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Bauer mit seinem Leiterwagen, der einst neben dem Portal
zu Münchsmünster angebracht war. Mie der Künstler dem
Borbilde der Natur zu folgen versuchte, dafür sind die
portraite des Friedrich Barbarossa ain Portale des Freisinger
q.. Christusstatue aus Reichenbach.
Jetzt im National-Museum zu München. Erste Hälfte des Jahrhunderts.
Domes und im Kreuzgang von St. Zeno höchst charakteristisch;
durch ihre Uebereinstimmuna, sowie durch die mit anderen
Bildnissen des Kaisers steht die Absicht fest, eine bestimnrte
Persönlichkeit wiederzugeben, und dainit ist selbstredend das
Streben verbunden, möglichst genau dem Borbild, d. h. der
Natur zu folgen. Die feinen Züge, die den persönlichen
Charakter des Kopfes bedingen, dürfen wir auf dieser Ent-
wicklungsstufe der Kunst natürlich noch nicht erwarten, es
fehlte noch ebenso die feine Beobachtung, sie zu erfassen wie
die technische Fertigkeit, sie wiederzugeben; aber gewisse
äußerliche Merkmale werden festgehalten, die jedem ins
Auge springen und mit denen auch das Kind die Charakteristik
des Portraits beginnt, wie hier der spitzzulaufende Bollbart
und der Schnurrbart. Gerade die Portraitplastik war einer
der wichtigsten Faktoren für die Entwicklung des Naturalis-
mus inr Mittelalter, vor allein natürlich durch die Grab-
plastik, wo man in dem oft schon zu Lebzeiten des Inhabers
des Grabes gefertigten Relief dessen Portrait dargestellt
wünschte; in den bayerischen Landen ist die älteste Relief-
figur eines Grabmales, in der wir sicher ein Portrait haben,
der Grabstein des Vtto Seemoser inr Dom zu Freising aus
der Mitte des f3. Jahrhunderts.
Aus der untergeordneten, dekorativeir Stellung, welche
die Plastik inr \2. Jahrhundert einnahm, befreit sie sich
im s3. Jahrhundert. Maßgebend war zunächst, daß einzelne
Statuen oder Reliefs anr Lettner, der Ehorbrüstung u. s. w.
angebracht wurden, die nreist zienrlich nahe denr Auge des
Beschauers die Figur nicht mehr als bloßes Dekorations-
stück erscheinen lassen, sondern ihr eine selbständige Be-
deutung cinräunren, dies begründet denn auch — zumal
diese Figuren häufig dreiviertel oder ganz lebensgroß aus-
geführt wurden — den bedeutendsten Fortschritt der Plastik
im so. Jahrhundert, nämlich die feinere Durchführung, das
bessere Berständniß der menschlichen Figur und damit den
Beginn jener organischen Bewegung zum inneren Leben
derselben.
Diesen Fortschritt zeigt klar ein Bergleich der lebensgroßen
Steinfigur Christi aus der ersten Hälfte des so. Jahrhunderts,
(Abb. im bayerischen National-Museum, die aus dem
Benediktinerkloster Reichenbach in der Gberpfalz stammt,
mit jener Figur Christi von St. Emmeram aus der Mitte
des s s. Jahrhunderts. Das Motiv ist bei den Figuren
das gleiche, aber gerade dadurch wird der Fortschritt in der
Figur des s3. Jahrhunderts recht klar: sie wagt es, den
Kopf frei zu erheben, Arme und Hände lösen sich vom
Körper, der Kops ist sorgfältig modellirt, die Füße sind'
besser durchgebildet, beachtenswerth ist zumal bei den Beinen
die richtige Betonung der durch das Gewand bedeckten
Körpertheile. Das Gewand selbst zeigt den Fortschritt anr
deutlichsten. Mährend früher der Murf des Mantels durch
die meist parallelen Falten nur angedeutet war, ist er hier
selbständig durchdacht, nach der Natur studirt und wirklich
plastisch mit tief gearbeiteten Falten ausgeführt. Mährend
jene älteren Figuren in das Gewand eingewickelt, durch
5. Maria in St. Jakob zu Regensburg.
Nach der Mitte des HH. Jahrhunderts.
dasselbe in jeder freien Bewegung behindert waren, so ist
hier der Mantel nur umgelegt, er hindert nicht die Bewegung,
sondern begleitet sie und verleiht dadurch dem Leben in der
Figur erst rechten Ausdruck.
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Bauer mit seinem Leiterwagen, der einst neben dem Portal
zu Münchsmünster angebracht war. Mie der Künstler dem
Borbilde der Natur zu folgen versuchte, dafür sind die
portraite des Friedrich Barbarossa ain Portale des Freisinger
q.. Christusstatue aus Reichenbach.
Jetzt im National-Museum zu München. Erste Hälfte des Jahrhunderts.
Domes und im Kreuzgang von St. Zeno höchst charakteristisch;
durch ihre Uebereinstimmuna, sowie durch die mit anderen
Bildnissen des Kaisers steht die Absicht fest, eine bestimnrte
Persönlichkeit wiederzugeben, und dainit ist selbstredend das
Streben verbunden, möglichst genau dem Borbild, d. h. der
Natur zu folgen. Die feinen Züge, die den persönlichen
Charakter des Kopfes bedingen, dürfen wir auf dieser Ent-
wicklungsstufe der Kunst natürlich noch nicht erwarten, es
fehlte noch ebenso die feine Beobachtung, sie zu erfassen wie
die technische Fertigkeit, sie wiederzugeben; aber gewisse
äußerliche Merkmale werden festgehalten, die jedem ins
Auge springen und mit denen auch das Kind die Charakteristik
des Portraits beginnt, wie hier der spitzzulaufende Bollbart
und der Schnurrbart. Gerade die Portraitplastik war einer
der wichtigsten Faktoren für die Entwicklung des Naturalis-
mus inr Mittelalter, vor allein natürlich durch die Grab-
plastik, wo man in dem oft schon zu Lebzeiten des Inhabers
des Grabes gefertigten Relief dessen Portrait dargestellt
wünschte; in den bayerischen Landen ist die älteste Relief-
figur eines Grabmales, in der wir sicher ein Portrait haben,
der Grabstein des Vtto Seemoser inr Dom zu Freising aus
der Mitte des f3. Jahrhunderts.
Aus der untergeordneten, dekorativeir Stellung, welche
die Plastik inr \2. Jahrhundert einnahm, befreit sie sich
im s3. Jahrhundert. Maßgebend war zunächst, daß einzelne
Statuen oder Reliefs anr Lettner, der Ehorbrüstung u. s. w.
angebracht wurden, die nreist zienrlich nahe denr Auge des
Beschauers die Figur nicht mehr als bloßes Dekorations-
stück erscheinen lassen, sondern ihr eine selbständige Be-
deutung cinräunren, dies begründet denn auch — zumal
diese Figuren häufig dreiviertel oder ganz lebensgroß aus-
geführt wurden — den bedeutendsten Fortschritt der Plastik
im so. Jahrhundert, nämlich die feinere Durchführung, das
bessere Berständniß der menschlichen Figur und damit den
Beginn jener organischen Bewegung zum inneren Leben
derselben.
Diesen Fortschritt zeigt klar ein Bergleich der lebensgroßen
Steinfigur Christi aus der ersten Hälfte des so. Jahrhunderts,
(Abb. im bayerischen National-Museum, die aus dem
Benediktinerkloster Reichenbach in der Gberpfalz stammt,
mit jener Figur Christi von St. Emmeram aus der Mitte
des s s. Jahrhunderts. Das Motiv ist bei den Figuren
das gleiche, aber gerade dadurch wird der Fortschritt in der
Figur des s3. Jahrhunderts recht klar: sie wagt es, den
Kopf frei zu erheben, Arme und Hände lösen sich vom
Körper, der Kops ist sorgfältig modellirt, die Füße sind'
besser durchgebildet, beachtenswerth ist zumal bei den Beinen
die richtige Betonung der durch das Gewand bedeckten
Körpertheile. Das Gewand selbst zeigt den Fortschritt anr
deutlichsten. Mährend früher der Murf des Mantels durch
die meist parallelen Falten nur angedeutet war, ist er hier
selbständig durchdacht, nach der Natur studirt und wirklich
plastisch mit tief gearbeiteten Falten ausgeführt. Mährend
jene älteren Figuren in das Gewand eingewickelt, durch
5. Maria in St. Jakob zu Regensburg.
Nach der Mitte des HH. Jahrhunderts.
dasselbe in jeder freien Bewegung behindert waren, so ist
hier der Mantel nur umgelegt, er hindert nicht die Bewegung,
sondern begleitet sie und verleiht dadurch dem Leben in der
Figur erst rechten Ausdruck.
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