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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 5/6
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Riehl, Berthold: Skizze der Geschichte der mittelalterlichen Plastik im bayerischen Stammlande: Vortrag, gehalten im bayer. Kunstgewerbe-Verein am 25. Februar 1890
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0031
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lkiW W GkUichte -K mittelalterlichU Ulastik
im öGmW Ktammlande.

Vortrag, gehalten im bayer. Kunstgewerbe-Verein am 25. Februar I890 von Dr. Berth. Riehl.*)

f in Nordportal von St. (Emmeram zu Regcns-
burg befinden sich drei bemalte Steinreliefs,
jedes gegen drei Fuß hoch; das
mittlere stellt den thronenden
Christus dar, welcher, die Rechte
lehrend erhoben, mit der Linken
das geöffnete Buch auf das Knie
stützt, die Statue rechts St.

Emmeram, links St. Dionys; nach der Anschrift
zu Christi Füßen ließ Abt Regimrard
bis 1060 diese Figuren fertigen, wodurch ihre
Entstehung unr Blitte des fJahrhunderts
gesichert ist. Plastische Arbeiten größeren Stils,
denen wir hier als der Grundlage der gesaminten,
plastischen Thätigkeit nachgehen wollen, gehören
in dieser frühen Zeit zu den größten Seltenheiten,
nicht nur weil durch die lange Zeit viel zu Grunde
gegangen, sondern vor allem auch weil damals
nur wenig geschaffen wurde. Die älteste christliche
Kunst mied die Plastik, aus Furcht sich durch
dieselbe dem Kult der Heiden zu sehr zu nähern;
nur langsam als Schmuck der Architektur konnte
die Plastik in die christliche Kunst eindringen und
die deutsche Architektur bis zum Schluffe des
10 Jahrhunderts war so schlicht als möglich;
selbst bei Prachtbauten, wie dem Dome zu Augs-
burg, St. Einmeram und Dbermünster zu Regensburg
forderte man zunächst nur große Räume und begnügte sich
in der Durchführung mit der einfachsten Bildung der noth-
wendigsten architektonischen Glieder.

2. Lhristusstatue am portal von
St. (Emmeram in Regensburg.

Mitte des ^ Jahrhunderts.
(Hacf? Sighart, Gesch. d. bayr. Aünste.)

Die drei Steinfiguren am Nordportal von St. Emmeram
mögen als eine auf der höhe ihrer Zeit stehende Arbeit
das Kunstvermögen derselben charakterisiren. Die
Figuren sind starr, sie wagen noch nicht ihre
Glieder frei zu bewegen, das Gewand, dessen
Falten parallel und nur ganz flach gearbeitet sind,
liegt fest an dem Körper an; dieses ängstliche,
steife Wesen ist aber nicht, wie nian annahm,
durch den Einfluß byzantinischer Kunst zu er-
klären, denn an diese erinnert hier gar nichts,
fonderit dadurch, daß wir hier einer primitiven,
befangenen Kunst gegenüberstehen, die aber der
Ausgangspunkt einer völlig selbständigen Ent-
wicklung ist, , gerade in dieser liegt einer der
höchsten Reize der deutschen Plastik des Bkittel-
alters. Die Köpfe der Figuren mag man typisch
nennen, aber man muß dann sesthalten, daß
diese Typik nicht eine bewußte, sondern eine un-
bewußte ist, d. h., daß man nicht absichtlich den-
selben Kopf wiederholt, sondern daß sich die Köpfe
nur deßhalb so ähnlich, weil die feine Beobachtung,
die sichere Schulung der Hand fehlen, die indi-
viduellen Unterschiede aufzufassen und künstlerisch
auszusprechen und das gilt von der gesammten
deutschen Plastik bis zum Schluffe des 10 Jahr-
hunderts, was man hier Typik und weiterhin
Idealität genannt hat, ist nur eine primitive Entwicklungsstufe,
welche die Charaktere noch nicht bestimmt zu scheiden vermag.
Die leise Bewegung der Köpfe der beiden heiligen, die sich
Christus zuwenden, die verschiedene Haltung ihrer Hand, vor

*) Der größte Theil der zu diesem Aufsatz gehörigen und von ©. (Eonfee (München) gefertigten Lliches (nämlich die der Abbildungen
3, ß, 7, ;o bis ;ß) wurde nach photographischen Aufnahmen hergestellt, welche I. B. Dbernetter (München) im Auftrag der Loinmission für
Jnventarisirung der Aunstdenkinale Bayerns gemacht hatte. Die genannte Loinmission hat uns in entgegenkommendster weise gestattet, die
gemachten Aufnahmen behufs Illustrirung obigen Aufsatzes zu machen, wofür wir derselben, speziell deren Vorsitzenden, prof. E)r. v. Riehl, Direktor
des k. b. National-Museums, unfern aufrichtigsten Dank hiermit anssprechen. Die Redaktion.

Zeitschrift des bayer. Aunsigewerbe-Vereins München.

Heft 5 Sc 6 (Bg. \)1 *890.
 
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