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Burger, Fritz [Hrsg.]
Die Villen des Andrea Palladio: ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Renaissance-Architektur — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30359#0052

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in dieser gedrückten, breit hingelagerten Form mit den zierlichen
Säulen, über denen das obere Gesdioß als eine nidht iibel pro-
portionierte Ättika erscheint, an intimem Reiz gewonnen. Der massige
Giebel sitzt sogar recht gliicklich iiber der Fassade, die viel mehr
dem Charakter einer Villa entspridit als der prunkvolle, hochragende
Palast, der nadi Palladios Plan hätte entstehen sollen. Natiirlich
sind in diesem Äufbau die Tiirme ihrer beabsichtigten kiinstlerischen
Funktion ganz beraubt und in der heutigen Form sinnlos geworden.
Äber auch Palladios Villa hätte nadi dem Plan zu schließen, eine
Reihe von Sdiwächen aufzuweisen gehabt, die teilweise schon durch
die oben angegebenen Korrekturen Scamozzis als solche charakteri-
siert sind. Im ganzen ist das proportionelle Verhältnis zwisdien Flügel
und Mittelbau noch kein recht abgeklärtes und bei der an sich nicht
gerade glüddichen Gliederung der Flügel erscheint die zu schmale
Treppenhausfassade zwisdien Türme und Flügel wie eingeklemmt. Die
Äufwärtsbewegung des Mittelbaues wird dadurch gehemmt, daß die
an sich sdion tief liegenden Fenster im oberen Stock in einer Linie
mit dem der anstoßenden Flügel stehen und deshalb in ihrer Vertikal-
bewegung eher zu ungunsten der Wirkung des fein erdachten Portikus
gelähmt werden.

Jedenfalls ist der Bau in Lisiera die älteste Villa Palladios, die
eine neue künstlerisdhe Lösung für die traditionelle Turmfassade ähn-
lich wie Serlio (Taf. VI, 1) versudite. Man wird bei einem Ver-
gleich der beiden Villen aber leidit erkennen, wie sehr Palladio
bestrebt ist, seine Bauten nidit nur durch architektonische Formen,
sondern auch durdi klar unterschiedene Massen zu gliedern, deren
proportionelle Differenzierung im wesentlichen die künstlerisdie Wirkung
ausmadit.

Von den Palladio zugesdrriebenen Sdiöpfungen ist hier zunächst
die Villa Tornieri Schio in Montecchio Precalcino zu nennen, die
Palladio für Conte Bernardo Schio1) gebaut haben soll unter Ver-
wertung eines Teiles der erhaltenen älteren villa rustica. Man kann
daher Verstöße Palladios gegen die Raumproportionen durdi die Be-
rücksiditigung bestehender Mauerwerke erklären. Äber auch der Stil

h Scamozzi II. 46, Taf. XXXVI, XXXVII.

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