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den Kalkklotz sind hier die Spuren von Wehranlagen bis in die vorchristliche Antike zurückverfolgbar, und zwar nicht
nur durch die Verwendung von Spotten im Aufbau der mittelalterlichen Anlage, sondern einzelne Teile der Burg
— so namentlich der Torbau — beruhen noch heute auf den antiken Substruktionen, haben also durch zwei Jahr-
tausende hindurch dieselbe bauliche Konzeption aufrechterhalten. Wir wissen sonst freilich über den Aufriß der
antiken Anlage nichts bestimmtes, wissen auch nicht, wie die Burg im Mittelalter von den Slawen überbaut worden
ist. Bekannt ist lediglich, daß auch Venedig, das zeitweilig Herr von Skutari war, seine besten Festungsbaumeister
daran arbeiten ließ. Dann haben schließlich die Türken ebenfalls noch sehr umfangreiche Anlagen aufgeführt, die
teilweise bis ins 19. Jahrhundert hereinreichen. Es wird demgemäß sehr schwer halten, bei einer systematischen Durch-
forschung der ganzen Anlage die einzelnen Schichten voneinander zu lösen.
Kommt man von Norden her, vom Skutarisee, so erhebt sich der Burgfelsen von Skutari machtvoll wie der
Burgberg von Athen aus dem flachen küstenebenen Land. Auf heimtückisch mit Rundsteinen gepflasterten, steil
cmporziehenden Reitwegen alttürkischer Herkunft, die von allen Seiten her ausstrahlen, oben aber sich Vereinen,
erreicht man schließlich das Burgtor. Das Portal des Toraufbaues weist an der Fassade türkische Schmuckformen auf,
die Grundmauern — sorgsame Quaderschichtung — sind jedoch deutlich erkennbar noch antiker Herkunft; sonst ist
Bruchsteinmauerwerk durchweg die Regel. Inmitten der im übrigen sehr weitläufigen Anlage tauchen auf einem
(heute) freien Feld ältere Grundmauerspuren auf, die
unter aufstehendem Mauerwerk verschwinden — sicht-
licher Beweis für die Verschiedenartigkeit der Schichten,
die in dieser Burg übereinandergebaut worden sind. Als
Bauteile neuerer Herkunft ist außerdem noch eine Flucht
von Kasematten und Ruinen von Kasernen erkennbar,
die indessen das Gesamtbild keineswegs etwa stören. Ins
Mittelalter führt dagegen die an betonter Stelle noch
erkennbare Ruine der Schloßmoschee zurück, die wohl in
Anlehnung an eine mittelalterliche Schloßkirche entstan-
den war. Ein besonderer Mauerring trennt schließlich
den innersten Burgkern von der Vorburg ab, der jedoch
durch neuzeitliche Bauten ziemlich ausgefüllt ist und
seinen alten Inhalt wohl erst nach deren Beseitigung
offenbaren würde.
Die Burg von Skutari hat Wohl den Türken Jahr-
hunderte hindurch als Festung gedient, aber sie ist als
typisch vorislamische Anlage ohne weiteres erkennbar.
Die Türken haben am Balkan überhaupt keine „Burgen"
Abb. 90. Janina. Haupttor des äußeren Mauerrings des sog. hinterlassen. Sie hinterließen an sich nur wenig nennens-
„Serails". Typische türkische Anlage des 18. Jahrh. werte Befestigungsbauten, und abgesehen der kleinen
befestigten Stützpunkte, die eine weitere Beachtung nicht
verdienen, haben sie höchstens in der Befestigung von Siedlungen in Einzelfällen größere Anlagen geschaffen.
Namentlich die Niederlassungen von Mohammedanern wurden von Mauerringen umgeben, die sich an einer Außen-
kante der Stadt dann wieder in einem befestigten „Serail" zusammenschlossen. Ein Einblick, wie diese Anlagen
ausgesehen haben, vermittelt Janina, dessen umfangreiche Befestigung zwar auch erst dem 18. Jahrhundert ent-
stammt, aber die obligate Tradition aufrechterhielt. Auch hier umschließt der machtvolle, oft 10—15 in dicke Mauer-
ring zu Füßen der Burg einen kleinen Stadtteil für sich, Anlagen, wie sie allerdings auch schon im Mittelalter
begegnen, haben wir doch gesehen, daß Burg und Stadt aus der altbalkanischen Entwicklung heraus häufig neben-
einander gestanden haben. Nur, daß die Türken ihren Niederlassungen trotz äußerer Gleichartigkeit in Form und
Zwecksetzung andere Inhalte gaben.
Erwähnung verdient im Zusammenhang mit Albanien schließlich auch noch der Umstand, daß sich während der
Türkenzeit aus der Bautradition der Knien, befestigten Wohntürmen, wie sie in Albanien schon vor der Türkenzeit
heimisch waren, oft recht umfangreiche befestigte Gutshöfe und Herrensitze entwickelt haben, die über die ganze Balkan-
halbinsel zerstreut liegen und einen Typ von Wehrbau darstellen, wie er in Mitteleuropa überhaupt nicht geläufig ist.
4.
Wieder in eine andere Welt führt eine Betrachtung der mittelalterlichen Burgen Griechenlands. Abgesehen
der byzantinischen Bauten, die überall am Balkan wie in Kleinasien ihre gemeinschaftlichen Züge tragen, ist hier
vor allem die einzigartige Gruppe der sog. Frankenburgen höchster Beachtung wert, stellen sie doch regelrechte
Burgen im abendländischen Sinne dar. Entstanden sind sie ziemlich einheitlich im 13. Jahrhundert, anschließend
an den sog. lateinischen Kreuzzug von 1204, nach dem sich bekanntlich französische Kreuzritter in Griechenland nieder-
gelassen und dort nach durchaus französischem Vorbild ein System von Grafschaften, Baronien und Königreichen
den Kalkklotz sind hier die Spuren von Wehranlagen bis in die vorchristliche Antike zurückverfolgbar, und zwar nicht
nur durch die Verwendung von Spotten im Aufbau der mittelalterlichen Anlage, sondern einzelne Teile der Burg
— so namentlich der Torbau — beruhen noch heute auf den antiken Substruktionen, haben also durch zwei Jahr-
tausende hindurch dieselbe bauliche Konzeption aufrechterhalten. Wir wissen sonst freilich über den Aufriß der
antiken Anlage nichts bestimmtes, wissen auch nicht, wie die Burg im Mittelalter von den Slawen überbaut worden
ist. Bekannt ist lediglich, daß auch Venedig, das zeitweilig Herr von Skutari war, seine besten Festungsbaumeister
daran arbeiten ließ. Dann haben schließlich die Türken ebenfalls noch sehr umfangreiche Anlagen aufgeführt, die
teilweise bis ins 19. Jahrhundert hereinreichen. Es wird demgemäß sehr schwer halten, bei einer systematischen Durch-
forschung der ganzen Anlage die einzelnen Schichten voneinander zu lösen.
Kommt man von Norden her, vom Skutarisee, so erhebt sich der Burgfelsen von Skutari machtvoll wie der
Burgberg von Athen aus dem flachen küstenebenen Land. Auf heimtückisch mit Rundsteinen gepflasterten, steil
cmporziehenden Reitwegen alttürkischer Herkunft, die von allen Seiten her ausstrahlen, oben aber sich Vereinen,
erreicht man schließlich das Burgtor. Das Portal des Toraufbaues weist an der Fassade türkische Schmuckformen auf,
die Grundmauern — sorgsame Quaderschichtung — sind jedoch deutlich erkennbar noch antiker Herkunft; sonst ist
Bruchsteinmauerwerk durchweg die Regel. Inmitten der im übrigen sehr weitläufigen Anlage tauchen auf einem
(heute) freien Feld ältere Grundmauerspuren auf, die
unter aufstehendem Mauerwerk verschwinden — sicht-
licher Beweis für die Verschiedenartigkeit der Schichten,
die in dieser Burg übereinandergebaut worden sind. Als
Bauteile neuerer Herkunft ist außerdem noch eine Flucht
von Kasematten und Ruinen von Kasernen erkennbar,
die indessen das Gesamtbild keineswegs etwa stören. Ins
Mittelalter führt dagegen die an betonter Stelle noch
erkennbare Ruine der Schloßmoschee zurück, die wohl in
Anlehnung an eine mittelalterliche Schloßkirche entstan-
den war. Ein besonderer Mauerring trennt schließlich
den innersten Burgkern von der Vorburg ab, der jedoch
durch neuzeitliche Bauten ziemlich ausgefüllt ist und
seinen alten Inhalt wohl erst nach deren Beseitigung
offenbaren würde.
Die Burg von Skutari hat Wohl den Türken Jahr-
hunderte hindurch als Festung gedient, aber sie ist als
typisch vorislamische Anlage ohne weiteres erkennbar.
Die Türken haben am Balkan überhaupt keine „Burgen"
Abb. 90. Janina. Haupttor des äußeren Mauerrings des sog. hinterlassen. Sie hinterließen an sich nur wenig nennens-
„Serails". Typische türkische Anlage des 18. Jahrh. werte Befestigungsbauten, und abgesehen der kleinen
befestigten Stützpunkte, die eine weitere Beachtung nicht
verdienen, haben sie höchstens in der Befestigung von Siedlungen in Einzelfällen größere Anlagen geschaffen.
Namentlich die Niederlassungen von Mohammedanern wurden von Mauerringen umgeben, die sich an einer Außen-
kante der Stadt dann wieder in einem befestigten „Serail" zusammenschlossen. Ein Einblick, wie diese Anlagen
ausgesehen haben, vermittelt Janina, dessen umfangreiche Befestigung zwar auch erst dem 18. Jahrhundert ent-
stammt, aber die obligate Tradition aufrechterhielt. Auch hier umschließt der machtvolle, oft 10—15 in dicke Mauer-
ring zu Füßen der Burg einen kleinen Stadtteil für sich, Anlagen, wie sie allerdings auch schon im Mittelalter
begegnen, haben wir doch gesehen, daß Burg und Stadt aus der altbalkanischen Entwicklung heraus häufig neben-
einander gestanden haben. Nur, daß die Türken ihren Niederlassungen trotz äußerer Gleichartigkeit in Form und
Zwecksetzung andere Inhalte gaben.
Erwähnung verdient im Zusammenhang mit Albanien schließlich auch noch der Umstand, daß sich während der
Türkenzeit aus der Bautradition der Knien, befestigten Wohntürmen, wie sie in Albanien schon vor der Türkenzeit
heimisch waren, oft recht umfangreiche befestigte Gutshöfe und Herrensitze entwickelt haben, die über die ganze Balkan-
halbinsel zerstreut liegen und einen Typ von Wehrbau darstellen, wie er in Mitteleuropa überhaupt nicht geläufig ist.
4.
Wieder in eine andere Welt führt eine Betrachtung der mittelalterlichen Burgen Griechenlands. Abgesehen
der byzantinischen Bauten, die überall am Balkan wie in Kleinasien ihre gemeinschaftlichen Züge tragen, ist hier
vor allem die einzigartige Gruppe der sog. Frankenburgen höchster Beachtung wert, stellen sie doch regelrechte
Burgen im abendländischen Sinne dar. Entstanden sind sie ziemlich einheitlich im 13. Jahrhundert, anschließend
an den sog. lateinischen Kreuzzug von 1204, nach dem sich bekanntlich französische Kreuzritter in Griechenland nieder-
gelassen und dort nach durchaus französischem Vorbild ein System von Grafschaften, Baronien und Königreichen