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Burger, Fritz [Hrsg.]
Die Villen des Andrea Palladio: ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Renaissance-Architektur — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30359#0137

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VI. Probleme.

Rückblidke und Äusblicke.

Nadi der Beschreibung des einzelnen mag hier ein Rückblick
iiber das Ganze folgen. Der Historiker Ieistet nur halbe Ärbeit, der
bei der Erläuterung des Vorhandenen und Erforsdiung des Gewesenen
stehen bleibt. Das stofflidie Wissen erhält erst Sinn als Äusgangs-
punkt fiir die Erkenntnis der treibenden Kräfte, die im Stoffe
sdiaffend wirken. Wir sind gewohnt, nach Ursache und Folge jeder
Erscheinung zu fragen, und wissen, daß jeder Wille durdi einen
auf bestimmte Zwecke sidi konzentrierenden Organismus bedingt
ist. Dies gilt ebenso für Kunst und Künstler. Es ist dabei gleidi-
gültig, ob man hier an das Einzelindividuum oder eine größere Ge-
samtheit schaffender Persönlidikeiten denkt. Äudi die Kunstgesdiidite
kann den graphisdien Beweis fiir die Parallelität der Ontogenie und
Phglogenie erbringen. Die Frage, ob Individuen die Gesdiichte machen,
oder ob das „milieu“ die primär zeugende Kraft besitzt, sollte heute
besonders in der Kunstwissenschaft nicht mehr mit einem Entweder-
Oder erörtert werden. Jedes Individuum bleibt bis zu einem ge-
wissen Grade ein „£<5ov noXuoxöv“. Wir wissen, daß audi der Größte
der Erbe eines sein Handeln mitbestimmenden Gesamtwillens ist,
der ihn wiederum beerbt und zugleidi das Sammelbecken aller
geistigen und kulturellen Ärbeit bildet, durch die die Einzelleistungen
über die Lebensgrenzen hinaus bewahrt und die Kontinuität des
individuellen Wirkens erhalten wird. „Lebensbedürfnisse und Lebens-
gewohnheiten bilden neben andern immer regulierende Normen, die
den Willen des einzelnen unbewußt auf allen Gebieten des Sdiaffens
bestimmen“ (Wundt). Mehr als für andere Kunstzweige gilt dies
für die Baukunst. Man muß hier von einer Heterogenie des
Zweckes reden, da die Befriedigung des baulidien Bedürfnisses natur-
gemäß mit der künstlerisdien Mitteilung Hand in Hand geht. Wie

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