm ein
Durchbrennen zu, er würde krank vor Aufregung."
Dann klingelte Simonis, ließ Lansa hereinkom-
men, gab dem weißhaarigen kleinen Mann wegen
der Gelder einige Aufträge und fügte, wohl um die
Bedenken seines Neffen nicht ganz unbeachtet zu
lassen, hinzu: „Es sind heute im ganzen 48,000
Gulden von der Bankfiliale zu holen. Ich weiß,
Lansa, Sie sind vorsichtig, aber immerhin rate ich
Ihnen, sprechen Sie nicht unnütz darüber, daß die
Summe heute so groß ist."
Lansa sah seinen alten Chef erstaunt an.
„Es ist nur wegen Ihrer eigenen Sicherheit, meine
ich," sagte Simonis, „trotzdem ich ja nicht glaube,
daß wir hier einen Überfall auf einen Menschen,
der Geld trägt, selbst bei solchem Nebelwetter wie
heute zu befürchten brauchen."
„Ich bin nie ein altes Weib gewesen," murrte
Lansa verdrießlich. „Über geschäftliche Dinge spreche
ich so wenig wie möglich, kaum jemals Zn den An-
gestellten vorn im Kontor. In Geldangelegenheiten
aber vollends ist Schweigen das beste."
„Ich weiß, ich weiß," begütigte Simonis, und
als Lansa hinaus war, wendete er sich an seinen
Neffen und sagte: „Da hast du's. Schon die kleinste
Bemerkung bringt den alten Knaben in Harnisch.
Das ist das alte Sachsenblut, das in uns allen
steckt. Wir sind ein knorriges und halsstarriges
Volk, aber rechtschaffen und ehrlich sind wir alle,
weiß Gott! Namentlich in unserem Beruf ist Ehr-
lichkeit unentbehrlich, sie ist der Grundpfeiler, der
das ganze Gebäude hält und trägt. Wer als Kauf-
mann oder Bankier eine Unehrlichkeit begeht, für
den habe ich keine Entschuldigung übrig und kenne
ich keine Verzeihung."
Als am Nachmittag gegen halb vier Uhr Simo-
nis wieder nach dem Kontor kam, trat ihm im Chef-
zimmer sein Neffe hastig entgegen.
„Hast du dem Lansa gestattet, heute länger aus-
znbleiben?" fragte er.
„Nein," entgegnete Simonis. „Ich habe gar
nichts mit ihm verabredet. Er sollte natürlich wie
immer pünktlich um drei Uhr hier sein."
 
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