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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 37.1936

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Busch-Zantner, Richard: Südosteuropäische Burgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.35026#0067
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errichtet hatten. Ihre Burgen sind teilweise recht gut be-
kannt geworden, wenn auch noch lange nicht alle im glei-
chen Maße. Die berühmteste ist wohl Mistra, die bekannt-
lich ja den realen Hintergrund für die mittelalterliche
Burg im Faust II. Teil abgabZ. Die Burg wurde 1245ff.
von Guillaume II. Villhardouin erbaut und überrascht
heute noch als Ruine durch ihre großartige, streng an
abendländischen Traditionen ausgerichtete Anlage. Wür-
dig steht ihr, was den äußeren Anblick betrifft, die Franken-
burg von Patras zur Seite, eine Anlage, die heute noch
als Kaserne dient und deshalb einer näheren Besichtigung
nicht zugänglich ist. Inmitten des krummen Gassengewirrs
der Altstadt erhebt sie sich noch heute beherrschend über
die Einfahrt zum Golf von Korinth. Die Verschieden-
artigkeit der Mauertechnik zeigt selbst bei einen: flüchtigen
Umgang von außen, daß verschiedene Bauschichten fest-
gestellt werden können, neben Partien sorgfältiger Maue-
rung in Wechsellage von Stein und Ziegel folgen Ab- Abb. 91. Mistra. Ruinenfeld aus der Frankenbnrg. 13. Jahrh.
schnitte mit Bruchsteinmauerung, auch Partien mit sehr
regelmäßig gearbeiteten, dunklen Quadern sind vorhanden. Zahlreiches eingebautes antikes Material — so etwa
liegende Säulentrommeln — beweist, daß auch dieser Platz auf eine jedenfalls sehr alte Vergangenheit zurück-
blicken kann.
Mistra und Patras sind naturgemäß nicht die einzigen Frankenburgen. Sie sind vielleicht die repräsentativsten,
aber es gibt neben ihnen auch heute noch Ruinen in größerer Zahl, die oft recht unbekannt geblieben sind. Trotz
des teilweise ausreichenden Schrifttums wäre aber eine einheitliche speziell burgenkundliche Behandlung der Franken-
burgen sehr begrüßenswert, da diese Anlagen nach Norden in den Balkan hinein Einflüsse ausgestrahlt haben, die
keinesfalls unterschätzt werden dürfen und die erst dann richtig gewürdigt werden können, wenn wir über die Franken-
burgen selbst besser unterrichtet sind?).



Am ärmsten an Burgenanlagen und demgemäß auch an Problemen ist heute der bulgarische Raum. Es gab
zwar im Mittelalter auf Grund der Feudalverfassung eine ganze Reihe von Burgen, die inzwischen jedoch alle bis
auf geringe Reste, von denen zu sprechen sein wird, untergegangen sind. Es verdient auch festgestellt zu werden,
daß von den Protobulgaren Reste von Befestigungsanlagen in Aboba, Madara und Preslav vorhanden sind, die
an iranische Beispiele erinnern, Anlagen mit meist fünfeckigen Türmen und mitunter auch komplizierten Toranlagen,
von denen die von Madara wohl am besten erhalten sein dürfte.
Die einzige der noch erhaltenen mittelalterlichen Burgen hingegen ist der Kern der Befestigungsanlage von
Vidin, „Baba Vida" genannt, der wohl noch aus dem 14. Jahrhundert stammen dürfte, und zu dem auch die bei-
den noch erhaltenen wuchtigen viereckigen Türme gehören.
Sonst aber ist auch diese Anlage bis in die Neuzeit herein
von den Türken überbaut worden und dient auch heute
noch praktischen militärischen Zwecken.
Verhältnismäßig größere Bedeutung kommt unter
diesen Umständen der wundervollen Burgruine von Ochrid
zu, die wohl im 10. oder 11. Jahrhundert entstanden sein
wird und die mit zu den bemerkenswertesten balkanischen
Burgen überhaupt gerechnet werden kann. Sie ist auch
insoweit lehrreich, als sie sich auch heute noch typisch als
der Kern einer umfangreichen Ummauerungsanlage zeigt,
die die ganze mittelalterliche Siedlung umfing und von
der noch bescheidene Reste an Mauern verfolgbar sind.
Durch ein großes Tor, in dem noch die mit Eisen beschlage-
nen Türflügel hängen, betritt man den äußeren Mauer-
ring und gelangt dann auf gepflasterten Pfaden gleich

y Struck: Mistra. 1910. — Perilla: Mistra. 1929. —
Busch-Zantner: Feuerstätte i. Hellas. Weimar 1932.
2) Gregorovius: Gesch. d. Stadt Athen. Neuausgabc 1927.
— CH. Diehl: Manuel d'art Byzant. 1926. — Dushnit u. Vol-
bach: Gesch. d. altbulg. Kunst. Berlin 1932.

Abb. 92. Patras. Torturin am Haupttor. 13. Jahrh.
 
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