Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

DOI Heft:
Heft 9/10
DOI Artikel:
Semper, Hans: Ueber drei Brixener Grabsteine und ihre Urheber, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0063
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Don prof. Dr. D. Semper.

21S eine halbe Stunde nördlich van Brixen
malerisch gelegene Augustinerkloster Neustift
(lateinisch Novacella, modern italienisch Navi-
cella) ist eine Stiftung des Stammvaters des
ausgestorbenen Adelsgeschlechtcs derer von
Säben, Reginberts I., der dieses Kloster auf Anrathen des
Bischofs Hartmann im Jahre ((q-2 gründete und ((55
sammt seiner im nämlichen Jahre verstorbenen Gemahlin
Thristine, in der Klosterkirche seine letzte Ruhestätte fand?)
Leider sind von den ursprünglichen Bestandtheilen dieses
Klosters, welches von Anfang an sehr stattlich angelegt war,
nur wenige Keberrestc erhalten, indem die Kirche, sowie
das Wohnhaus der Mönche in den fahren (73*( bis (737
unter dem probst Andreas Steigenberger einem fast voll-
ständigen Umbau im Rococostile weichen mußte (mit Aus-
nahme des presbyteriums vom I. (*(68), der zwar auch
manche künstlerische Schönheiten aufweist, aber, wie cs in
früheren Jahrhunderten gewöhnlich geschah, mit zu wenig
Pietät für das Alte durchgeführt wurde, so daß eine Menge
kostbarer Denkmäler rücksichtslos zerstört wurde. Bon der
ursprünglichen Anlage sind bloß noch ein merkwürdiges acht-
seitiges Gebäude mit kreisförmigem, erhöhtem Mittelbau
erhalten, das an den Außenseiten des Umganges noch
romanische, durch Säulchen gctheilte Doppelfenster ausweist,
während ein runder Thurm mit Zinnen und Kegeldach
über dem Portal, sowie die Zinnen über den Gesimsen des
Umganges und Mittelbaus, sowie der Thurm über dem
Mittelbau gothische Zuthaten, wahrscheinlich aus den Jahren
(*(70—79 sind, als man dies Kloster aus Furcht vor den
„schnöden Türkhen" mit äußeren Ringmauern versah p)
ferner der massive, viereckige Thurm mit romanischen Schall-
löchern vor der Fa^ade der iin Innern gänzlich umge-
stalteten Klosterkirche. Außerdem zählen noch zu den Resten
des alten Baues eine Reihe von Grabsteinen, die sich ehe-
dem in der Kirche befanden, beim Neubau jedoch, als
spärliche Ueberbleibsel einer großen Anzahl ähnlicher Monu-
mente, die bei diesein Anlaß ihren Untergang fanden, im
gleichfalls neugebauten Kreuzgang an den Wänden eingc-
mauert wurden, zum Theil mit der Fußseite nach oben.
Der hochverdienstliche Gelehrte Mayrhofen aus Brixen, der
im Anfang dieses Jahrhunderts daselbst lebte, spricht sich
in seinem werthvollen handschriftlichen Werke: „Genealogie
des tirolischen Adels", (im VII. Band, V. Abtheilung n. (()
bei Besprechung des Geschlechtes deren von Säben in fol-
gender Weise über jenes barbarische Borgehen aus:

„Ts waren einst daselbsten von ihnen (denen
von Säben) (2 uralte Grabsteine vorhanden, die
man aber alle bei der letzten Kirchenreparation bis auf die
zwei jüngsten, denen man bloß Ihrer vorzüglichen Schönheit * 2

0 Mayrhofen, handschr. Genealogie des tir. Adels. (VII. Bd.
V. Abth. n. 10: „Reginbertus I. Castellanus Sabionensis, .Nobilis
ministerialis Brixinensis fundator monasterii Novacellensis 1142,
obiit 1155- Uxor Christiana nobilis Bavara obiit 1155. Sepulti
Novacellae. Siehe ferner: Tinkhäufer, Topogr. histor. statistische
Beschreibung der Diözese Brixen (Brixen 3S55. l. p. 2ss.)

2) Tinkhäufer, wie oben.

wegen Ihre weitere Existenz auß Gnaden vergönnet, mit
einer barbarischen Zerstörungswuth nebst unzählbaren anderen
Denkmälern des grauen Alterthums vertilget hat."

Der ältere dieser Steine enthält eine lange Schenkungs-
urkunde einer Adelheid von Säben, die uns hier nicht
weiter interessirt. Der andere der erwähnten Steine be-
deckte dagegen einst das Grab des Ritters Oswald von
Säben zu Reiffenstein, der die Aemter eines herzog-
lichen Kammermcisters, Landeshauptmanns von Tirol und
Trbtruchscssen des Bisthums von Brixen bekleidet hatte
und als der letzte seines Geschlechtes im Jahre (*(65 starb?)

Xiack) einer unten mitgetheilten Stelle im Necrologium
von Neustift war Gswald ursprünglich in der Kirche beim
Katharinenaltar beigesetzt; nach einer anderen Notiz
Mayrhofen's dagegen im Thor (ollm in Llloro); nach
Resch wiederum vor dem Altar des hl. Kreuzes?)
Noch eine andere Notiz „aus einem alten Verzeichnisse der
Iahrtage" (der Todestage der verschiedenen Bestatteten)
meldet endlich, daß sein Grab sich ursprünglich neben dein
des ersten Stifters befunden habe, dann in den neuen Thor
übertragen wurde. °) Da die alte Kirche nicht mehr steht,
so wäre es müssig, über diese verschiedenen Angaben ent-
scheiden zu wollen.

d)'Mayrhofen, VII. Baud, V. Abtheilung, 33. Ex necro-
logio Novacellensi. Anno 1465 die St. Erhardi obiit postremus
Familiae de Seeben Oswaldus in Reifenstein hic sepultus prope aram
S. Catharinae. Reliquit 3 sorores Dorotheam, Barbaram et Spero-
nellara quae nobiles Matronae reliquias praeciosi cimelii sui fratris
Novacellensi Ecclesiae donav.erunt, nempe Pallium, thoracem, capillare,
et colligas, ex quarum gemmis et innumerabilibus margeritis confecta
est casula et dalmatica quae hodie miracula sunt. Dieses Meßgewand
wurde nach Tinkhäufer, Beschreibung der Diözese Brixen I, 278 im
Jahre 3807, nach Auflösung des Klosters durch die bayerische Regierung,
nebst anderen Kostbarkeiten ttadj München abgesiihrt.

4) Resch, Mon. Brixinensia II. 17. Jn Ecclesia et Coen. Neo-
cellensi. Oswaldus Sebner Miles de Reiffenstain, ultimus Familiae
Sebnerianae (relicta tarnen filia Speronella) obiit die 9. Januarii
sepultus in Ecclesia corani altari S. Crucis in latere sepulturae Fun-
datoris nostri prope sarcophagum Wolkenstein anno 1460. (Resch
begeht in dieser Mittheilnug den Jrrthum, das Todesjahr Vswalds
in das Jahr 3460 statt 3465 zu verlegen. Sodann nennt er Spero-
nella, im Gegensatz zu dem von Mayrhofen citirten Necrologium,
Schwester statt Tochter Vswalds. Aber auch Sinuacher in
feinen: „Beiträgen zur Geschichte der bischöflichen Kirche Säben und
Brixen in Tirol. Brixen 3828", spricht sich Band VI. S. SS4 in
folgender Meise über die drei in Frage stehenden Damen aus: „Tr
hinterließ 3 Töchter, wovon die erste, Dorothea, sich mit Andre
von Meisbriach, tiroler'schen hofmcister, die zweite, Barbara, mit
Gerwig Guß von Gußberg, die dritte, Speronella, mit Max Nuß-
dorfer von Miltshuet vermählte. Don dieser letzteren finde idj, daß
sie im J. 3-378 Mittwe geworden und manche fromme Stiftung zu
Laufen im Salzburgcrischeu gemacht habe." Mer hat nun Recht? Auf
die beiden letztgenannten bezieht fid] ein Regest im Statthaltereiarchiv
zu Innsbruck vom 23. März 34(57, (Regesten über die Urkunden des
Brixener Archive?), wonach Ulrich und Hans von Freundsberg und
die Bevollmächtigten von Barb ara und Speronella, geb. v. Säben,
einen Hof zu Vberfruus und den Lipphof zu Delturns an Lazarus
Wenzel verkaufen. Grig.-Perg. Siegel: Ulrich und Hans v. Freunds-
berg, Gerwig Guß, Molfgang Muntcrheimer. §. 83, 9 A.

5) Requiescit in latere sepulchri primi fondatoris, nunc in novo
choro translatum; ul cernitur. (Mayrhofen, VII. V. 11.)
 
Annotationen