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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0396

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392

Die Bildhauer,

auf einer Reihe von Götterbildern im Porticus der Octavia: nicht weniger sind
in Griechenland seihst seine Söhne Timokles und Timarchides, ferner Eucheir
und Eubulides gerade durch ihre Götterbilder bekannt geworden; und, wenn
ich richtig vermuthet habe, war auch das Bild des höchsten römischen Gottes,
des capitolinischen Juppiter, das Werk des Atheners Apollonios.

Ist sonach die Verwandtschaft der alt- und neu-attischen Kunst im All-
gemeinen als eine sichere Thatsache anzunehmen, so bleibt nur zu untersuchen,
bis zu welchem Grade sich dieselbe im Einzelnen verfolgen lässt. Es ist schon
früher der auffallenden Erscheinung gedacht worden, dass wir von attischen
Künstlern während der Periode der Diadochen durchaus keine Nachricht
haben; und da wir diesen Mangel doch nicht rein auf Rechnung des Zufalls
werden setzen dürfen , so bleibt uns nur die Annahme übrig, dass damals die
attische Kunst, wenn sie auch keineswegs gänzlich untergegangen war, doch
61 in ihrer Entwicklung völlig still gestanden habe. Dass nun nach einer Unter-
brechung von mehr als einem Jahrhundert die wiedererwachte Regsamkeit an
den früher abgerissenen Faden unmittelbar wieder angeknüpft habe, und die
neueren Leistungen eine directe Fortsetzung oder eine weitere Ausbildung der
früher geltenden Prin< i;iien darstellen sollten, ist gewiss von vornherein unwahr-
scheinlich ; und die uns noch zugänglichen Quellen leiten uns in der That auch
auf einen ganz andern Weg. Ich beginne damit, dass Timokles und Timar-
chides an einem Bilde der Athene zu Elatea den Schild nach dem der Parthenos
des Phidias copirten: sowie, dass bei der Wegführung des praxitelischen Eros
aus Thespiae nach Rom die Copie eines Atheners Menodoros an seine Stelle
gesetzt wurde. Unter den erhaltenen Werken ist der Herakles des Glykon die
Wiederholung eines älteren Typus: der Torso im Vatican, so verschiedenartig
sonst auch die Ansichten über seine Restauration sind, wird doch allgemein
nicht für eine durchaus originale Erfindung des Apollonios gehalten; der soge-
nannte Germanicus ist einer Statue des Hermes nachgebildet, die mediceische
Venus der kindischen wenigstens verwandt; die Karyatiden des Diogenes sind
geradezu Copien derer vom Erechtheum. Auf dem schönen Gefässe des Salpion
begegnen wir mehreren Figuren, welche zu den bekanntesten in bacchischen
Vorstellungen gehören, und doch in diese gewiss nicht erst aus dem Werke
des Salpion aufgenommen sind. Sosihios endlich affectirt in einigen Gestalten
sogar den Styl der Kunst vor Phidias. Bei den wenigen noch übrigen Werken
ist es vielleicht nur Zufall, wenn wir sie nicht direct auf ältere Muster zurück-
führen können: durchaus neu und eigentümlich in der Erfindung erscheinen
auch sie nicht.

Sonach bezeichnet auf dem Gebiete des poetisch-künstlerischen Schaffens
die neu-attische Kunst nicht einen weiteren Fortschritt in der Entwickelung,
sondern sie befindet sich in vollständiger Abhnägigkeit von dem, was früher
geleistet worden war; Selbständigkeit und Originalität der Erfindung, wenigstens
im höheren Sinne, ist nicht mehr vorhanden. Damit sollen indessen die Künstler
der eben betrachteten Werke keineswegs zu blossen Gopisten herabgesetzt
werden. Sie schlössen sich älteren Vorbildern in der Gesammtidee und ge-
»62 wohnlich auch in allen wesentlichen Motiven an, ohne jedoch gänzlich darauf
zu verzichten, Einzelnes selbst so weit zu modificiren, dass dadurch der geistige
 
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