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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 7/8
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Diner, Joseph: Die Sammlung Spitzer
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Mayr von Gg: Das Kunstgewerbe und das tägliche Leben: Vortrag, gehalten im bayer. Kunstgewerbe-Verein am 4. März
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0048
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Bau und der Dekoration nach zeigt dieser
Reich eine außerordentliche Verwandt-
schaft mit dem von Prof. Gmelin in
Pest ( & 2 dieser Zeitschrift besprochenen
Solmoneser Reich, nur daß dieser, als der
viel jüngere, viel eleganter und schlanker
erscheint. Doch inacht es vollkommen den
Eindruck, als ob die Solmoneser Gold-
schmiede Schüler der florentinischen gewesen
seien. (Man vergleiche die Abbildungen
auf S. (2 und (5, sowie auf Tafel 6
dieses Jahrganges.)

<£in Musterstück an Eleganz und Fein-
heit der Formen sowohl, als der Ausführ-
ung ist das unter Figur Nr. 6 reproduzirte
Reliquar. In seiner Grundform ähnelt
es dem von Prof. Gmelin (S. (3 und
Heft \ & 2 dieses Jahrgangs) mitgetheilten
Reliquiar, aber trotz der durchaus gothischen
Motive ist es von so weichen Formen,
daß es fast den Eindruck einer nach-
gothischen Arbeit macht. Der stark ge-
gliederte Fuß hat die Form eines Sechs-
paßmedaillons. Es ist mit aufgelötheten
weinranken geschmückt, an welchen zahl-
reiche Trauben hängen; dieselben sind in
getriebener Arbeit und stark vortretend.
Die Weinranken umrahmen sechs Email-
bilder, die in Gold ausgeführt sind auf
opakblauem Grunde. Dargestellt sind: Die
Jungfrau mit dem Jesukindlein, der heilige
Bartholoinäus mit Messer und Buch, der
heilige Jeremias, Maria Magdalena,
Antonius der Ereinit und Johannes der
Täufer mit Rreuz und Band, auf dein
die Worte VOX - CLAMANTI(S) stehen.

6. Reliquiar.

Aupfer, vergoldet und mit Maleremuil geschmückt,
venetianische Arbeit aus dem Ende des J5. Jahrhunderts.
Höhe 0,^5 m. Durchmesser des Fusses 0,^80 m.

Der sechsseitige

gegliederte Schaft ist mit Maaswerk ge-
ziert und endigt in ein Bündel Farnkraut-
blätter, welche das cylindrische Glas tragen,
welches das eigentliche Reliquar bildet.
Die Verbindung mit dem Deckel bilden
drei säulenförmig gewundene Metallblätter,
die oben und unten je in einen Blumen-
strauß endigen. Der Deckel, welcher schon
den Einfluß der Renaissance verräth,
hat die Form einer von einer Laterne
überragten Ruppel. Die Laterne ist mit
vergitterten Fenstern und wiederlagern
versehen und von einem Rreuze über-
ragt.

Fig. 7 zeigt einen sehr schönen deutschen
spätgothischen Rirchenleuchter. Die Orna-
mente sind durchwegs angelöthet, während
der nodusförmige, stark vortretende Reif
am Schafte durchbrochen gearbeitet ist,
ebenso das Rapitäl, welches die Leuchter-
schale trägt, die überdies noch von Maas-
werk umrahmt ist. Am Fuße ist ein
cmaillirtes Wappen in Gold aufgelöthet,
mit drei einander gegenüberstehenden
Hirschen.

Der Rruinmstab Fig. Nr. 8, der in
seiner Grundforin auf die romanischen
Rrummstäbe zurückgeht, zeigt die äußerste
Vervollkoinmnung jener Tendenz, von der
ich schon weiter oben gesprochen habe bei
Fig. <k-

Das Blattwerk erscheint hier gar nicht
mehr als zum konstruktiven Theile ge-
hörig , sondern ist durchaus nur mehr
dekorative Spielerei.

Joseph Diner.


Vortrag, gehalten im bayer. Runstgewerbe-Verein am A März (8st0 von Unterstaatssekretär Dr. Gg. von Mayr.

s ist bekanntlich nicht leicht, eine befriedigende
Begriffsbestimmung des Runstgewerbes zu ge-
ben. Nicht minder schwer ist oft die Frage
zu entscheiden, ob ein bestimmter einzelner
Gegenstand zu den kunstgewerblichen Erzeugnissen zu rechnen
sei. Noch schwieriger aber wird die Sache, wenn ohne
den Anhalt unmittelbarer Anschauung bestimmter Gegen-
stände die Frage entschieden werden soll, ob und in wie
weit gewisse Gruppen und Rlassen von Erzeugnissen und
den darauf bezüglichen Arbeitsthätigkeiten dem Runstgewerbe
zuzurechnen sind. Nehmen wir beispielsweise unfern Zoll-
tarif, der doch schon eine ansehnliche Zahl von waaren-
gattungen enthält, oder besser das noch weit ausführlichere
zum Tarif gehörige amtliche waarenverzeichniß, wir werden
vergebens das Gesammtgebiet des Runstgewerbes daraus

herauszufinden versuchen. Ich darf hierüber aus Erfahrung
sprechen. Ich erinnere mich sehr gut, wie unser unermüd-
licher Vorstand und Reformator unseres Vereins, Herr
von Miller, im Jahre (878, als es galt unseren Zoll-
tarif einer Verbesserung im Sinne des Schutzes der natio-
nalen Arbeit zu unterziehen, ganz besonders darauf bedacht
war. dem deutschen Runstgewerbe als solchem einen beson-
deren Schutz zuzuwenden. Als wir beide dann aber mit
Ernst und Eifer der Sache nachgingen und über die
Verwirklichung des kunstgewerblichen Zollschutzes in der
Nomenklatur des Zolltarifs nachsannen, da fanden wir,
daß die an sich wohlbegründete Absicht im Allgemeinen
technisch nicht durchführbar war. Nur indirekt hat dieselbe
bei der Reform des Zolltarifs insofern einige Berücksichtigung
gefunden, als der Tarif im Vergleich zu den früheren Zoll-
 
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