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Illustrierte fsmilierireitung
26. liest. 1613.
Vie itette sur den sieden Gingen.
Hooelle von f. L. Oderg.
(Nachdruck verboten.)
n dem Nachlaß meines noch jung verstorbe-
nen Vetters Eberhard v. Arnberg fand sich
ein merkwürdiges Ding. Es war eine kleine
Kette aus sieben gelblich-goldenen Ringen.
Die lose ineinander gehängten Reifen waren
glatt und sehr schmal und etwa' so groß, daß sie
ungefähr an den Finger einer nicht allzu kräftigen
Frauenhand gepaßt hätten. Jeder der sieben Ringe
besaß eine eigentümliche Buchtung, eine Art Schleife,
die bei einigen stark, bei anderen geringer ausgeprägt
war und die sich an keinem in genau der gleichen
Form wiederholte.
Es war ein sehr absonderliches Kettchen, über
dessen Ursprung und Bedeutung ich mir keinerlei
Vorstellung machen konnte. Da es sorgfältig auf-
bewahrt gefunden wurde, so war anzunehmen, daß
der Verstorbene Wert darauf gelegt hatte.
Ich hatte auch den schriftlichen Nachlaß meines
Vetters zu ordnen, und da fand ich neben Briefen
und Tagebuchaufzeichnungen eine Anzahl zusammen-
gehefteter Blätter; sie trugen die Überschrift: „Nie-
mand", und schon die ersten Zeilen zeigten, daß sie
die Geschichte enthielten, die zu dieser Kette aus
den sieben Ringen gehörte.
Vergleiche mit den Tagebüchern des Verstorbenen
ergaben, daß er in ihr wirklich ein eigenes Erlebnis
ausgeschrieben hatte, und diese Erzählung ist das
Seltsamste, was ich je gelesen Habe.
Jene eigentümliche siebenringige Goldkette aber,
die in meinen Besitz überging, hat mir jetzt, vor
wenigen Tagen, die Spur zu dem geboten, was
der Erzählung meines Vetters als Abschluß fehlte
und was im Grunde ihr Anfang ist.
Das Rätsel aber, das diese Geschichte eines
Zwerges enthält, ist ungelöst geblieben.
Es folgt zunächst der Inhalt der Aufzeichnungen
Eberhard v. Arnbergs.
* H
Sieben lose Ringe zu einer Kette verschlungen
— so liegen sie vor mir. Ich sehe die eingebuchteten
Zeichen; ich weiß, daß sie eine Bedeutung haben.
Mir aber ist sie sremd. Ich weiß, daß diese sieben
losen Ringe bestimmt sind, einen einzigen, glatten
Fingerreifen zu bilden, in dessen Mitte sich all die
krausen Einbuchtungen der einzelnen Ringe zu einem
einzigen sonderbaren Zeichen einen. Ich weiß dies,
denn so habe ich den Reifen gesehen, als Fingerring
zusammengeschlossen habe ich ihn gefunden und auf-
gehoben. Zwischen meinen tastenden Fingern aber
glitt er plötzlich auseinander, zerklirrtc er zu dieser
goldenen Kette, die nun vor mir liegt. Wie oft,
wie unsäglich oft habe ich versucht, die losen Reifen
wieder zu dem einen festen Ring zusammenzuschie-
ben. Häufig ist es mir mit vieler Geduld und Mühe
fast gelungen, immer aber nur fast. Ein letzter Griff,
eine letzte Kenntnis fehlte mir. Nie fügte die Kette
sich ganz zum festen Reifen zusammen, stets fiel sie
leise klirrend wieder auseinander, sobald ich prüfend
die zusammenhaltenden Finger losließ.
Und so ist diese Kette mir zu einem Sinnbild
geworden, zu einem seltsam sprechenden Sinnbild.
Einzelne und lose Erlebnisse, zwischen denen ich
den Zusammenhang anfangs nicht ahnen konnte:
so begann für mich die Geschichte, die ich nun auf-
schreiben will. Und es fügte sich in eigentümlicher
Folge Glied an Glied, lose und dennoch unlösbar
verknüpft. Endlich kam das letzte abschließende,
furchtbare Erlebnis. Da war die Kette geschlossen,
die Kette der Erlebnisse, die — in sonderbarer Über-
einstimmung — sich gleich der Kette der Reifen aus
sieben Gliedern fügt. Sieben einzelne Erlebnisse,
sieben lose Kettenringe, die dennoch fest verschlungen
nur ein Einziges und Ganzes bilden!
Was im Grunde der Zusammenhang in meinen
Erlebnissen ist, das habe ich in gewissem Sinne wohl
XXVI. 1913.
ver neue kiegentenbau in Lad Bissingen. (5. S7l)
Illustrierte fsmilierireitung
26. liest. 1613.
Vie itette sur den sieden Gingen.
Hooelle von f. L. Oderg.
(Nachdruck verboten.)
n dem Nachlaß meines noch jung verstorbe-
nen Vetters Eberhard v. Arnberg fand sich
ein merkwürdiges Ding. Es war eine kleine
Kette aus sieben gelblich-goldenen Ringen.
Die lose ineinander gehängten Reifen waren
glatt und sehr schmal und etwa' so groß, daß sie
ungefähr an den Finger einer nicht allzu kräftigen
Frauenhand gepaßt hätten. Jeder der sieben Ringe
besaß eine eigentümliche Buchtung, eine Art Schleife,
die bei einigen stark, bei anderen geringer ausgeprägt
war und die sich an keinem in genau der gleichen
Form wiederholte.
Es war ein sehr absonderliches Kettchen, über
dessen Ursprung und Bedeutung ich mir keinerlei
Vorstellung machen konnte. Da es sorgfältig auf-
bewahrt gefunden wurde, so war anzunehmen, daß
der Verstorbene Wert darauf gelegt hatte.
Ich hatte auch den schriftlichen Nachlaß meines
Vetters zu ordnen, und da fand ich neben Briefen
und Tagebuchaufzeichnungen eine Anzahl zusammen-
gehefteter Blätter; sie trugen die Überschrift: „Nie-
mand", und schon die ersten Zeilen zeigten, daß sie
die Geschichte enthielten, die zu dieser Kette aus
den sieben Ringen gehörte.
Vergleiche mit den Tagebüchern des Verstorbenen
ergaben, daß er in ihr wirklich ein eigenes Erlebnis
ausgeschrieben hatte, und diese Erzählung ist das
Seltsamste, was ich je gelesen Habe.
Jene eigentümliche siebenringige Goldkette aber,
die in meinen Besitz überging, hat mir jetzt, vor
wenigen Tagen, die Spur zu dem geboten, was
der Erzählung meines Vetters als Abschluß fehlte
und was im Grunde ihr Anfang ist.
Das Rätsel aber, das diese Geschichte eines
Zwerges enthält, ist ungelöst geblieben.
Es folgt zunächst der Inhalt der Aufzeichnungen
Eberhard v. Arnbergs.
* H
Sieben lose Ringe zu einer Kette verschlungen
— so liegen sie vor mir. Ich sehe die eingebuchteten
Zeichen; ich weiß, daß sie eine Bedeutung haben.
Mir aber ist sie sremd. Ich weiß, daß diese sieben
losen Ringe bestimmt sind, einen einzigen, glatten
Fingerreifen zu bilden, in dessen Mitte sich all die
krausen Einbuchtungen der einzelnen Ringe zu einem
einzigen sonderbaren Zeichen einen. Ich weiß dies,
denn so habe ich den Reifen gesehen, als Fingerring
zusammengeschlossen habe ich ihn gefunden und auf-
gehoben. Zwischen meinen tastenden Fingern aber
glitt er plötzlich auseinander, zerklirrtc er zu dieser
goldenen Kette, die nun vor mir liegt. Wie oft,
wie unsäglich oft habe ich versucht, die losen Reifen
wieder zu dem einen festen Ring zusammenzuschie-
ben. Häufig ist es mir mit vieler Geduld und Mühe
fast gelungen, immer aber nur fast. Ein letzter Griff,
eine letzte Kenntnis fehlte mir. Nie fügte die Kette
sich ganz zum festen Reifen zusammen, stets fiel sie
leise klirrend wieder auseinander, sobald ich prüfend
die zusammenhaltenden Finger losließ.
Und so ist diese Kette mir zu einem Sinnbild
geworden, zu einem seltsam sprechenden Sinnbild.
Einzelne und lose Erlebnisse, zwischen denen ich
den Zusammenhang anfangs nicht ahnen konnte:
so begann für mich die Geschichte, die ich nun auf-
schreiben will. Und es fügte sich in eigentümlicher
Folge Glied an Glied, lose und dennoch unlösbar
verknüpft. Endlich kam das letzte abschließende,
furchtbare Erlebnis. Da war die Kette geschlossen,
die Kette der Erlebnisse, die — in sonderbarer Über-
einstimmung — sich gleich der Kette der Reifen aus
sieben Gliedern fügt. Sieben einzelne Erlebnisse,
sieben lose Kettenringe, die dennoch fest verschlungen
nur ein Einziges und Ganzes bilden!
Was im Grunde der Zusammenhang in meinen
Erlebnissen ist, das habe ich in gewissem Sinne wohl
XXVI. 1913.
ver neue kiegentenbau in Lad Bissingen. (5. S7l)