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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 9/10
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Groth, Paul von: Ueber den Bernstein von P. Groth
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0056
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Handelsstädten Brügge, Lübeck, Danzig, Königsberg u. a.
entstanden im sä. und s6. Jahrhundert Bernsteindreher-
zünste (Paternostermacher); der Handel mit den fertigen
Bernsteinwaaren blühte besonders in Venedig, Frankfurt a. 2TL,
Köln und Nürnberg. Als der Orden einen großen Theil
seiner Besitzungen an Polen verlor, erlangten diese Ländereien
das Recht, auf ihrem Grund und Boden nach Bernstein
zu graben, und dieses Recht ist in gewissen Gegenden zur
Zeit noch vorhanden. Hiervon später, wenn von der Art
der Gewinnung des Bernsteins die Rede fein wird. Zu-
nächst wollen wir uns jetzt der Beantwortung der Frage
zuwenden, was der Bernstein ist und wie er entstand.

Zn der sogenannten Tertiärperiode wucherte auf einem
an Stelle der jetzigen Ostsee befindlichen Festlande eine
reiche Nrwaldflora, zu welcher eine unserer Fichte und
Kiefer sehr ähnliche Tonifere gehörte, deren Harz der
Bernstein bildet und die daher den Namen „Bernstein-
fichte" erhalten hat. Aus dem Urwaldboden, der unter
das Meer versenkt wurde, sind die Harzknollen von den

Germanische Halskette aus Bernstein

(k. Nationalmuseum in München) ; wenig verkleinert.

Mellen aufgewühlt und in einer thonigen Sandschicht, der
sogenannten „blauen Erde" abgelagert worden. Diese ist
später zum Theil wieder zerstört und dadurch der Bernstein
in den Diluvialsanden der ganzen norddeutschen Ebene zer-
streut worden. So fand man zufällig bei Ausgrabungen
zum Zwecke der Fundirung von Bauten in Berlin einzelne
sehr große Stücke; bei Frankfurt a. ®. existirt ein Ort
Bernstein, der seinen Namen wohl von häufigen Funden
unseres Minerals erhielt.

Nach der sogenannten Diluvialzeit bildete sich erst das
jetzige Ostseebecken und nahm das Land allmählich die
heutige Gestalt an. Diese ist aber eine fortwährend wechselnde,
denn ununterbrochen wird die Küste vom Master fortgespült
und deren Material an anderen Stellen wieder abgelagert.
So wurde auch in der jetzigen Periode noch vielfach Bern-
stein aus dem Boden ausgespült und gelangte auf den
Grund der Ostsee, von wo er nach jeden: nach der Küste
gerichteten Sturme, untermischt mit Seegewächsen, als soge-
nannter Strandsegen ausgeworfen wird. Die Menge des-

selben ist so bedeutend, daß er jedenfalls nicht nur von der
Zerwaschung der Küste stammen kann, sondern auch von
derjenigen des Meeresgrundes, an welchem sich, wie nach-
gewiesen, die Schichten der blauen Erde noch weit fort-
setzen. Da der Bernstein nur wenig schwerer als Master
ist, so erhält er sich im Gemenge mit Pflanzen, Holz-
stückchen u. s. w., einige Zeit an der Mberfläche. Zu seiner
Gewinnung wird das „Bernsteinkraut" von Fischern, welche
in die Brandung gehen, geschöpft, d. h. mit Netzen und
Käschern gefischt und am Äser von Meibern und Kindern
ausgelesen. Mird die See wieder ruhig, so sinken die Stücke
zu Boden, von wo sie oft auch noch durch „Stechen" ge-
wonnen wurden, indem man bei ganz ruhiger See von
Booten aus dieselben mit langen Kratzen in vorgehaltene
Netze brachte. Ehe Menschen den an den Strand geworfenen
Bernstein sammelten, führte ihn theils das Meer wieder
fort, theils an besonders geschützten Stellen häufte er
sich immer mehr an und so entstanden Bernsteinlager, wie
im Memeldelta, wo die ersten Gräbereien der Firma
Stantien und Becker waren, u. a. O., ferner am
Grunde des Kurischen Hasts, wo er jetzt im Großen durch
Bagger gewonnen wird.

Damit sind wir nun zu den neueren Gewinnungs-
methoden unseres Minerals gelangt, welche wesentlich durch
das Eintreten der Großindustrie bedingt sind. Der Bern-
stein ist in Mestpreußen Eigenthum des Staates, soweit
er in der Ostsee gefischt oder am Strande gefunden wird,
während innerhalb des Landes jeder Grundbesitzer berechtigt
ist, auf seinem Grunde nach Bernstein zu graben. Bei
Danzig wurden z. B. diluviale, also secundäre Lager von
Bernstein lange Zeit mit Erfolg ausgebeutet. Zn Ost-
preußen dagegen, der eigentlichen Heimath der Bernstein
führenden Schichten, ist derselbe nicht blos regal, wenn er
in der Ostsee, am Strande, im Frischen oder Kurischen Hast
gefunden wird, sondern auch der in: Binnenlande vor-
kommendc. Nachdem der Staat früher sein Regal selbst
ausgeübt hatte, wurde das Recht der Bernsteingewinnung
an Unternehmer, später an die Tommunen verpachtet. Nach
und nach entstanden zahlreiche Ausgrabungen, von welchen
diejenigen an der Küste an solchen Stellen, wo die blaue
Erde nicht unter dem Niveau des Masters lag, sogar bis
zu dieser gelangten und reiche Erträge lieferten, während
diejenigen, welche sich auf die stellenweise sehr mächtigen
auflagernden Schichten beschränkten, wegen des zufälligen
und unregelmäßigen Vorkommens oft die Kosten nicht
deckten, während die großen Ausgrabungen der Oberfläche
natürlich viele Unzuträglichkeiten für das Land mit sich
brachten. Als man durch Bohrungen und geologische Unter-
suchungen erkannt hatte, daß die eigentliche Bernstein
führende Schicht die tiefer liegende blaue Erde sei, führte
man die Ausgrabungen bis zu dieser herab. Da man
damit aber unter das Meeresniveau hinabgelangte, so drang
das Master in den Tagebau und machte oft die Gewinnungs-
arbeiten unmöglich.

So zeigte sich, daß die Gewinnung nur dann rationell
betrieben werden könne, wenn sie vom Großkapital in die
Hand genommen würde, und das ist nun seit Beginn der
sechziger Zahre geschehen und wurde wegen der ganz ver-
schiedenen Art der Gewinnung auch (867 das Recht, nach
Bernstein zu graben, ganz getrennt von der Gewinnung
 
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