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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 11/12
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Gmelin, L.: Die Mittelalterliche Goldschmiedekunst in den Abruzzen, [2]
DOI Artikel:
Semper, Hans: Ueber drei Brixener Grabsteine und ihre Urheber, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0083
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■s- H49

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Nachdem im Vorhergehenden versucht worden ist, ein
Bild des Bestandes an abruzzesifchen Goldschmiedearbeiten
aus den: Nüttelalter zu geben, und an der Hand derselben
sowie urkundlicher Nachrichten einen Einblick in die Ent-
wickelungsgeschichte dieses Runstgcwerbes zu gewinnen, sei
es gestattet, zum Schluß dem Wunsche Ausdruck zu geben,
daß dieses noch sehr viele Früchte verheißende Gebiet von
den Lokalforschern noch weiter gepflegt werden möge, wie
dieß schon piccirilli und Nino in Solmona, Cherubim in
Atri, pannella in Teramo, Ranieri in Guardiagrele u. A.
gethan haben. Vincenzo Bindi, der als einer der ersten
sich seit Jahren eingehend mit Geschichte und Kunst der
Abruzzen befaßt, hat sich mit der Herausgabe feines großen
Werkes über die geschichtlichen und künstlerischen Denkmäler
in den Abruzzen gewiß ein großes Verdienst erworben;
daß ein werk, welches sich eine so umfassende Aufgabe
gestellt hat wie dieses, nicht allen Ansprüchen genügen kann,
liegt auf der Hand. Denn erstens war der Herausgeber
nach vielen Seiten hin — wo die nöthigen Vorarbeiten
fehlten — auf eigene Detailstudien angewiesen, wobei Irr-
thümer leicht unterlaufen konnten, — zweitens stellten sich
der photographischen Wiedergabe viele große Schwierigkeiten
in den weg, was auf die Abbildungen vielfach von un-

günstigen: Einfluß war. Man darf nicht vergessen, daß
die Abruzzen bis jetzt ein sehr wenig bereister Theil Italiens
sind, daß infolge davon der Photographiehandel, also auch
die Kunst des Photographierens selbst noch nicht überall auf
der hohen Stufe stehen wie in den dem Fremdenzuzug
erschlossenen Gebieten Italiens. Hat Bindi sich bisweilen
in der Beurtheilung einzelner Leistungen auch von seinem
Lokalpatriotismus irreführen lassen, so hat er jedenfalls
Eines erreicht: er hat zuerst in umfassenderer weise aus
die Bedeutung der Abruzzen in der Kunstgeschichte Italiens
aufmerksam gemacht und so das Interesse für ein Land
wach gerufen, welches bis dahin kunftgefchichtlich fast ver-
schollen war. Es wäre, uni zu unserm Ausgangspunkt
zurückzukehren, sehr dankenswerth, wenn Bindi mit dessen
freundlicher Erlaubniß wir die Abbildungen auf den
Seiten ffsSund sH8 feinem Werke entnommen, sich entschließen
könnte, die Gold- und Silberschmiedwerke der Abruzzen in
einen: gesonderten Werke zu publiziren, aber in guten, großen
photographischen Aufnahmen mit Beigabe von Detailzeich-
nungen und begleitendem Text; man würde dann erst ein
klares Bild von der einstigen Blüthe der mittelalter-
lichen Goldschmiedekunst in den Abruzzen er-
halten.

M drei

tiftni GraMne >A ifjtc

Von Pros. Dr. H. Semper.

(Schluß.)

MN noch höheren: künstlerischen und gleichem
historischen Werth ist aber eine zweite Relief-
tafel im Kreuzgang zu Neustift, welche ebenfalls
dein Ruin entging und einst gleichfalls das Grab
eines cdeln Ritters bedeckte. Dieselbe ist jetzt neben der eben
geschilderten Grabplatte eingemauert und gibt so den Anlaß
zu interessanten Betrachtungen über die Umwandlungen in
der tirolischen Plastik im Verlauf eines halben Jahrhunderts.

während in ersterem noch die Spätgothik in den Archi-
tekturformen herrscht, sehen wir an diesem Grab bereits eine
naive Renaissance angebrochen, die allerdings mit den neuen
Architekturformen noch nicht recht umzugehen weiß und
deßhalb das Figurale vorherrschen läßt.

Dieses letztere Monument besteht aus rothem Marmor
und zeigt gleichfalls einen jungen Ritter in reichem Locken-
schmuck, welcher auf einem Löwen kniet, während er mit
dem Oberkörper und dem Gesicht halb in Vordersicht,
die rechte Hand betheuernd auf die Brust legt, und die
Linke erhebt. Er betet zu Christus, der als Schmerzens-
mann auf feine Brustwunde deutend, von Maria und Jo-
hannes gestützt wird und trauernd sein edles Haupt nach
rechts neigt. Diese drei Halbfiguren werden nach oben von
einem Rundbogen umschlossen, nach unten sind sie von
drei, ebenfalls in Brustbildern dargestellten schwebenden
Engeln eingefaßt, von denen derjenige zur Rechten des
Beschauers ein flatterndes Band hält mit der Inschrift:
»Veus propitius micbi peccatori«, und derjenige zur Linken
einen Schild mit den drei Nägeln Christi, der Mittlere einen
Schild mit einem großen wiederkreuz, das von vier kleinen
wiederkreuzen bewinkelt ist. Die bisher erwähnten Figuren

sind von Pilastern eingefaßt, welche den schon erwähnten
Rundbogen tragen. Die Pilaster, wie die Archivolte sind im
Ganzen mit acht Kinderfiguren in Hochrelief geschmückt, von
denen je drei an den beiden Pilastern übereinander auf eigen-
thümlich geforinten Geräthen, Bechern, Faltstühlen, sowie die
mittleren auf noch halbgothisch geformten Konsolen stehen,
während zwei Putten an der Archivolte ebenfalls auf eigen-
thümlichen Nntersätzen stehend und zugleich wie schwebend vor-
geneigt an ringförmigen Henkeln eine Kugel mit dem Mono-
gramm Christi I bl 3 darauf halten. Die zwei Genien unter
ihnen, am Ende der kapitällosen Pilaster, tragen wieder
Schilder mit Marterwerkzeugen darauf, die beiden, mit
Hemdchen bekleideten Rinder darunter, helfen den Engeln zu
beiden Seiten Christi die Kreuztafel und die Schriftrolle tragen.
Derjenige links hält zugleich ein hinter dem Ritter stehendes
Schwert, um dessen Klinge ein 3 geschlungen ist/) während


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tz Die viereckige Tafel mit den fünf w ied er kreuze n soll ohne
Zweifel das Abzeichen der Ritter vom heiligen Grabe dar-
stellen, wenn cs dasselbe auch nicht heraldisch genau wiedergiebt.
vielmehr war dessen genaue Form ein großes Krückenkreuz, be-
winkelt von je einem gemeinen Kreuz, wie es z. B. auf dem
Schild der Erzstatue Gottfried von Bouillons in
der tfofkirche zu Innsbruck dargestellt ist. In der
That hatte das Wappen des durch Gottfried von
Bouillon gegründeten Königreichs Jerusalem die-
selbe Form, golden auf silbernem Grund, wogegen
das Kreuz der Ritter vom heiligen Grabe roth
war. Die Ritter vom h. Grabe waren verpflichtet ll U

„die Ungläubigen zu bekriegen, die Gefangenen zu
erlösen, die Iroras des heil. Kreuzes täglich zu beten und fünf
rothe Kreuze ... zu Ehren der fünf wunden unseres Herrn und
Heilands Jesu Lhristi auf dem Mantel zu tragen.Nunmehr



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Zeitschrift des bayer. Aunstgewerbe-Vereins München.

*890. Heft U und *2 (Bg. 3).
 
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