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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 48.1913

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Heft 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.47352#0061
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Va5 Luch fülMe
Illustrierte tÄmilienreltung
3. liest. 1913.

Frauenrechtlerinnen.
üoman von Margarete Sräfin o. Sünau.
U°r>rtsel,llng.) - — iNschSruck verboten.!

5echstes Kapitel.
^^n den nächsten Tagen kam viel Besuchs Auf
W! dem stillen Hof von Rotenwalde rasselten
/WH unaufhörlich Krümperwagen, donnerte der
VM Hufschlag der Dragonerpferde. Leo war ein
beliebter Kamerad. Seine Verlobung mit
der „Lehnsjungfer" erregte daher allgemeine herz-
liche Frende im Regiment. Die Sonderbarkeiten
des alten Oertzin, der feit vielen Jahren jeden
Verkehr mit der Garnison aufgegeben hatte, vergaß
wan in der Freude über das frohe Ereignis.
Allerdings mußte Leo sehr häufig bei diesen
Besuchen allein den Wirt machen, denn wenn irgend
möglich, wich der alte Herr feinen Gästen aus und
blieb so lange draußen im Felde, bis die Luft wieder
rein und keine Uniform mehr in Hof und Haus zu
fehen war.

Vielleicht mit aus dem Grunde, die lästigen Be-
sucher loszuwerden, drang der alte Herr auf schnelle
Heirat des jungen Paares, denn eher nahm die
Unruhe in Rotenwalde doch kein Ende.
Leo erklärte sich natürlich ganz einverstanden
damit. Auch Ines wandte nichts dagegen ein.
Ihre Korrespondenz mit England wurde feit ihrer
Verlobung immer lebhafter. Aber sie ließ sich nicht
bewegen, Leo die Briefe der teuren Muriel oder son-
stiger Verwandten zu zeigen. „Du wirst sie ja nun
bald persönlich kennen lernen," wies sie ab, wenn er
sie bat, ihm die Glückwünsche aus England vorzulesen.
„Da muß ich aber wirklich annehmen, daß die
Briefe nichts Schmeichelhaftes für mich enthalten,"
weinte er halb ernst, halb scherzend.
Ines wurde etwas rot. „Nun ja — sie kennen
dich doch gar nicht. Deshalb ist es sehr nötig, daß
wir nach England reisen."
„Damit du dich entschuldigst wegen deiner schlech-
ten Wahl?"
„Ich glaube, wenn die Verwandten dich gesehen
haben, werden sie es eher begreifen, daß ich einen
deutschen Offizier heiraten konnte."
„Sehr gütig! Daß dieser deutsche Offizier dein
Vetter ist, bedenken die englischen Herrschaften wohl
Mcht?"

„Sie zählen mich nach wie vor ganz zu den
Ihren," entgegnete Ines.
„Bloß nicht, wenn sie was herausrücken sollen,
siel der alte Oertzin bissig ein. Seine Anfrage an
Ines' Tante, Mrs. Mary Clarke, ob sie der Nichte
eine Zulage bewilligen wolle, war nämlich von
der Dame mit kühlem Erstaunen abschlägig beant-
wortet worden. „Wenn Ines nach England ge-
heiratet hätte, würde ich ihr gern ein Kapital aus-
gesetzt haben," schrieb Mrs. Clarke, „aber in Deutsch-
land soll kein englisches Geld verbraucht werden."
Aber auch der alte Oertzin bewies sich bei der
Herausgabe von Kapital sehr zähe. Die Zulage,
die er dem jungen Paar aussetzte, war recht gering.
Das Kapital von Ines blieb aus Rotenwalde ein-
getragen. Nur die Zinsen sollten ausbezahlt werden.
„Später kriegt ihr ja doch alles, wenn ich sterbe,"
lautete stets die mürrische Antwort, wenn Leo be-
scheiden einwandte, daß sie mit dieser Zulage kaum
standesgemäß leben könnten. „Neunundsiebzig Jahre
mn ich jetzt. Auf neunzig möchte ich's freilich bringen.
Das sind ab er nur nochelf Jahre," meinte der alteHerr.
III


Lin Radrennen. Nach einem Semalde von I. Lobrichon.
 
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