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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 7/8
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Diner, Joseph: Die Sammlung Spitzer
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0047
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wurde und uns iu sehr zahlreichen Elfenbein-Ubarien-
Statuctten erhalten ist. Die Bewegungen sowohl wie der
Gesichtsausdruck sind scharf accentuirt. Die Falten der Ge-
wänder sehr zahlreich und tief. Das Gesicht ist stets von
einen: sonderbaren Lächeln belebt, und die ganze Figur
niemals gerade, sondern stets mit eingebogenem Rücken
oder Seite. Dieser letztere Punkt, sowie die Tiefe der Falten
finden ihre Begründung in gewissen äußeren technischen
Ursachen. Bei etwas größeren Statuetten mußte man sich
nämlich gewöhnlich den Biegungen des Elfenbeinzahnes
anpassen, da ja sehr große Zähne, aus denen man große
und gerade Arbeitsstücke hätte bekommen können, nur sehr
selten waren, und wegen des matten, alles Licht abforbir-
enden Glanzes des polirten Elfenbeines mußte man, um
ein Spiel zwischen Licht und Schatten hervorzubringen,
alle Falten sehr vertieft machen. AUmälig aber vergaß
man an den rein technischen Ursprung dieser Ulomente,
und wiederholte dieselben überall, selbst dort, wo sie tech-
nisch unnothwendig und künstlerisch falsch waren, wie bei
der Reliefdarstellung unseres Rrummstabes. Bon: Beginne
des {5. Jahrhunderts ab degenerirt die Runst der Elfen-
beinschnitzerei und wendet sich auch die Gunst des Publi-
kums von ihr ab und den Holzschnitzereien zu, bis dann
Ende des s6. Jahrhunderts und während des \7. Iahr-
hunderts das Elfenbein wieder zu Ehren kömmt.

Unter Figur Nr. \ geben wir ein Elfenbeinkästchen
orientalischer Arbeit aus dem sp Jahrhundert. Das Räst-
chen ist cylindrisch und hat einen flachen Deckel. Die
Vorderseite des Deckels ist mit einer vierseitigen, in den
Ecken ausgezackten Eartouche geschmückt. Die Eartouche
ist mit flach herausgeschnittenen Arabesken ornamentirt.
Auf dem Laubwerke der Arabesken stehen verschiedene
Thiere: \ Falke, \ Hund, 2 Hasen und ^ Pfaue. Die
Eartouche ist mit einer Reihe von Pohlperlen bordirt.
Am vorderen Rande des Deckels sehen wir ein kleines,
mit herzförmigen Blättern ornamentirtes Band in ähn-
licher Arbeit. Der Deckel zeigt eine gezahnte Bordüre und
vier Vögel mit Zweigen in den Schnäbeln in gravirter
Arbeit. Der Beschlag des Schlüsselloches ist aus Rupfer
und zeigt ganz ähnlich ein gravirtes Ornament wie die
Vorderseite des Rästchens. Ringsherum zieht sich eine band-
artige Bordüre, mit einer ringsum laufenden Zickzacklinie
eingravirt, und einem ringsum laufenden Blätterkranze
aus ähnlichen herzförmigen Blättern wie am Deckel, doch
so, daß je zwei benachbarte Blätter in umgekehrter Lage
zu einander sind.

* *

Unter Figur Nr. 5—8 reproduziren wir der kirch-
lichen Goldschmiedekunst zugehörige Gegenstände aus der
Sammlung Spitzer.

Figur Nr. 3 reproduzirt den berühmten florentinischen
Reich des Andreas Arditi. Der Reich ist aus Silber, ver-
goldet und mit translucidem Email geschmückt, und stammt
aus dem Anfänge des Jahrhunderts, zu welcher Zeit
nachweislich der Goldschmied Andreas Arditi in Florenz
gearbeitet hat.*) Der Reich trägt an einem sechsseitigen

*) Dieser Kelch ist schon xublizirt sowohl bei Laban«: La
collection Debruge Dumenil pag. 629, als auch bei Bücher, Ge-
schichte der technischen Künste Band II, pag. 288. Aber in beiden

Ringe, der den Uebergang vom Fuße zum Schafte bildet,
die Inschrift: ANDREAS • ARDITI • DE • FLORENTIA -
ME - FECIT. Der Fuß hat die Form eines Zwölfpaß-
medaillons, mit abwechselnd spitzen und runden Zacken.
In den sechs runden Zacken ist je ein gravirtes und mit
translucidem Email geschmücktes Vierpaßmedaillon aus
Silber aufgelöthet, mit folgenden Darstellungen: Ehristus
am Rreuze, der heilige Johannes, die Barmherzigkeit,
Johannes der Täufer, die Gerechtigkeit und die Jungfrau.
Rings um die Medaillons schlingt sich ein ebenfalls auf-
gelöthctes Bandornament, und innerhalb der durch dieses
Band gebildeten Felder befinden sich kleine emaillirte Platten,
die theils Blätter, theils phantastische Thiere zeigen. Den

5. Kelch.

Silber, vergoldet, mit translucidem Email geschmückt. Llorentinische Arbeit des
Andreas Arditi aus dem Anfänge des Jahrhunderts.

Höhe 0,225 m. Durchmesser des Luffes 0,^3 m.

Uebergang zum Schafte bildet ein sechsseitiger, mehrfach
gegliederter Ring, der die oben citirte Inschrift trägt. Der
Schaft ist sechsseitig und sind die beiden Theile oberhalb
und unterhalb des Nodus vollkommen gleich. Je vier
Seiten sind mit den Büsten von heiligen geschmückt in
translucidem Email und je zwei Seiten zeigen ein von einer
Lilie überragtes Doppelkreuz. Der Nodus selbst ist etwas
abgeplattet und mit sechs kreisrunden Email geschmückt.
Die Tulpe, in welcher die Euppa ruht, ist gezackt und mit
phantastischen Thiere» in Emailausführung geschmückt. Dem

Fällen abweichend von unserer Reproduktion, die ich mit dein Ori-
ginale verglichen habe. Jene Publikationen zeigen nämlich den Schaft
unterhalb des Bodns doppelt so lang als bei uns, und durch einen
Fries in zwei Theile getheilt. Der obere bei uns fehlende Theil ist
mit Lincarornamenten in Tmailausführung geschmückt.
 
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