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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 7/8
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Diner, Joseph: Die Sammlung Spitzer
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0043
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Spanische Axplikationsstickerei.

Aus dem Besitz des Bildhauers I. Aranth in Frankfurt a. M.

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ie bedeutendste jetzt noch bestehende Privatsamm-
lung von Werken des Aunstgewerbes ist zweifels-
ohne die Santinlung des kürzlich in Paris
verstorbenen Friedrich Spitzer. Wohl beschränkt
sich diese Sammlung säst nur auf Werke des Mittelalters
und der Renaissance, aber für diese Epochen bietet sie uns
ein vollständiges Bild des Aunstgewerbes. Bon der Morgen-
röthe des Mittelalters bis zur Abendröthe der Renaissance
im s7. Jahrhundert, sind alle Schulen, alle Perioden, und
auch alle Techniken des Aunstgewerbes vertreten durch
schöne und charakteristische Arbeiten, so daß die Sammlung
Spitzer im wahrsten Sinne des Wortes als ein Museum
der kunstgewerblichen Arbeit vom 6. bis f7. Jahrhundert
angesehen werden kann. Aber in Voraussicht dessen, daß
gleich den übrigen bedeutenden Privatsammlungen auch
diese nur von kurzem Bestände sein wird, hat der Besitzer
es unternomnien, die ganze Sammlung zu publiziren. Int
Frühlings dieses Jahres ist auch der erste Band dieses auf
sechs Bände berechneten Werkes erschienen,*) und kann wohl
gesagt werden, daß schon dieser erste Band alles in dieser
Art bisher Geleistete übertrifft. Speziell die in Farben-
druck wiedergegebenen Tafeln sind von einer Vollkommen-
heit, wie sie bisher noch nie erreicht worden. Leider ist
Spitzer ganz kurz nach Erscheinen des ersten Bandes ge-
storben. Die Fortsetzung des Werkes soll jedoch gesichert
sein, da, wie ich aus guter Quelle erfahren habe, das
Testament dahin verfügt, daß die Sammlung vor Be-
endigung der Publikation nicht verkauft werden darf.

Durch die Liebenswürdigkeit des perrn Spitzer war
es nrir ermöglicht die Sammlung wenige Wochen vor
seinem Tode für meine Studienzwecke zu benützen, und
auch die Eliches einiger interessanter Arbeiten zu erhalten,
die ich in den nachfolgenden Blättern einer kurzen Be-
sprechung unterziehen will.

Ganz besonderes Interesse erregte mir die Sammlung
von Llfenbeinarbeiten. Dieser so außerordentlich wichtige

*) La Collection Spitzer. Antiquite. Moyen-Age. Renaissance.
Tome i. Paris. Maison Quantin. — Paris. Librairie des Beaux Arts.

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Zweig des Aunstgewerbes ist bisher leider sowohl von den
Aunsthistorikern als auch von den Museen so ziemlich
vernachlässigt worden. In Deutschland finden wir zwar,
sowohl in München als in Dresden und Berlin höchst
bedeutende Sammlungen von Elfenbeinarbeiten der Re-
naissance, aber nirgendwo in Deutschland finden wir eine
wirklich bedeutende, systematisch übersichtliche Sammlung
von Elsenbeinarbeiten des Mittelalters. Bedeutender und
reicher in dieser Einsicht sind die pariser Sammlungen,
aber dort sind die vorhandenen Elfenbeinarbeiten so zerstreut
in den verschiedenen Museen, und in diesen Museen wieder
so unglücklich verthcilt, daß eine Uebersicht absolut unmöglich
ist, und man bei vergleichenden Studien die größte Mühe
hat sich zurechtzufinden. Reicher und systematischer, aber
durchaus nicht vollständig sind die Sammlungen des British
Museum und des South-Aensington Museum. Wirklich
bedeutende, systematische, große Saminlungen von Elfenbein-
arbeiten gab es bisher eigentlich nur int privatbesitz. Ich
will nur die berühmte Santntluitg Fcjervary nennen, die
in den fünfziger Jahren in den Besitz des Herrn Joseph
Mayer in Liverpool überging*), und dereit ausgezeichneter
Aatalog mit einer Eiitleitung über alte Elfenbeinarbeiten
wir dem gelehrten Generaldirektor der ungarischeit Museen
Herrn Franz von Pulszky verdattken. Dann die leider
schon durch Verkauf zerstreuten Sammlungen des Prinzen
Soltykoff und des Herrn von Basilewski, und schließlich
die noch bestehende Santmlung des Herrn Spitzer. Be-
züglich des kunsthistorischen Theiles sind wir aber noch viel
schlechter bestellt. Abgeseheit von den in verschiedenen
Zeitschriften zerstreuten Artikeln über einzelne Llsenbein-
arbeiten, sind wir ttoch immer auf die Abhandlung Labarte's
beschränkt iit seiner „lckistoire cles arts industriels". Denn
die in den: Jahrgangs f880 dieser Zeitschrift begoitnene
Artikelserie über Elfenbeinarbeiten von Earl Friedrich ist
nur bis zum Jahrhundert n. Eh. geführt, und die feit
so vielen Jahren erwartete Arbeit von Professor E. aus'm
Weerth, ist vorläufig zu einem kleinen Artikel zusammen-
geschrumpft, der in „Araus': Realencyklopädie der christ-

*) Seither ist diese Sammlung von Herrn Mayer dem Liver-

pooler Museum geschenkt worden.

Zeitschrift des bayer. Aunftgewerbe-Vereins München.

Heft 7 & 8 (Bg. *890.
 
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