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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 1/2
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Gmelin, L.: Die Mittelalterliche Goldschmiedekunst in den Abruzzen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0018
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unter Anderem ließ er, wie ein von ihm hinterlassenes
Schriftstück aus dem Jahre fOfst mittheilt, J) mehrere
silberne Rauchgefäße und Reiche machen. Er scheint sich
selbst mit Anfertigung ähnlicher Arbeiten besaßt zu haben,
da er schreibt: „ein silbernes Rreuz habe ich gemacht, ganz
mit reinstem Golde vergoldet". Als er dann Abt von
Ucontecassino (\022—^02^) geworden war, ließ er u. A.
ein silbernes Vortragkreuz, zwei Glocken, eine silberne Altar-
tasel fertigen; zu seiner Zeit wurde ein sächsischer Priester,
Adelmod, als Wönch auf Ulontecafsino eingckleidet, wo er
„von seinen: eigenen Vermögen ein silbernes Areuz von etwa
70 Pfund verfertigte".

Dazu kamen Geschenke hoher Persönlichkeiten, welche
eine Ehre darein setzten, ihre Namen durch Schankungen,
die des berühmten Rirchenschatzes würdig waren, hier zu
verewigen. So schenkte Raiser Heinrich II., nachdem er
(1022) dem Rloster einen Besuch gemacht hatte, ein mit
Gold und Edelsteinen geschmücktes Evangelicnbuch, einen
goldenen Reich mit patena, einen großen silbernen Becher
zun: Trinken für die Brüder an hohen Festtagen; von den
Juden löste er einen großen silbernen Reich ein, sächsische
Arbeit („saxonicum“) sammt patena, den einst ein sächsischer
Fürst den: h. Benedikt übersandt hatte. Zn ähnlicher Weise
stellte auch Ronrad II. den: Rloster viele durch den Fürsten
Pandulf von Tapua geraubte Schätze zurück. Rönig Stephans
von Ungarn verehrte den: Rloster ein goldenes Rreuz; der
byzantinische Raiser Ulichael* 3) verpflichtete sich sogar zu einen:
jährlichen Beitrag von 2$ Pfund Gold und vier Gewändern,
und Robert Guiscard schenkte nicht allein sehr viel bei Ge-
legenheit seiner Besuche, sondern auch bei jeden: Erfolg auf
seiner kriegerischen Laufbahn.

Unter der großartigen Schenkung, welche der marsische
Bischof pandulf dem Rloster zur Zeit des Abtes Friedr.
von Lothringen (f037, späteren pabstes Stephan IX.)
machte, werden an Edelmetallarbeiten aufgezählt: zwei
silberne Weihrauchgefäße, ein goldener Reich mit Patena,
zwei silberne Wasserkrüge, ein silbernes Zncensorium) ein
kleines silbernes Rreuz, ein silbernes Weihwasserbecken; Abt
Friedrich selbst wollte dahinter nicht zurückstehen und schenkte
dem Rloster eii: goldenes Altarkreuz, fast zwei Pfund schwer,
sammt Tragstock, vier silberne und eine goldene Altartafel,
je ein Paar silberne bez. krystallene Leuchter, eine große
silberne Laterne :uit Niello, eine silberne Ranne zum Altar-
dicnst, ein silber-vergoldetes Weihrauchgefäß mit Email ic.

3ft es auch ungewiß, wo diese bedeutenden Arbeiten
entstanden sind, so läßt schon die Thatsache der Häufung
derselben im Rloster Ulontecassino keinen Zweifel darüber,
daß diese Ulönchsstätte schon dmuals sehr anregend, naiucnt-
lich hinsichtlich der kirchlichen Goldschmiedekunst im Dienst
der Rirche gewesen ist; in noch höheren: Grad wurde das
Rloster zur Pflegestätte kirchlicher Runst durch den berühinten
Abt Desiderius, welcher 30 Zahre lang (f058—1087)
den: Rloster Vorstand und dessen ausgesprochene Absicht es
war, das Rloster zum Ulittelpunkt künstlerischer Wirksaiukeit
überhaupt zu „rachen. Er hatte H in Ronstantinopel die
Goldarbeit und die Schmelznmlerei in voller Blüthe gesehen

*) Schulz. II, 33.

Schulz. II, :;2.

3) Schulz. II, 121.

fl Bücher, Geschichte der technischen Künste, II, 23;.

und er trachtete danach, seine Rirche an Pracht den
griechischen gleich zu stellen. Noch bevor er den Neubau
der Rirche in's Auge gefaßt hatte, stiftete Desiderius u. A.
eine goldene Altartafel, eii: goldenes Weihrauchgefäß, ein
silbernes Wasserbecken, und als er die bcrühn:ten Erzthüren
zu Atualfl gesehen hatte, bestellte er alsbald ähnliche Thür-
flügel in Ronstantinopel, welche auch auf den später,: Bau
übergingen. Zur Ausstattung seiner neuen s066—s07s
erbauten Rirche bediente sich Desiderius nur noch theilweise
der Hilfe Ronstantinopels, namentlich zur Auszierung des
Hauptaltars und dessen Umgebung, wobei der Goldschmiede-
kunst der Hauptantheil zufiel. Zn Ronstantinopel ließ
Desiderius mit 36 Pfund Gold eine emaillirte Altartafel
inachen, und um seinen eigenen Rünstlern Gelegenheit zur
Ausbildung in der Erlernung der wetalltechnik zu geben,
ließ er dort gefertigte silberne Bildwerke hier nachahn:en.

Details zu dein Kelch auf Tafel 6 (wirkliche Größe).

Zn Silber getrieben; die Emailplättchen sind besonders aufgesetzt und zum Tbeil mit
Rubinen und Smaragden besetzt; zwischen den Sechspaß-Medaillons sitzen große Rubine.

Der Grund des Ornaments geperlt.

Silbergetriebene Arbeiten wurden zur Ausschmückung der
dem Hauptaltar benachbarte,: Säulen und Balken verwendet;
dazu kamen in gleicher Technik sechs große 3 Ellen hohe
Leuchter, ein 6 Ellen hoher Gsterkerzenleuchter, schließlich
ein riesiger Rronleuchter von 20 Ellen im Umfang, aus
ungefähr f00 Pfund Silber! \2 Thürme ragten daraus
hervor und 36 Lampen hingen daran. Diese umfangreiche
Thätigkeit speziell auf den: Gebiete der Gold- und Silber-
schiniedekunst „rußte auf die ganze Hingebung den größten
Einfluß ausüben; und wenn auch von den zahlreichen von
Petrus Diaconus (III. 7^) bei,,: Tode des Desiderius nam-
haft gemachten Rirchengeräthen Nichts mehr übrig ist —
die Rümpfe zwischen pabst und Raiser knickten die materielle
und geistige Blüthe des Rlosters ■— das goldene Antependium
des S. Benedikt-Altars wurde einmal (s2^f) in Folge einer
Zwangsanleihe von Friedrich II. weggenommen — so läßt
sich die Nachwirkung der in NIontecassino bestandenen hohen
Schule der Goldschmiedekunst doch in den abruzzesischen
Arbeiten erkennen.
 
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