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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 37.1936

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Weinelt, Herbert: Zur deutsch-mährisch-schlesischen Burgenkunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.35026#0054
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Abb. 74. Schloß Johannesberg. Zeichnung von Fr. Werner in der Stadtbiblio-
thek Breslau laus seiner ScenoAimpNin urbinsu Silssise 1752t.

mit der Aufschrift: 1obann68 V.Lpisoopns
Vratislavionsis arcoin ckivo loanni Lapt.
saoravit et erexit. Die Burg erhielt nun
den Namen Johannesberg und wurde ein
beliebter Sommersitz der Breslauer Fürst-
bischöfe.
Bis in die Neuzeit hinein ist freilich
an dem Bergschloß herumgebaut worden,
aber in den beiden Höfen und an der im
Parke verborgenen Seite bietet sie dem er-
staunten Besucher noch ein Stück des hoch-
entwickelten, spätmittelalterlichen Wehr-
baues.
Der Burgplatz ist durch einen tiefen
Halsgraben von der etwas höheren Berg-
fläche, an derem Rand die Burg liegt, ab-
geschnitten. Umgeben von mehreren, wohl
durchwegs späteren Zwingern, auf deren
Mauern zum Teil an die alten Burgmauern
angebaute, gleichhohe Zubauten stehen, er-
hebt sich das Schloß, dessen alten, ursprünglichen Bestand der jetzige Burggraf Max Müller durch jahrelange Frei-
legungsarbeiten seststellen konnte. Die Hauptburg zerfällt in drei, heute noch klar erkennbare Abschnitte: in die
Hochburg, den mittleren, wehrhaften Burghof und in die Hinterburg. Die Hochburg stellte der Angriffsseite den
mächtigen, runden Bergfried, die Schildmauer und die hier zweckmäßig abgerundete Schmalseite des Palas ent-
gegen. Die Hochburg enthielt neben dem Bergfried und dem Palas nur noch einen kleinen Bau an der Westmauer,
in dem ursprünglich die Burgkapelle untergebracht war. Nördlich an die Hochburg schließt sich der mittlere, noch sehr
gut in seiner Ursprünglichkeit erhaltene Burghof an, und dann an diesen die Hinterburg, die einen zweiten Palas ent-
hielt, der nun im Ebenerd zu einer großen Kapelle umgestaltet ist. In diesem etwa dreieckigen, ganz im Schatten
und Schutz der Hochburg liegenden Teil befindet sich auch der alte,
nunmehr vermauerte Burgbrunnen.
Die Ringmauer der Hochburg war zum hohen Mantel aus-
gebildet und überall so hoch wie der zweistöckige Palas. Aus der
Mauerkrone lief der steinerne, beiderseits vorgekragte Wehrgang,
der an der Westseite der Burg zum Teil noch mit seiner alten Be-
dachung erhalten ist. Die Zwischenräume zwischen den Kragsteinen
waren nicht überdeckt, sondern blieben als Wurf- und Gußlöcher
offen. Da sich an den noch vorhandenen Teilen des Wehrganges
überall klar die spätere Vermauerung der Gußlochreihen erkennen
läßt, so ist zu vermuten, daß sie vordem auch überall vorhanden ge-
wesen sind. Die alten Abbildungen weisen übrigens darauf hin.
Die Westmauern waren durch zwei heute noch vorhandene, ganz
aus der Mauerlinie vortretende Flankierungstürme verstärkt. Bis
zur Höhe des Wehrganges sind die Türme massiv und zeigen einen
langrechteckigen Grundriß. Oben in der Höhe des Wehrganges saß
ein kleines, vorgekragtes Wehrzimmer, dessen äußere Ecken abge-
rundet waren; eines ist noch in seiner ursprünglichen Form erhalten.
Hier macht auch das Schloß noch ganz den Eindruck eines hochentwickelten Wehrbaues.
Denselben Eindruck empfängt der Besucher auch im mittleren Burghof, der mit der gleichen Mantelmauer,
welche die ganze Burg umzieht, eingeschlossen ist. Wieder finden wir hier den gleichen vorgekragten steinernen Wehr-
gang mit den Gußlochreihen. In diesem wehrhaften, engen Hof wollte man wohl den schon bisher vorgedrungenen
Feind durch einen konzentrierten Angriff von oben vernichten.
In der Neuzeit ist der Bergfried bis auf einen Stumpf abgetragen und an seiner Stelle der ovale Konzert-
saal, der genau so hoch wie die Mantelmauer ist, errichtet worden. Über der neuen Kapelle wurde dafür ein einfaches
Glockentürmchen auf das Dach aufgesetzt. Schließlich fielen die weit vorgeschobenen Zwinger und auf den nahe
gelegenen wurden Anbauten errichtet.
Die „Schlesische Wartburg" hat man Johannesberg wegen seiner von keiner zweiten schlesischen Burg über-
troffenen Bedeutung für die deutsche Kulturgeschichte genannt. Karl Ditters von Dittershof, der Schöpfer der deut-
schen komischen Oper, hat hier jahrelang musiziert, der deutsche Freiheitsdichter Freiherr von Zedlitz wurde hier als
Sohn eines Burghauptmannes geboren (29. Februar 1790). Kein Geringerer aber als der Dichter von Deutschlands


Abb. 75. Wiederherstellung des alten Bestandes im
I. Stock des Burgschlosses Johannesberg.
Bergfried. — 3. Palas. — 3. Hof der Hochburg. — 4. Nebenbau,
im Ebeuerd die Kapelle. — 5. Mittlerer, wehrhafter Burghof. —
6. Hiuterburg. — 7. Torgebäudc f ist erst später, aber doch noch im
Mittelalter errichtet worden. — 8. und s. Die beiden Mauertürme.
 
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