Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

DOI Heft:
Heft 1/2
DOI Artikel:
Falke, J.: Die Pariser Welt-Ausstellung: nach Plan und Anlage verglichen mit ihren Vorgängerinnen
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0013
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Selbstverständlich war aller Aufwand van Kunst und
künstlerischer Ausstattung an diese zweite größere Hälfte ver-
wendet, ohne daß darum die kleinere auf dem Invalidcn-
platz vernachlässigt worden wäre. Sic hatte ihre eigene
Bestimmung, ihr eigenes Leben und bot ihren eigenen und
eigenthümlichcn Anblick, von einer gedeckten Straße, die
fast senkrecht auf die Seine zulief, war sie in zwei ziemlich
gleiche Hälften zerschnitten, von denen die vordere, mit
malerisch bunten Gebäuden ausgestattet, den französischen

pariser Weltausstellung *889.

Lolonuaden.

Kolonien gewidmet war, während die Hintere in ihrer Mitte
das große festungsartige Gebäude des französischen Kriegs-
Ministeriums zeigte, umgeben von einer Anzahl hübscher,
farbig dckorirter Pavillons, gefüllt mit dem, was die heil-
kunst, was Sanität, was Bäder und Brunnen zu zeigen
hatten; hinter denselben standen noch die landwirthschaft-
lichen Maschinen. Das Interesse des großen Publikums
gehörte vor Allem der vorderen Hälfte, der Ausstellung der
französischen Kolonien, welche mit allem Aufwands der
Alittel, nrit voller Aechtheit der Dinge und der Menschen,

in möglichster Vollständigkeit gemacht worden war. hier
standen die buntgeschmückten Gebäude — Paläste muß man
sagen statt Pavillons — von Algier und Tunis, von
Anam und Tonkin fammt Pagoden und Theater, und
unter Bäumen in malerischer Zerstreuung orientalische
Restaurants, Lafes und Bazare, die Zelte der Beduinen,
Kabylen, Araber, ganze Dörfer von Tonkin, Madagaskar,
Java hieher verpflanzt, mit ihren Bewohnern, ihren Gegen-
stände!^, ihrer Arbeit. Das Leben des Orients war hier
in den Vordergrund gebracht; in dem haupttheile dagegen,
auf dem Marsfelde, wo es auch vorhanden war, hatte
man es überall zur Seite gerückt, um Europa, und Frank-
reich zumal, möglichst allein zum Morte zu lasten.

Bei der Ausstellung von ^ 867 hatte man den großen
ovalen Industriepalast grade in die Mitte des Marsfeldes
gestellt; es war daher kein Raum für weite Perspektiven,
für einen großartigen Aus- und Anblick übrig geblieben.
Der Palast von s878 war allerdings näher an jenes der
Seine entgegengesetzte Ende gerückt worden, aber doch nicht
nahe genug, und er hatte mit all den Nebenbauten, welche
er in seiner offenen Mitte einschloß, so viel Raum bedeckt,
daß er für eine reiche Entfaltung der Gartenkunst oder der
Kunst im Freien nicht Raum genug gelassen hatte. Die
aufsteigende Fläche des Trocadcro war allerdings zu f^ülfe
gekommen, und so war hier ein Anblick geschaffen worden,
der immerhin ein glänzendes und prächtiges Bild ergab.

Die Idee, welche hier zu Grunde gelegen, hat nun die
gegenwärtige Ausstellung ausgenommen, aber weitaus groß-
artiger und auch in völlig neuer Meise zur Ausführung
gebracht. Um eine größere Perspektive zu haben, hat sie
den Industriepalast gänzlich an das eine Ende des Mars-
feldes, der Ecole militaire gegenüber, verlegt, nur so viel
Raum, etwa zwei Straßenbreiten, übrig lassend, um kleineren
Einzelbauten und den Bazaren des Orients an dieser Stelle
das Dasein zu gestatten. Der Industriepalast von J878
Ijntte sich mit seiner Länge in die Länge des Marsfeldes
erstreckt, der heutige legt sich aber mit seiner Länge quer
an der Schmalseite des Marsfeldes entlang. Er läßt also
damit eine unvergleichlich größere Länge des Marsfeldes
frei, etwa zwei Drittheile, während der Palast von \878
nur etwa ein Fünftel übrig ließ. Den verlornen Raum
gewinnt er wieder dadurch, daß er von seinen Enden rechts
und links zwei mächtige Flügel aussendet, welche wohl die
Breite aber nicht die Länge der Perspektive vermindern.
Die Breite jedoch bleibt so bedeutend, daß zwei selbständige,
aber im Stil einheitliche Gebäude, welche die Stadt Paris
sich errichtet hat, rechts und links vor den Flügeln, den
großartigen Eindruck nicht zu schädigen vermögen.

Bei dieser Anordnung erstreckt sich nun eine weite
Perspektive von dem mittleren, dem Haupteingang des
Industriepalastes das Marsfeld entlang über die in der
Tiefe liegende Seine hinweg und das Trocadero hinauf,
um Nlit den! Palast auf seiner höhe zu endigen. Anderer-
seits schaut nran von der höhe des Trocadero herunter, so
schließt das Bild den Industriepalast mit seiner schönen
farbigen Architektur und mit der mächtigen Kuppel, welche
sich über dem Tentraleingang erhebt. Diese ganze, für
den wandernden Besucher nicht allzubequeme Länge ist von
störenden Gebäuden frei gehalten; selbst der Eiffelthurm,
der grade die Mitte einnimmt, bildet kein hinderniß, denn
 
Annotationen