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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 7/8
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Mayr von Gg: Das Kunstgewerbe und das tägliche Leben: Vortrag, gehalten im bayer. Kunstgewerbe-Verein am 4. März
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0049
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-4- 85

sätzen der feineren, werthvolleren Arbeitsbethätigung und
damit in vielen Fällen auch der kunstgewerblichen Zuthat,
im Ganzen einen höheren Schutz gewährt.

Diese Schwierigkeit, in der unendlichen Masse der
durch die Gewerbsthätigkeit ununterbrochen aus den Markt
gebrachten Gegenstände die scharfe Scheidung der kunst-
gewerblichen und der nichtkunstgewerblichen Gegenstände zur
Durchführung zu bringen, hat ihren letzten Grund ini
Wesen des Kunstgewerbes selbst. Dieses bezeichnet keines-
wegs eine nach Arbeitsstoff und Technik abgegrenzte Gruppe
gewerblichen Schaffens; das Kunstgewerbe ist nur eine
besondere Erscheinungsform des Gewerbes
überhaupt, es ist eine Veredlung desselben
durch einen mächtigen Strom künstlerischen
Empfindens und Könnens, welcher ohne Be-
schränkung aus bestimmte Werkstätten und
bestimmte Waarengruppen das gesammte
Thun und Treiben durchzieht, welches die
Beschaffung aller im menschlichen Leben be-
gehrten Gebrauchsgegenstände bezweckt.

Kann man die Produkte nichtohne Weiteres
in solche, die kunstgewerblich sind, und in solche,
die es nicht sind, unterscheiden, so findet man
begreiflicher Weise ähnliche Schwierigkeiten,
wenn man daran gehen will, die Betriebs-
stätten, in welchen die Produkte hergestellt
werden, nach denr in Frage stehenden Ge-
sichtspunkt zu sortiren. Doch sind hier die
Verhältnisse iinmcrhin etwas anders gelagert.

Erschwert wird die Unterscheidung im vor-
liegenden Fall noch dadurch, daß zweifellos
sehr häufig in derselben Betriebsstätte sowohl
kunstgewerbliche Gegenstände, als auch solche
hergestellt werden, die es ganz und gar nicht
sind. Andererseits gibt es auch ganze Gruppen
von Industriezweigen, bei welchen nach der
Natur der technischen Aufgabe jede
kunstgewerbliche Anwandlung aus-
geschlossen ist, während es anderer-
seits wieder einzelne Industriezweige
und innerhalb dieser wieder einzelne
Etablissements gibt, welche den
Stempel kunstgewerblichen Schaffens
tragen. In den Massenzahlen der
Statistik geht leider das individuell
kunstgewerbliche Gepräge, welches
der einzelne gottbegnadete Meister
gewerblichen Schaffens seinen Werken ausprägt, unter. Wir
suchen deßhalb ähnlich wie im Waarenverzeichniß nach
den kunstgewerblichen Artikeln so in der Gewerbestatistik uns
vergeblich nach einer vollständigen Aufzählung speziell der
kunstgewerblichen Betriebsstätten um. In einer Hinsicht aber
sind wir doch bei der Gewerbestatistik noch besser daran
als beim waarenverzeichniß. Ls gibt nämlich neben künst-
lerischer Gewerbsthätigkeit, die in ihrer Durchführung zur
felbständigen Fertigstellung künstlerischer und kunstgewerblicher
Produkte führt, auch noch eine Anzahl von künstlerischen
Hilfsgewerben, welche für sich allein den Wendepunkt eines
kunstgewerblichen Produktes nicht abschließen sondern in ge-
werbliche Thätigkeit verschiedener Art eingreifen, durch die

Häufigkeit ihrer Vertretung aber immerhin einigen Rück
schluß. aus das Blaß künstlerischer Zuthat bei dem gewerb-
lichen Schaffen gestatten. In der Gewerbestatistik faßt man
diese beiden Gruppen, als deren Vertreter beispielsweise einer-
seits Bildhauerei und Kunstmalerei, andererseits das Gewerbe
der Liseleure, Graveure, Modelleure, Zeichner angesehen
werden mag, unter dem Gesammtbegriff der „Künst-
lerisch en Gewerbe" zusammen. So ist es bei der jüngsten
mit der Berufszählung vom 5. Juni \882 im Deutschen
Reich durchgeführten umfassenden Gewerbestatistik geschehen,
die eine Fülle interessanter Nachweise geliefert hat, welche
wegen der Vielgliedrigkeit und Mannigfaltig-
keit des Materials in weiteren Kreisen eigent-
lich wenig bekannt geworden sind. Diese
„Künstlerischen Gewerbe" der Gewerbe-
statistik sind weit davon entfernt, sich mit dein
„Kunstgewerbe" zu decken, sie umfassen
thatsächlich nur einen kleinen Theil desselben,
andererseits aber greifen sie auch, wie die an-
geführten Beispiele zeigen, über den Rahmen
des Gewerbes hinaus in das Gebiet der
zweifellos reinen sich Selbstzweck seienden
Kunst. Immerhin aber ist doch die Ver-
tretung der „künstlerischen Gewerbe" sympto-
matisch von Interesse, und wir wollen uns
nachher die auf dieselben bezüglichen haupt-
zahlen der Gewerbestatistik in großen Zügen
ansehen.

Vorher aber wollen wir noch eine Streife
durch die anderen Gruppen der Gewerbestatistik
veranstalten und dabei zuerst jene Gewerbs-
zweige ausscheiden, welche für das Kunst-
gewerbe gar nicht oder fast gar nicht in Be-
tracht konrmen, dann jene, bei welchen solches
geringerem und in stärkerem Maße der
Fall ist.

Zur Einleitung aber diene
eine so kurz als möglich ge-
faßte Ueberschau der großen
Zahlen, welche uns über die
Bedeutung der gewerblichen
Thätigkeit aller Art in: Deut
fchen Reich unterrichten.

Nach der Gewerbestatistik
von 4882 sind gewerbliche Be-
triebe aller Art in der Ge-
sammtzahl von 5,609,80 s

nachzuweisen, davon sind sogenannte Alleinbetriebe 2,423,049
und Betriebe mit Gehülfen u. s. w. {86,752. Bloße
Nebenbetriebe neben anderweitiger hauptsächlicher Berufs-
thätigkeit waren von den Alleinbetrieben 545,\7(t von den
Gehilfenbetrieben 5ty,\67. Es verbleiben hienach 4,822,872
Hauptbetriebe, welche von Nnternehmern ohne Beihilfe und
4,427,585 Hauptbetriebe, welche mit Beihilfe betrieben
werden. Das gesammte Personal der Betriebe beider Art
stellt die stattliche Zahl von 2,340,289 Personen dar; werden
nur die Gehülfeubetriebe in Betracht gezogen, so verbleiben
5,462,9s2 Personen.

Eine exakte Antwort aus die Frage, wie viel Personen
von den 2 y, Millionen kunstgewerblich thätig sind, kann

7. Airchenleuchter.

Silber, zum Theile vergoldet. Deutsche Arbeit des J5. Jahrhunderts.
Höhe 0,^70 m. Durchmesser des Fusses 0,290 m.

V
 
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