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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 11/12
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Gmelin, L.: Die Mittelalterliche Goldschmiedekunst in den Abruzzen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0073
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Um die Frage zu lösen, ob die Silberarbeiten aus
Solmona wirklich den von Kaiser Friedrich vorgeschriebenen
Feingehalt besitzen, ließ ich ein kleines Stückchen einer solchen
Silberarbeit, welches mir Herr Antiquar Drey jun., zu
diesem Zwecke freundlichst zur Verfügung stellte,^ durch
die königliche Münze auf seinen Feingehalt prüfen. Die
Untersuchung hatte das überraschende Ergebniß,
daß in der That das untersuchte Stück fast genau
jenen Vorschriften entspricht; es hält bei (000
Gramm an Feinsilber 925 Gramm. Märe der Feingehalt
9(2 Gramm, so fände eine vollkommene Uebereinstim-
mung statt; die geringe Differenz von 8 Gramm kommt
nicht in Betracht. Mir dürfen daraus wohl den Schluß
ziehen, daß die speziellen Solmoneser Bestiminungen über
den Feingehalt auf jenen Vorschriften Friedrichs II. fußten.

Ist aus obiger Vorschrift, wie gesagt, auch nicht direkt
zu entnehmen, daß ein Befchauzeichen schon damals ein-
geführt worden ist, so läßt sich doch auch die Einführung
desselben nicht ganz von der Hand weisen, da sie namentlich
in Städten, in welchen viele Edelmetallarbeiten gefertigt
wurden, sich bald als nothwendig herausgestellt haben muß.
Da nun die ältesten mit der Marke der Stadt Solinona
bczeichneten Arbeiten stilistisch eher vor als nach (250
zu setzen sind, so erscheint cs nicht unmöglich, daß diese
Marke überhaupt die älteste Goldschmiedmarke
darstellt und daß deren Einführung auf jene Verordnung
zurückzuführen ist. Es wird Aufgabe der Lokalforschung
sein, diese Frage endgiltig zu lösen. Es darf nicht be-
fremden, daß bei einem Stücke (Nr. q), welches inschriftlich
als Solmoneser Arbeit ausdrücklich bezeichnet ist, kein Be-
fchauzeichcn vorhanden ist; es handelt sich in diesem Fall
um eine Arbeit, welche iin Auftrag eines Kirchenfürsten
gefertigt wurde, wobei der ausführende Künstler direkt im
fürstlichen Auftrag arbeitete und wohl sonnt außerhalb der
Zunftgesetze stand, wie dieß z. B. von deutschen Meistern,
beziehungsweise deren Arbeiten erwiesen ist?)

Die Form des Beschauzeichens wechselte im Laufe der
Jahrhunderte; soweit die einzelnen damit versehenen Stücke
nur bekannt geworden sind, unterscheide ich die folgenden:s)

älteste Marke, (3. Jahrh. bis
Mitte (*(. Jahrh.

Mitte des (H. Jahrh. bis (4(06.

(4(06 — Mitte des (5. Jahrh. (?)

Mitte des (5. Jahrhundts, bis ?
(letzte Marke?)

(?) ?

9 von der auf s. dargestellten Kantenblech des auseinander-
genonnnenen Kreuzes, Nr. 2 des unten folgenden Verzeichnisses.

9 vgl. Rosenberg, Merkzeichen; z. B. S. 576, Anton Lisen-
hoit. — vielleicht verhält es stch ähnlich mit dem Kreuz aus Rosciolo
(S. (48), welches mit den gleichzeitigen Solmoneser Arbeiten einige
Verwandtschaft hat, aber vielleicht deswegen kein Befchauzeichen trägt,
weil es im Auftrag eines Kirchenfürsten aus dem lhaufe Orsini
(wie Wappen und Inschrift besagen) gefertigt worden.

9 Die Marken sind nach dem Vorgänge Rosenbergs in doppelter
Größe gegeben; die Lliches Nr. 4 und 5 wurden freundlichst vom

Marke (
Marke 2

Marke 3

Marke 4(

Marke 5

W

CSD

Zur Begründung dieser Zeitbestinnnung sei zunächst
bemerkt, daß bei Marke Nr. 3 ein sicherer Anhaltspunkt
für dieselbe vorliegt, indem ein Reliquiarium in Solmona
(Nr. 9 des später folgenden Verzeichnisses), welches die
Jahreszahl (4(50 trägt, mit jener Marke versehen ist; da ein
anderes Reliquiar (Nr. (0) mit dem genannten außer der
Marke auch noch den (umgekehrten) Buchstaben K gemein
hat (s. d. Abbildung auf S. 1(3), der Kelch zu 3. Panfilo
(Nr. (() aber letzterem in der Ornamentik ähnlich sieht, fo
müssen für beide Stücke — somit auch die jDatena Nr. ((2)
annähernd gleiche Entstehungszeiten — also etwa das
zweite viertel des XV. Jahrhunderts — angenommen
werden. Dieß wird bestätigt durch die in Solmona um
die gleiche Zeit auftretende Steinornamentik, wie sie z. B.
an einem prächtigen Fenster des Palazzo Tabassi v. J. (4(4(9
vorkommt — vgl. die Abbildung S. (4((?)

Die wenig von Marke 3 abweichende Marke 2 kommt
an Stücken vor, deren figuraler und ornanientaler Eharakter

— soweit mir derselbe durch Beschreibungen oder Ab-
bildungen bekannt ist — auf die Zeit von (34(0 bis Ende des
XIV. Jahrhunderts Hinweisen; unterstützt wird diese Muth-
maßung zum Theil durch das Kreuz aus Rosciolo (S. (4(8),
welches die Jahreszahl (534( trägt und dessen naturalisirendes
Laubornainent mit jenem auf Nr. 6 viel Aehnlichkeit hat.
Aus der großen Aehnlichkeit, welche zwischen Marke 2 und
Marke 3 besteht — sie unterscheiden sich hauptsächtich durch
eine kleine Verschiedenheit des Abstandes der beiden unteren
Punkte und durch die Gesammtform — kann inan den Schluß
ziehen, daß die Erneuerung des Stempels infolge des
Erlasses des Königs Ladislaus (1^06) in der That gemäß
dem vorher benutzten Stempel erfolgt ist.2)

Marke ( findet sich an dem Bruchstück eines Kreuzes
(S. (36, Nr. 2), welches die mit Marke 2 versehenen an
Alterthümlichkeit entschieden übertrifft und welches wohl
noch dein XIII. Jahrhundert angehört; die Marke eines
andern, noch älteren Kreuzes (Nr. () ist auf der Zeichnung
nicht deutlich genug aiigegeben, um mit Marke ( identifizirt
werden zu können. Jedenfalls darf Marke ( vorerst als
die älteste Form des Beschauzeichens voii Solmona an-
gesehen werden. — Andrerseits kommt Marke ^ an einer
Hostienbüchse (Nr. (5) vor, welche u. A. eine Inschrift in
gothischer (Minuskel-)Bandschrift trägt, welche wenigstens
in Italien nicht vor (4(50 angenoiiiinen werden kann; daß
dieselbe Marke an den Kelch (S. (4(2, Nr. (4() vorkommt,
steht damit nicht im Widerspruch. Das späteste durch Be-
schreibung liiir bekaniit gewordene Stück mit dieser Marke
scheint das Kreuz (Nr. (7) aus der Zeit um (500 zu sein.

— Welche Bewandtniß es mit Marke 5 hat, konnte nicht * 9

Verleger des Rosenberg'fchen Buches (Heinrich Keller, Frankfurt a/M.)
über die „Merkzeichen", in welchen dieselben noch nicht aufgenommen
sind, zum Abdrucke überlassen.

9 Line Abbildung des ganzen Fensters ist auf S. 625 der
„Deutschen Bauzeitung" (889 veröffentlicht; das auf S. (4; gegebene
Bruchstück daraus ist der gleichen Originalzeichnung entnommen.

9 Piccirilli (Riv. Abr., S. 420, Knill. 2) will aus der etwas
mangelhaften Ausprägung der Marke bei Nr. ;; und Nr. \2 schließen,
daß diese Stücke mit dein beschädigten Stempel gezeichnet worden sind;
damit ließe sich allerdings die Annahme vereinigen, daß dieselben von
Iunocenz VII. geschenkt worden seien. Dieser frühen Zeit, die
ich selbst anfänglich angenommen hatte, widerspricht aber das figür-
liche Detail des Kelchs (Nr. ;;).
 
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