Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0303

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IV. Die griechische Kunst in ihrem Streben nach äusserer Wahrheit. 299

und Lysipp verherrlicht Durch die Bundesgenossenschaft Thebens hebt sich
Arkadien: unter Leitung des Skopas ersteht in dem Athenetempel von Tegea
ein der vorigen Epoche würdiges Prachtwerk. Für Megalopolis, den neuen
Politischen Mittelpunkt Arkadiens, arbeiten mehrere der ausgezeichnetsten
Künstler; für Mantinea Praxiteles. Mit der Wiedererbauung Messene's. noch
gegen das Ende der vorigen Periode, tritt gleichzeitig dort ein einheimischer
Künstler von hohem Verdienste, Demophon, auf. Megara füllt sich mit Werken
des Skopas und Praxiteles. Knidos erlangt seine Berühmtheit erst durch die
Aphrodite; und andere Kunstwerke gesellen sich ihr bei. Von kleineren Orten
zu schweigen, seien hier nur noch Tarent und Rhodos erwähnt, welche in den
Kolossen des Lysipp und Ciliares alle Nebenbuhler durch Gewaltigkeit und
Massenhaftigkeit überbieten zu wollen schienen. Durch diese Verbreitung der
Kunstliebe über ganz Hellas erhielt sich namentlich die religiöse Kunst fort-
während in ihrer Blüthe: denn auch darin folgten diese Städte noch ihren Vor- 427
Fildern, dass sie vor allem auf die Schmückung ihrer Stammesheiligthümer
bedacht waren, oder wenigstens den Göttern die Werke der Kunst weiheten.
Selbst das Wunder dieser Periode, das Mausoleum, möchte ich unter diesem
Gesichtspunkte auffassen: denn obwohl Grabmahl, hatte es doch ganz den
Charakter eines lieroon und stellte sich schon durch die Stelle, auf welcher
es erbaut war, als der Mittelpunkt der Heiligthümer von Halikarnass dar1).

Aber in der Mitte dieser Periode erfolgte ein gewaltiger Umschwung in
Jen politischen Verhältnissen durch den Sieg der makedonischen Alleinherrschaft.
Zwar ist diese selbst nur von kurzer Dauer; aber sie hat in ihrem Gefolge fast
überall die Alleinherrschaft von Königen. Ein König aber macht andere For-
derungen an den Künstler, als ein wahrhaft republikanischer Staatsmann, selbst
wenn dieser factisch die Macht eines Königs ausübt. Er will selbst verherrlicht
sein; und ein Alexander begnügte sich nicht, König von Gottes Gnaden zu
heissen: er nannte sich Sohn des Zeus selbst. So tritt seine Gestalt in den
Kreis der Kunstdarstellungen nicht wie ein gewöhnliches Portrait, sondern wie
das Bild, wenn nicht eines Gottes, doch eines Heros. Ferner aber verlangt er
von der Kunst die Verherrlichung seiner eigenen Thaten, und hierdurch muss
sich allmählig neben der religiösen die historische Kunst ausbilden. Wo finden
wir in der früheren Zeit ein Werk, welches sich mit der Schaar der Reiter vom
Granikos, mit Alexander auf der Löwenjagd vergleichen Hesse? Solche Auf-
träge waren lockende Aufgaben für den Künstler, und kein Wunder also, wenn
wir Männer ersten Ranges, vor allen Lysipp, dann Leochares, Euphranor, im
Dienste des Königs finden. Nach Alexanders Tode erfolgt zwar zunächst der
Verfall seines einheitlichen Reiches; die Kämpfe seiner Feldherren erlauben
denselben nicht, sofort an die Beschützung der Kunst zu denken: und darin
haben wir den Grund zu suchen, weshalb in der nächsten Zeit nur von einigen
Portraitstatuen des Seleukos, Demetrios, Peukestes die Rede ist. Sobald sich
indessen die Herrschaft der Einzelnen befestigt, wendet sich auch den Künsten
die Aufmerksamkeit wieder zu; und in der folgenden Periode finden wir gerade 428
an einem dieser Königshöfe einen Hauptsitz der Kunst.

1) Vitruv II, 8.
 
Annotationen