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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0357

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V. Die Kunst der Diadocbenperiode bis zur Zerstörung Korinths.

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Schauplatze; und wollen wir auch die Schroffheit dieses Satzes noch so sehr
durch den Hinblick auf die Mangelhaftigkeit unserer Ueberlieferung mildern,
immer dürfen wir so viel mit Zuversicht annehmen, dass weder in Athen, noch
in Sikyon während der vorliegenden Periode Künstler lebten, welche durch ihre
persönliche Bedeutung in die fernere Entwickelung selbständig einzugreifen im
Stande gewesen wären. Man wird, das lässt sich nicht leugnen, die Kunst noch
ferner geübt haben, aber geübt in dem alten, gewohnten Geleise ohne eigenes
Verdienst, als etwa das der Ausführung.

Fragen wir nun, wo jetzt die Kunst ihren Wohnsitz aufschlug, so wollen
Wir, ehe wir diese Frage positiv beantworten, noch eine andere, gleichfalls auf-
fällige Erscheinung mehr negativer Art ins Auge fassen. Auf dem Gebiete des
geistigen Lebens nimmt in dieser Periode unbedingt das Reich der Ptolemaeer
mit Alexandria als Mittelpunkt die hervorragendste Stellung ein. Wie erklärt
es sich da, dass neben den Häuptern der Wissenschaft und Litteratur auch
nicht ein einziger Künstler genannt wird (von den wenigen Malern sehen wir
hier ab), durch welchen wenigstens die Existenz einer alexandrinischen Kunst-
schule oder doch Kunstübung bezeugt würde? wie erklärt sich dieses den
übrigen historischen Nachrichten gegenüber, welche nicht nur von der Liebe
der Ptolemaeer zur Wissenschaft, sondern auch zur Pracht, zum Luxus des
Lebens, dem die Kunst dient, vielfältiges Zeugniss ablegen? Ich glaube die
Antwort einfach und bestimmt dahin abgeben zu können, dass in Aegypten
eine einheimische Kunst seit Jahrtausenden geübt ward, und die Ptolemaeer,
obwohl Hellenen, sich deshalb in ihren künstlerischen Unternehmungen den
nationalen Ansprüchen fügen und sich begnügen mussten, eine Umgestaltung
nur allmählich einzuleiten. Erhaltene Kunstwerke, wie die prächtigen Gameen 506
mit Bildern dieses Königshauses, stossen diese Behauptung nicht um: sie ge-
hören nicht der Klasse öffentlicher Denkmäler, nicht der grossen historischen
Kunst an, sondern dienen dem Luxus des Privatlebens. Sehen wir aber, wie
später Aegyptisches in der Religion, und damit auch in der Kunst, selbst in
rein hellenischen Gegenden Eingang findet, so werden wir uns nicht wundern,
wenn es den Ptolemaeern nur in einzelnen Fällen (wie z. B. der Serapisbildung)
gelang, zwischen starrem, tyrannischem Herkommen und freier hellenischer Auf-
fassung eine reine Vermittelung zu finden.

So werden wir nach Ausschluss des eigentlichen Griechenlands und Aegyp-
tens nach der kleinasiatischen Küste gedrängt, wo von Alters her griechisches
Leben, wenn auch lange Zeit ohne politische Selbständigkeit, herrschte. An
den nach Alexanders Tode dort neu gegründeten Königshöfen in neuen Residenzen
konnte es, sobald eine gewisse Beruhigung eingetreten war, den Künstlern an
Beschäftigung nicht fehlen; und ausserhalb der Künstlergeschichte werden uns
auch manche Thatsachen gemeldet, aus denen hervorgeht, dass es an Liebe
zur Kunst bei verschiedenen der neuen Herrschergeschlechter nicht fehlte. Wenn
Wir trotzdem von Künstlern und Kunstschulen nur wenig und nur von wenigen
Orten erfahren, so wird auch hier der Grund wieder der sein, dass es dem
künstlerischen Treiben meist an Selbständigkeit und Originalität gefehlt haben
mag. Waren z. B. in den neugegründeten Städten die Tempel mit Götterbildern
zu schmücken, so gab es für dieselben bereits überall vollendete Muster, an

Brunn, Geschichte der griechischen Künstler. 2. Aufl. 23
 
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