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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 48.1913

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Heft 25
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https://doi.org/10.11588/diglit.47352#0533
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V^LuchfütMe
Illustnette fgmilienrestung
25. fjest. 1913.

Lleib dir treu!
stomgn von Seorg llartcoig (Lmmlj Koeppel).
ivoNsehung und 8ch>ul?^ - — (Nachdruck oerdotrn.)
ützen trennte sich von seinem Kreise, nm
Malli entgegenzugehen und ihr den Arm
zu reichen. Er war entrüstet. Auch über
sich selbst, eiuer solchen Extravaganz nicht
zuvorgekommen zu sein.


Er lachte. „Wir werden dem Fuße ewige Dank-
barkeit bewahren."
„Wenn du wüßtest," sagte Lützen, seine Schwester
umarmend, „wie sroh ich bin, daß ich dich in dieser
Obhut weiß."
„Ich weiß es," sagte sie herzlich. „Nun müssen
wir immer fester zusammenhalten. Wenn wir
zurückkehren, soll's eine schöne Zeit werden."
Er gab sie frei, ohne darauf zu antworten.
Wentrups bescheidenem Glückwunsch wandten
beide, Gronau und Magdalene, volle Aufmerksam-

Gronau seine Gattin die Stufen hinab, über die
sie einst mit Zagen und Widerstreben im Zwang der
Not hinanfgefchritten war. Noch einen Blick vom
letzten Treppenabsatz dorthin zurück, wo zwei Fraueu
ihnen winkend nachschauten — dann war alles ver-
schwunden, was an das stille, schöne Fest erinnerte.
Sie waren allein.
*
Eine Hochzeit ohne Tanz war für Malli eine
langweilige „Mopserei". Nach Einnahme des


Der besuch beim genesenden. Nach einem gemalde von st Seoffrop.

„Wie siehst du aus!" sagte
er, ihr den Arm bietend.
„Schick!" erwiderte sie.
„Wenn du etwa diese oder
jene —"
„Unanständig!" sagte er
nut rauhem Flüstern.
„Unverschämt bist du!"
gab sie schleunigst zurück.
So gingen sie in den Saal,
dessen Türen zu den Neben-
räumen weit geöffnet stan-
den.
„Sie sehen so blaß ans,
lieber Lützen," sagte Frau
v. Gronau, als er sich über
ihre Hand neigte. „Recht
abgespannt und müde. Achten
Sie ja auf ihn, kleines Frau-
chen !"
„Aber selbstverständlich!"
lächelte Malli maliziös genug.
„Er ist ja auch immer von
solcher Aufmerksamkeit gegen
mich. Ein so liebenswürdiger
Ehemann kann gar nicht
sorgfältig genug behandelt
werden." —
Unter den Geladenen be-
fand sich auch Wentrup. Es
wußte jeder warum. Und
jeder fand ein freundliches
Wort zu der Wiederaufnahme
seines ehrlichen Namens.
Und jetzt hob schallend zum
Harmoniumspiel der Sänger-
chor an: „Lobe den Herrn,
meine Seele!" Die Reihen
schlossen sich längs des Altars,
sür dessen Schmuck die Ge-
wüchshäuserihr SchönstcShin-
gegeben, um einen blühenden
Hain zu bauen, denn hinter
dem Geistlichen schritt das
Brautpaar durch den Neben-
raum zum Altar.
Erschüttert von inneren
Kümpfen sah Lützen seiner
Eltern Liebling sich nahen, so
herrlich in ihrer tiefen Be-
wegung und so strahlend in
stillem Glück, ganz Vertrauen
zu dem Manne, dem sie sich
zu eigen gab für alle irdische
Zeit. —
Frau v. Gronau, die Toch-
ter in den Armen, konnte
sich nach der Trauung nicht
fassen vor freudiger Erregung, während die Baronin
sehr geschickt ein Tröpfchen aus ihren Augenwinkeln
entfernte.
„Gronauchen," sagte sie, des jungen Paares
Hände festhaltend, „haben Sie den Bildhauer für
meinen Glücksfuß schon bestellt?"

keit zu. Sie reichte ihm herzlich die Hand, die er
küßte, bewegt bis in sein Innerstes, und Gronau
drückte ihm die Rechte fest und warm, wie ein Mann,
dessen Denken und Handeln auf den Pfeilern des
Pflichtbewußtseins und der Überzeugung ruht. —
Als der kurze Tag im Verglimmen war, führte

Kaffees erfolgte die Abfahrt
der Geladenen sehr bald.
Es war gegen die siebente
Stunde, als die letzte Schleppe
aus den lichtstrahlenden Räu-
men verschwand.
„Wir werden nun auch
au unsere Rückfahrt denken
müssen," sagte Lützen sich er-
hebend.
„Das meine ich auch!"
rief Malli mit verständlicher
Eile und sprang von ihrem
Sitze neben der Baronin auf.
Der Wind schrillte jetzt
kräftiger nm das Auto, schon
flatterten die ersten heran-
gescheuchten Flocken darauf
nieder. Schneeschwere Wol
ken drängten verdichtet heran
und schoben ein paar blaß-
flimmernde Sterne hinter
ihre dunkle Wand.
„Das war so gut wie drei
Schlafpulver zusammenge-
nommen— bloß noch fader,"
sagte Malli, sich gähnend in
ihre Ecke drückend.
Seine Gedanken weilten
bei Magdalene. Zudem fühlte
er sich wieder abgespannt und
ermüdet von dem fruchtlosen
Postenstehen vor neuen Aus-
fällen und Unziemlichkeiten.
Malli war fest eingeschla-
fen und wachte erst auf, als
das Auto hielt. Dann raffte
sie ihr Kleid zusammen und
sprang die Treppe hinauf.
Plötzlich stieß sie einen Schrei
aus, eine Art Juchzer.
Lützen glaubte seinen
Augen nicht zu trauen. Breit
und behäbig auf der Schwelle
stand Frau Stallbom mit
weit ausgebreiteten Armen.
„Malliken, da bin ich! —
Lieber Lützen, wie Sie sehen,
bin ich da."
„Das sehe ich allerdings,"
sagte er, von ihrer Gegen-
wart aufs äußerste unan-
genehm berührt. „Zu mei-
nem Bedauern unerwartet."
„Wissen Sie," fiel Fran
Stallbom ein, die von ihrer
Tochter ins Wohnzimmer
gedrängt worden war, und
nahm ihn schärfer auss Korn mit ihren Blicken,
„wissen Sie, lieber Lützen, die Schwiegermutter
muß immer erwartet sein — dafür ist sie Schwie-
germutter. Da soll man nicht dastehen, als wären
einem sämtliche Felle fortgeschwommen. Das regt
nicht an. Na, nachher sprechen wir weiter."

LXV. ISI3.
 
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