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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0092

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88

Die Bildhauer.

sehr allgemeinen Ausdrücken. Des Kallon und Hegesias Werke sind nach
Quintilian *) noch hart und den tuscanischen ganz nahe stehend, eben so nach
Cicero'-) die des Kanachos zu herbe, als dass sie die Wahrheit nachahmten.

123 In ähnlicher Weise nennt Lucian3) die alten attischen Werke zugeschnürt,
sehnig und hart, scharf in den Umrissen. Alle diese Urtheile sind aber nur
allgemeine Bezeichnungen für den alten Styl, die nicht auf die feineren Unter-
scheidungszeichen innerhall) desselben eingehen. Denn fragen wir nun weiter,
worin denn z. B. die Aehnlichkeit des Kallon mit den Tuscanern bestand, worin
sich die attische von der aeginetischen Arbeit unterschied, so sehen wir uns
von unsern Gewährsmännern verlassen. Eine Vermuthung habe ich auf die
Vergleichung der aeginetischen Giebelstatuen und der Grabsäule des Aristokles
hin auszusprechen gewagt. Aber schon, dass ich so ungleichartige Werke ver-
gleichen musste, beweist unsere Armuth, und erst ein umfangreicheres Studium
der Monumente wird uns vielleicht in Zukunft einige Entschädigung für die
Mängel der schriftlichen Ueberlieferung gewähren. Noch weniger sind wir über
die Gomposition sowohl einzelner bewegter Figuren, als ganzer Gruppen unter-
richtet. Pausanias, der hier beinahe ausschliesslich unsere Quelle ist, begnügt
sich mit den dürftigsten Angaben und nennt meist nicht mehr, als die Namen
der handelnden Personen: Nestor steht auf gesonderter Basis den neun Heroen
der Achaeer gegenüber, die das Loos erwarten; Taras und Phalanthos stehen auf
dem gefallenen Opis; Apollo von Artemis und Leto, Herakles von Athene zurück-
gehalten, haben den Dreifuss gefasst und kämpfen um dessen Besitz; Herakles
kämpft gegen die Amazone zu Ross: das sind die Angaben, welche er uns über die
Anordnung ganzer Gruppen gewährt, die uns aber über das Künstlerische der
Gomposition gänzlich im Dunkeln lassen. Auch hier also sind wir auf Analo-
gien , theils der aeginetischen Giebelstatuen, theils der grossen Reliefcomposi-
tionen angewiesen, welche uns überall zuerst das Gesetz eines strengen Ent-
sprechens der einzelnen Glieder innerhalb des gegebenen Raumes offenbaren.

In Rücksicht auf die Stoffe, aus denen man bildete, gebührt der vorigen
Periode der Ruhm, neue Bahnen eingeschlagen zu haben; die jetzige bietet
nur die in ihren Folgen freilich äusserst wichtige Erscheinung, dass der Bronze-
guss nicht nur zu einem Gemeingut von ganz Griechenland, sondern das vor-
züglichste Mittel zu künstlerischer Darstellung wurde. Wir begegnen ihm überall
und an vielen Orten fast ausschliesslich. Unter den Werken aeginetischer Künstler

124 finden wir nur ein Xoanon von Kallon, in Sikyon ebenfalls nur ein Xoanon neben
einem Goldelfenbeinbilde von Kanachos, in Argos nur Bronzelulder, endlich noch
Xoana von Laphaüs und Hermon, ein Goldelfenbeinbild von Menaechmos und
Soidas. Nur in Athen begegnen wir ausser den Elfenbein- und Holzbildern des
Endoeos auch noch dem Marmor. Dieses aus den Nachrichten über die Künstler
gewonnene Resultat scheint nun zwar im Gegensatze zu stehen mit den er-
haltenen Monumenten. Denn die bedeutendsten Marmorwerke dieser Periode
sind gerade die aeginetischen Giebelstatuen. Allein wir dürfen nicht vergessen,
dass diese mit der Architektur in Verbindung stehen, und dass dadurch der
Stoff bedingt ist. Dies ist bei den athenischen Marmorwerken nicht der Fall,

J) XII, 10, 7. 2J Brut. 18. 3) Rhet, praec. 9.
 
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