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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 11/12
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Gmelin, L.: Die Mittelalterliche Goldschmiedekunst in den Abruzzen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0082
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* ^8

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technik schon in hoher Blüthe stand; wo er aber auch gelernt
haben mag, — sicher darf man ihn den hervorragendsten
chilberschnlieden seiner Zeit an die Leite stellen.
Leine inschriftlich beglaubigten Werke h sind:

(. GstensoriUM ((4(3) in Francavilla al Mare; ksöhe 54 crri.a) —
2. GstensoriUM ((4(8) in S. Leucio zu Atessa (bei vasto, Abr. cit.).3)

— 3. vortragkreuz ((422) in S. M. Maggiore zu Lanciano (Abb.
S. (46).4) — 4. vortragkreuz in Guardiagrele (i45(). — 5. Aute-
peudlUM (paliotto) iu der Kathedrale zu Teraino, ") das bedeutendste
Werk Nicolo's, ausgefiihrt (<(33 — (448. Der mittlere Theil abgebildet
auf S. (-(?; ait dieses Mittelstiick schließen sich je 3 Tolurnnen mit je
4 Feldern, so daß im Ganzen 35 Felder gebildet werden. Sie ent-
halten getriebene Silberreliefs, welche die Geschichte Lhristi darstellen,
und zwischen denselben, an den Kreuzungspunkten der Rippen, Email-
plättchen in vortrefflichem Reliefschmelz. — Die kqöhe des Ganzen be-
trägt (,(7 m, die Breiterem, die einzelnen Felder 0,28/o,2Srr>,
das Mittelfeld 0,30/0,6v m.6) Die Umrahmungen wurden
im Jahre (734 von »Domenico Artefice Santacroce« von
Teramo restaurirt bezw. erneuert. — S. vortragkreuz ((4Z4)
in S. Massimo zu Aquila; sehr ähnlich jenem zu Lanciano,
aber noch reicher, Höhe ohne den Knauf des Tragstockes 0,95 m?)

— 7. vortragkreuz ((436) in Monticchio (bei Aquila); soll
jenem zu Lanciano ähnlich sein. —8. Vortragkreuz ((45()
in S. Giovanni im Laterans 311 Hom;8) noch etwas größer
als jenes zu Aquila, dem es sehr ähnlich sieht. Ls soll das
besterhaltene Kreuz des Meisters fein. — y. Lüste des S.

Giustino ((455); wenn die den Meister und die Jahreszahl
nennende Inschrift, welche nicht
mehr vorhanden ist, wirklich ge-
lautet »hoc opus tecir Magister Ni-
colaus de Guardia Grelis An. Sal.

14551, dann muß die Büste bei ihrer
Restauration v. I. (7(6 sehr ver-
ändert worden sein, da nur das Ge-
sicht — soweit aus der etwas ver-
schwommenen Abbildung bei Bindi
(Taf. 90) zu schließen — noch in
Einzelheiten auf Nicola weist. —

(0. Luaus eines vortragkreuzes in
der Sammlung pirro. 9)

Als wahrscheinlich von Nicola herrührend nennt Bindi
noch Kreuze in Borbona (bei Littaducale, zwischen Rieti und
Aquila) und Antrodoco (desgl.), ferner das piedestal einer
Statue in S. Massimo zu Aquila, die Büste des S. Massimo
(ebenda); das Kreuz in S. Giovanni Evangelista zu penne,
welches Bindi gleichfalls dem Nicola zuschreibt, hat zwar
(nach Taf. 58 u. S. 579) im Figürlichen einige Aehnlichkeit
mit dessen Arbeiten, steht diesen aber ziemlich nach. — von
weiteren, während der französischen ©ccuxation ((799) in Ver-
lust gerathenen Arbeiten des Nicola werden noch mehrere Kreuze
und Statuen genannt, besonders in Aquila und Umgebung.")

Was über die an anderen Orten oder von anderen
Meistern in den Abruzzen gefertigten Lilberarbeiten
zu nennen ist, beschränkt sich auf sehr wenige Ltücke.

Zunächst Aquila. ksier wurde ziemlich gleichzeitig mit
Solmona eine Münzstätte errichtet, welche aber noch bis weit
ins (6. Jahrhundert dauert. Im Jahre (447 kommen im
Dienste des päpstlichen lqofes die Goldschmiede Si lvestro und
Giovanni aus Aquila vor; ") es handelt sich dabei aber nur
um kleinere Arbeiten: Siegelstöcke und Ringe. Die Kunst des

1) Dgl. hierüber Bindi, per Nicolö di Guardiagrele in Arte e storia
*890, Nr. 25. — Derselbe: Mon. S. 35 ff. 6<*3, 666 ; Taf. 5, 90. 99, *00, *58, *66. —
Co Ion na, ancora del cesello in Rivista Abruzzese *890. 5. <*06 ff. — Fr, Ranieri,
alcune notizie sulle opere di Nicold Andrea Gallucci di Guardiagrele. — Revue de l’art
chretien *889, 5. *83; meist nach Bindi, Art. —

2) Nach Ranieri besitzt dasselbe noch einen schönen in Leder geschnittenen Behälter.

3) Aehnliche Ostensorien oder Reliquiarien finden sich noch an verschiedenen
Orten in den Abruzzen,'z. B. in 8. Franeesco zu C.astelvecchio Subequo (nach Bindi),
ZU Agnone (prov. Molise; nach Ambrosia ni, Rev. de l’art ehret. *887, 5. 330),
in ber Chiesa madre zu Caramanico; letzteres, von welchem ich bei prof. Piccirilli eine
Zeichnung sah, wird von diesem dem Nicold zugeschrieben. Zu derselben Gattung gehört
auch das Reliquiar des Nicola de Franco zu Lanciano (s. unten).

4) kaut Urkunde erhält Nicold am 26. Oktober *<*2* den Auftrag zu diesem
Kreuz; dabei wird u. A. bestimmt, daß das Ganze etwa 500 Dukaten kosten solle.

b) Line sehr eingehende und gewissenhafte Beschreibung gibt Giacinto
Pannella (der mich in meinen Studien auf's Lntgegenkommendste unterstützte) in
seiner Monographie: »II Paliotto della Cattedrale Aprutina«, Teramo *890; dieselbe
enthält auch andre werthvolle Angaben über die Kathedrale. — Photographie des
Ganzen (37 cm Bildlänge) bei G F. Nardi, Teramo.

6) Nach freundlicher Mittheiluug des Prof. Berardo Urbani zu Teramo.

7) Dgl. auch Le 0 sini, Non. stör, della cittä di Aquila e suoi contorni Aprile *8<*8.

8) publ. bei Rohault de Fleury, lo Latran en Moyenäge, t. XXX.

9) Bindi, Arte e storia, a. a. 0. vielleicht identisch mit der ftüher (bei Nr. 8
der Solmoneser Arbeiten) erwähnten Sammlung pirri?

10) Linen Kelch in Guardiagrele, dessen Marke man früher NAF gelesen und
mit »Nicolaus Andrea fecit» übersetzt hatte (Bindi, Mon. 27—28), spricht Bindi dem
Nicold jetzt ab; mit Recht. Denn einige Abklatsche der Marke, die mir Prof. Ranieri
schickte, zeigen deutlich NAP mit einer Krone darüber — die Marke Neapels, wenn
die Angaben Tolonna's (Ancora del Cesello S. 3), daß sich dieselbe Marke auch auf
einem Dortragkreuz in »8. Martino sulla Maruccina» befinde, so wäre hiermit eine
weitere Arbeit aus Neapel konstatirt.

") E. Müntz, les arts d la cour des Papes, S. 60 und 68.

Medaillenschneidens, welche im Gefolge des Münzens stand, blühte
noch nach der Mitte des (6. Jahrhunderts in Gafpare Roinanelli.4)
Der Name Roinanelli ist übrigens noch mit einer anderen sehr be-
deutenden Arbeit verknüpft; nachdem nämlich der von Ludwig Xi. im
Jahre (48( geschenkte Silberschrein, a) welcher die Gebeine des heil.
Bernardin von Siena enthielt, den Truppen Karls V. ((529) als
Kriegsbeute zugefallen war, wurde Bartholonieus Roinanelli aus
Aquila mit seinen Söhnen Raffaele und Gafpare beauftragt, einen
neuen Schrein zu machen ((55o), welcher aber ((799) durch die fran-
zösischen Truppen geraubt wurde. ") Die einzige noch vorhandene
Silberschmiedarbeit eines Aquilaners ist — soweit bekannt — das auf
dem Nunicipio zu Aquila aufbewahrte vortragkrcuz4) des »Johannes
Magistri Bartolomei Rosecci de Aquila« vom Jahre (575; obgleich
dieses in Silber getriebene Stück einer entwickelteren periode der
Goldschmiedeknnst angehört als das Kreuz in S. Massimo, so reicht
dock die Arbeit bei weitem nicht an jene des Nicola von Guardia-
grele. — Noch spärlicher als über Aquila stießen die ©uellen bei anderen
Städten. Schriftquellen nennen in Lanciano ((3(5) einen
Meister L e l l 0 als Verfertiger eines Kreuzes, — und ein ©sten-
sorium in S. Nicolo vom Jahre (465 nennt r Magister Nico-
la us de Fran ca deLanzano« als Verfertiger.— © tton a
sigurirt mit zwei Meisternamen: Nicola und vito; von
ersterem rührt ein kleines Kästchen her, das in dem Testament
der Königin Maria (st (223) erwähnt wird und sich jetzt im
Nationalmuseum zu Neapel bestndet, von letzterem wird ein
mit seinem Namen und der Jahreszahl (228 bczeichneter,
nicht mehr vorhandener Kelch aufgeführt?) — Aus penne
ist zunächst als Verfertiger eines interessanten sechsseitigen Rc-
liquiars ein Meister zn erwähnen, der sich auf demselben
r Giovanni di Angela« nennt;
die diesem Namen folgenden Buch-
staben — D. C. P. — darf man wohl
»de civitate Penna« lesen. Die ge-
triebenen Figurenreliefs der Seiten
und die Lmails des pyramidenförm-
igen Deckels deuten auf die erste Hälfte
des (4. Jahrhunderts. In einer Ur-
künde wird dann noch ((323) ein
Goldschmied A n d r i 010 genannt.* 2 3 4 * 6 7)
Auf Goldschmiede aus Teramo
scheinen zwei Arbeiten zu weisen : ein
fünfseitiges Reliquiar in der Abazia
di ponzano (prov. Rom mit der Inschrift »Rainerius Teram-
nese fe(cit) (h)oc opus« aus dem (2. Jahrhundert") — und
ein Kreuz in Montexagano9) (bei Teramo) vom Jahre (500,
in dessen Inschrift sich ein pietro Santi da Teramo nennt. —
Aus dem in der Nähe gelegenen S. ©meto mag viclleickt
jener Giovanni gewesen sein, welcher in Diensten Johanni,
stand und welchen ich früher (S. (4) den am pofe zu Neapel
beschäftigten französischen Goldschmieden zugezählt habe.

Unter den übrigen ähnlichen Arbeiten in den Abruzzen
nehmen die vortragkrcuze die erste Stelle ein. Lines der
wichtigsten ist das zu Rosciolo (bei Avezzano), schon wegen
der genauen Datiruug (S. d. Abb.) Sammt der Basis ist es
(,20 m hoch.4") Bemerkenswerth ist, daß die Rückseite nicht
(wie die meisten anderen vortragkreuze dieser Gegend) den
segnenden Lhristus, sondern die Madonna zeigt. Das Kreuz
trägt an mehreren Stellen in Email das Wappen der ©rsini.
Etwa derselben Zeit mag ein Kreuz zu Bellante (bei Teramo)
angehören;") nur ist hier derLrucifixusim (6. Jahrhundert
erneuert worden. Das Kreuz im Dome zu Rieti, ") (Anfang
des (3. Iahrhts.), steht zwischen den Kreuzen Solmona's und
des Nicola von Guardiagrele. Wie lange sich der herkömm-
liche Krcuztypus, besonders auch die alterthümliche Ausstattuug
desselben, erhalten hat, beweist ein Kreuz aus dem Anfang des
(6. Iahrhts. in der Kathedrale zu Atri.49)

1) Leos in i, a. ct. 0- 5. 2*0—2*2.

2) Näheres bei Signorini, l’Archeologo nell’ Abruzzo ulteriore II. 5. *38.

3) Bei Bindi, Mon. Taf. *72. Abbildung nach einer alten Zeichnung.

-*) Bindi, Mon. Taf. *59, 5. 82<*.

b) Bindi, Mon. 692- ^ af. 97 ;-, Art. *56.

c) Bindi, Art. *89 und 29*.

7) Bindi, Mon. Taf. 56, 5. 578 und Bindi, Art. 5. 26.

8) Pannella, Rainerius Teramnese. Teramo *890.

9) Bindi, Mon. Taf. *9—20,5. 507; direkte freundliche Mittheilungen seitens
des dortigen Kirchenvorstandes bestätigten Bindi's Angaben.

1») Bindi, Mon. Taf. 206 und 207; 5. 899- — Ergänzende Mittheilungen
über dieses Kreuz verdanke ich dem Kirchenvorstand zu Rosciolo.

1>) Bindi, Mon. 5. 899. Anm. *. — weitere Mittheilungen über dieses

— 60 cm hohe — Kreuz verdanke ich Prof. Panitella.

12) Guardabassi; Indice-Guida dei Monumenti .. nella provincia dell’Umbria
Perugia *872. 5. 256.

13) Bindi, Mon. Taf. 39. 5. *35. — Nähere Mittheilungen darüber verdanke
ich dem k. Inspektor der »8cavi e Monumenti«, prof- Therubini in Atri.

Weitere Kreuze nennt Bindi (5. ^96, 579- 899/ 2lnnt. *) in Tellino (bei
Teramo) v. ). *5*8, sehr schadhaft, — in 5. Lujanio (bei Aquila). — in Giulianova
(bei Teramo), in poggio Morello, in Tastelvecchio Subequo, — in Avezzano (zwischen
5olmona und Tagliacozzo) sehr schadhaft. — Don lonstigen Ldelmetallarbeiten nennt
Bindi noch: in Tastelvecchio Subequo die 5ilberstatue einer Jungfrau (5. 899)/. iu
Trasacco ein armförmiges Reliquiar aus Silber (5. 895) in Atri ein prächtiges
Pastorale mit Lmails (5. *35, Taf. 39)/ in penne einen Kelch (5. 5 79/ Taf. HO). Letzterer
ist durch feine Aehnlichkeit mit dem unter Nr. *4 der 5olmona-Arbeiten angeführten für
uns besonders interesiant; er besitzt nämlich außer dem gleichen Aufbau am Nodus auch
die sechs runden Lmailmedaillons und am Schaft — oben und unten — die Arkadenreihen.
Dagegen sind die untere Fuß- und die Kelchfläche mit je 6 Lmailmedaillons geschmückt;
die Höhe beträgt 20 cm, der Durchmesser der Luppa *3,5 cm. Line Marke soll sich

— nach freundlicher Mittheilung des prof. pannella — auf demselben nicht befinden.

Vortragkreuz

in Rosciolo, nach Bindi, Mon.
Taf. 206.

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