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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 48.1913

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Heft 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.47352#0132
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va5Luch fülMe
Illustnette ^amilienreitung
6. liest. 1913.

frauenrechllettnrien.
l^oman von Margarele 6räsin v. 8ünau.
lrottsetzung.) - iNgchdmrk oervotsii.)

vierrehntes Kapitel.
ls Muriel am anderen Morgen zum zwei-
ten Frühstück in einem zwar sehr ein-
fachen, aber vorzüglich sitzenden dunkel-
blauen Tuchkostüm erschien, atmete George
auf. Gott sei Dank, daß sie kie schreck-
liche Schwesterntracht abgelegt und eines ihrer hier
zurückgelassenen Kleider angezogen hatte! Er sagte
ihr ein Kompliment über' ihr so vorteilhaft ver-
ändertes Aussehen.
„Sollen wir allein frühstücken?" fragte Muriel
erstaunt. „Wo ist Lord Sytton?"
„Mein Vater bittet, ihn zu entschuldigen. Er
ist unaufschiebbarer Geschäfte wegen nach London
gefahren und kommt erst zum Essen zurück. Sie
müssen sich schon mit meiner Gesellschaft begnügen.
Wird Ihnen das sehr schwer?"
Es war unmöglich, seinen zärtlich bittenden Blick
anders als mit einem freundlichen Lächeln zu er-
widern. Trotzdem erregte Lord Syttons Abwesen-
heit Muriel ein unbehagliches Gefühl. Sie durch-
schaute die Taktik des alten Lords ganz gut. Der
wußte vermutlich sehr genau, daß sie leichter seinem
Fordern und Zürnen wie Georges Bitten wider-
stehen würde. Auch sollten ihr wahrscheinlich heute
an Georges Seite alle Schönheiten von Holly Grange
noch einmal verlockend vor die Augen geführt werden.
Georges nächste Worte gaben ihren Vermutungen
recht. „Wollen wir nach dem Frühstück ausreiten,
Muriel? Ich habe eine irische Stute für Sie, die
vorzüglich geht. Wie oft sind wir schon zusammen
geritten!"
„Ich danke. Dazu bin ich zu müde." Ein Seufzer
hob ihre Brust. Für ihr Leben gern hätte sie wieder
auf einem temperamentvollen Pferd gesessen, wäre
Seite an Seite mit George über die fahlgelben
Stoppelfelder und die smaragdgrünen Wiesen des
Parkes galoppiert.
„Nun, dann machen wir einen Rundgang durchs
Dorf. Es ist viel verbessert worden, Muriel, das
wird Sie interessieren. Wollen Sie?"
„Gern."
George hob die silbernen Platten von den
Schüsseln und bediente Muriel selbst. Mit Ent-
zücken sah er, wie die Farbe in Muriels Gesicht zu-
rückkehrte, als sie nach vielem Bitten und Zureden
ein paar Scheiben Braten und etwas Bouillon zu
nch nahm.
Das durch die Butzenscheiben hereinfallende
Sonnenlicht ließ blaue, rote und grüne Kringel
über das weiße Damastgedeck des Tisches Hinspielen.
Goldgelbes Herbstlaub, in allen Farben abschattierte
Chrysanthemen füllten Schalen und Vasen. Der
zuckende Schein des Kaminseuers lief in rötlichen
Lichtern über die alten Marmorreliefes zwischen der
dunklen Holztäfelung. Funken sprühten auf den
blanken Mcssingvorsetzer.
Bon der Halle aus führte eine breite Glastür
Auf eine Terrasse, die auf den Park hinausging,
ocach dem Frühstück trat George mit Muriel auf
den Vorsprung der Treppe.
Schön wie eine Vision lag der Park von Holly
Grange, der sich mehrere Meilen weit erstreckte,
un diesem srühlingsmilden Novembertage da.
... Das Laub hing noch voll an den Bäumen und
wüte sich vom zarten Lichtgelb der Birken und
>unden bis zum tiefen Orange des Ahorrs und dem
sAwernden Braunrot der Eichen ab. Die uralten
Kastanien wehten mit goldenen Fächern dazwischen.
VU I9iz,
 
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