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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Editor]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 1) — Dresden, Leipzig, 1837

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https://doi.org/10.11588/diglit.5484#0245

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175

Wenigstens berichtet der als Augenzeuge weit richtiger als seine
spätem Landsleute hierüber urllieilende Herodot *) ausdrücklich,
man habe diese Brandmale und Narben für ein Ehrenzeichen und
ihre Menge für einen Beweis der yornehniern Abstammung gehal-
len. Aber der spätere Grieche fand diefs so thöricht und unbe-
greiflich, dafs er lieber zu einem frommen Mährchen seine Zu-
flucht nahm und das Ganze in das verschönernde Gewand einer
Fabel einkleidete. Mau wußte die Erzählungen von dem tragi-
schen Ende des Orpheus auf eine ganz unerwartete Weise zu die-
ser Absicht zu benutzen. Den Mord dieses berühmten Ehestauds-
mürtyrers, wo die ciconischen Mütter

Unter dem Götterfest, im nächtlichen Taumel des Bacchus,

Weit den zerrissenen Jüngling umher durch die Felder verstreuten **),

rächten die thrazisehen Männer an ihren tollen Weibern durch jene
Schimpflichen Brandmale, und diese empfindliche Züchtigung dauerte
bis auf die späteste Nachkommenschaft fort. So lautete die allge-
meine Sage unter den Griechen, die selbst Plntarcb in seiner mo-
ralischen Bufseriuahnung von der strafenden Laugmnlh der Götter
zwar mit Mifsbillignng der Sache selbst, aber doch ohne das ge-
ringste Mifstiaucu in ihre Wahrheit, anführt ***),

Nach diesem Allen wird es Niemand wunderbar finden, wenn
ich behaupte, dafs es den Griechen hei ihrer völligen Unbekannt-
schaft mit der Allgemeinheit und dem Ursprung jener Sitte kaum
in den Sinn kommen konnte, das Wunderbare, das auch sie in
den einäugigen Cyclopen und Arimaspeu finden mufsten, gerade hier-
aus zu erklären.

Es würde leicht sein, diese Spuren auch noch in andere Ge-
filde des Altcrlhums zu verfolgen. Jener vom weichlichen Orient
auch über die Griechen und Römer verbreitete und bis zum üppig-
_ steu Sinnenkitzel verfeinerte Gehrauch, mit wohlriechenden und bal-
samischen Essenzen jeden Theil des Körpers bis auf die Augen-
brauen und Fufszehen einzusalben, jene Verschönerungsmittel der
rofh.cn, weifsen und schwarzen Schminke hei den pulzsüchtigeu Grie-
chinnen, über 'welche die witzigsten Schriftsteller jenes Volkes den
beifsendsten Spott ausgegossen und sogar die sträfliche Vorliehe für
ihr eigenes Geschlecht damit entschuldigt haben, würden vieUeiclit

*) V, e.

**) Vofs, Virgil's Georg. IV, 520.

.***) Wyttenbach hat in seinem Commentar zu diesem Buche des PIu-
tarch, de sera numinis vindieta p. 67 f. alle Stellen der Alten ge-
sammelt, die hiervon handeln, auch das merkwürdige Fragment
des Dichters Phanokles, Man vergleiche auch Valois zum Diodor
T, II. p, 096.
 
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