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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 11/12
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Gmelin, L.: Die Mittelalterliche Goldschmiedekunst in den Abruzzen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0068
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viele Geschenke, besonders an die Kirchen?) Welcher Her-
kunft diese Geschenke, unter denen sich gewiß auch silberne
Kirchengeräthe befanden, waren, wird nicht berichtet; wenn
auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß dieselben
in Solmona gefertigt waren, so ist doch dabei nicht zu
übersehen, daß der König außer durch seine in Neapel
ansässigen französischen Goldschmiede (siehe S. sh) damals
noch Vieles in der Provence fertigen ließ* 2 *) und daß über-
haupt die Bedeutung der Solmoneser Goldschmiedekunst zu
jener Zeit — namentlich infolge der politischen Verhältnisse —
wahrscheinlich noch keine sehr hohe war. Da Solmona in
den zahllosen Kämpfen des folgenden Jahrhunderts stets
treu zu dem nunmehr rechtmäßig regierenden Haus Anjou
hielt, so begann die Stadt nach und nach unter der Fürsorge
der Herrscher wieder auszublühen. Von (3((7 an durften
die Solmoneser Bürger von keinem andern als ihrem
eigenen capitano abgeurtheilt werden; 8) König Karl III.
erlaubte der Stadt die Ausprägung von Silber- und
Kupfermünzen mit seinem Bildniß4 * 6 7) und bestätigte den schon
früher bestandenen Schutzzoll, speziell auch den aus „ver-
arbeitetes Erz oder Kupfer." °) Er wohnte sehr viel in
Solmona und zog einen bedeutenden Solmoneser Rechts-
gelehrten — Gentile de Alerolinis — an seinen ffof, was
von hervorragendem Einfluß auf die wohlwollenden Ge-
sinnungen seines Sohnes war, welche derselbe später als
König Ladislaus der Stadt Solmona gegenüber durch
Wiederverleihung des Stadtwappens,°) durch Beschenkung
von Kirchen mit Paramenten und Gerüchen?) u. s. w. an den
Tag legte.

Nach dem Tod dieses Königs ((H(H) begannen heftige
innere Parteikämpfe die Stadt zu zerrütten, und die
Arragonefen bekümmerten sich zu wenig um dieselbe, als
daß eine fortdauernde Blüthe möglich gewesen wäre. Wir
erfahren wohl, daß Ferdinand I. alte Privilegien bestätigte 8)
und daß er seiner Frau Zohanna den Titel einer »princi-
pessa di Solmona« verlieh; 9) daß aber einer der Könige
jemals längern Aufenthalt hier genommen hätte, wie dieß
von Karl III. und Ladislaus berichtet wird, davon ver-
lautet Nichts. Und gerade diese auf längere Zeit wiederholt
erfolgte Verlegung des Hoflagers war ohne Zweifel mit
ein Grund zu der im (ch Zahrhundert vorbereiteten Blüthe
der Goldschmiedekunst zu Solmona. Denn nicht
nur war der Pos natürlich selbst ein wichtiger Lonsument
von Goldschmiedearbeiten, sondern er erhöhte auch indirekt
den Umsatz der Goldschmiede dadurch, daß er viele Besitzer
benachbarter Schlösser veranlaßte, ihren Wohnsitz nach

*) Di Pietro, Memorie storiche della Citta di Solmona. Napoli
MDCCCIV 195 ff. (Im folgenden wird dieses Werk stets zitirt:
»Di Pietro, Citta.«)

2) Minieri Riccio, Saggio di cod. dipl., Napoli 1882. Suppl.
II, 94. Urkunde aus dem Jahr ^ 295.

8) Faraglia, cod. diplom., Urkunde CUVII, vom 22. Juni (347.

4) Die genaue Gründungszeit ist nicht bekannt; wahrscheinlich

gewährte Karl III. das Münzrecht der Stadt Solinona während seines
Krieges mit Ludwig von Anjou; s. Lazari, Zecche e Monete degli
Abruzzi nei bassi tempi. Venezia 1858, 94.

6) Faraglia, cod. dipl., Urkunden CXXXI (Nr. (4), CXLIII
(Nr. 50) und CXLIV.

°) Faraglia, cod. dipl., Urkunde CCXI v. I. (4(0.

7) Faraglia, cod. dipl., Urkunde CXCV1I vom 23. Sept. (392.

8) Faraglia, cod. dipl., Urkunde CCFXXI1I vom 2J. Juni (465.

9) Faraglia, a. a. ©. Urkunden CCLXXX1V itnb CCLXXXVI.

Solmona zu verlegen; denn der Bedarf an Tisch- und
anderem profanen Geräthe aus Edelmetall war damals ein
viel größerer als man aus den wenigen, iit unsere Zeit
herübergeretteten Resten schließen könnte. 4) — Auch die
Aussöhnung der Stadt mit der Kirche, welcher dieselbe
zur Hohenstaufenzeit feindlich gegenüber stand, mag die
Goldschmiedekunst gefördert haben, indem die Vertreter
der Kirche mit den Einwohnern der Stadt in ein freund-
licheres Verhältniß traten. Von großen: Einfluß war
hierin Papst Toelestin V.; der Verehrung dieses Mannes
gab die Stadt damit Ausdruck, daß sie fein Bildniß noch
lange nach seinem Tode auf den unter Karl III. und
Ladislaus geprägten Münzen anbrachte p) den Gipfelpunkt
erreichte dieses gute Einvernehmen, als ein Solmonese,
— Tosmato Meliorato — als Znnocenz VII. den päpst-
lichen Thron bestieg, am (7. Oktober (((O^. Dieser Zeit-
punkt fällt sehr nahe zusammen mit der höchsten Blüthezeit
der einheimischen Goldschmiedekunst, und es ist bezeichnend,
daß noch heute die bedeutendsten Silberarbeiten, welche
sich in den dortigen Kirchen befinden, traditionell als
Geschenke jenes Papstes ausgegeben werden. Urkundlich
erwiesen ist nur, daß derselbe der Kathedrale von Solmona
eine mit perlen und Steinen reich verzierte Mitra geschenkt
hat, welche noch zu Beginn dieses Jahrhunderts vor-
handen war?)

Nachdem die Gunst des Hofes zu Neapel mit den
Anjou's erloschen war, hatte das blühende Kunstgewerbe
Solmona's seinen hauptsächlichsten Halt verloren. Dazu
kam, daß im Anfang des (5. Jahrhunderts die Partei-
kämpfe zwischen den Merlini und den Auadrari begannen,
welche an dem Wohlstand der Stadt rüttelten; schon die
Kriege nach außen hatten die Reichthümer und Einwohner
der Stadt stark vermindert, so daß z. B. Johanna II. im
Jahre (H3( derselben an Steuern und anderen Auflagen
von 300 Dukaten (00 nachließ.4) Dazu kamen heftige
Erdbeben ((((5(( und (((56) und Belagerungen s(((60 und
(((62) wobei überdieß die Stadt dem Eroberer — Herzog
Renatus von Lothringen — 5000 Golddukaten zahlen
mußte; schließlich mag auch der Pest, welche (((7st und
(d9^) wüthete, ein Theil der Schuld an dem raschen
Niedergang der Goldschmiedekunst zugemessen werden. Was
uns aus dem (6. und den folgenden Jahrhunderten an
Arbeiten oder literarischen Notizen übrig ist, weist daraus
hin, daß damals in Solmona bedeutendere Metall-Arbeiten
mehr nur in Kupfer und Bronze, seltener in Silber oder
Gold gefertigt wurden. Die Zeit der spanischen Vicekönige
((503—(707) war freilich wenig danach angethan, den
Verfall des Landes und seiner Gewerbszweige aufzuhalten,
und da auch das Münzrecht der Stadt Solmona nach

*) Di Pietro, Citta 238. — Profanes Silbergeräth anfgezählt
bei Riccio, cod. dipl., suppl. S. (0(, Testament der Königin
Maria, (326.

2) Di Pietro, Memorie storiche degli Uomini illustri della
Citta di Sulmona, (Aquila MDCCCVI). 42. (Im folgenden wird
dieses Werk citirt: »Di Pietro, Uora.<)

*) Faraglia, cod. dipl., Urkunde CCVI vom 5. ©ft. (404. —
Di Pietro, Cittä 240.

4) Faraglia, a. a. ©. Urkunde CCXLIII v. 29. Sept. (45(.

6) Minieri-Riccio, Biblioteca storico-topogr. degli Abruzzi,
bei N. ((2(. Dieses Werk enthält zahlreiche Literaturnachweise über
alles auf die Abruzzen Bezügliche.
 
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