Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Curtius, Ernst
Gesammelte Abhandlungen (Band 2) — Berlin, 1894

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.33815#0023

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
I. Studien zur Geschichte der Artemis.

7

Der Dienst der Artemis gehört zu den Grundschichten des
griechischen Religionswesens. Sie ist nicht Göttin eines der
hellenischen Stämme; sie ist eine Volksgöttin im weitesten
Ihnfange gewesen, ehe sich das Volk in Stämme und Staaten
giiederte. In den Völkerstürmen, aus denen die Staaten her-
vorgingen, ist sie vergessen worden und Yerschollen, aber aus
dunkler Vorzeit wieder an das Licht getreten, wie die Sage
Yon Astrabakos und Alopehos es darstellt, welche in der Yierten
Generation der Agiaden unter dem Weidengestrüpp des Eurotas-
beties das uralte Holzbild wieder entdeckten.

Ein Kennzeichen des hohen Alters liegt auch darin, dals
wohl Yon Uebertragung gewisser Cultformen, aher Yon einer
ersten Einführung des Artemisdienstes keine Legenden im Volke
Yorhanden waren, wie bei Aphrodite, Demeter, Apollon, Dio-
nysos, welche gutwihig und freudig oder mit Widerstreben und
Ungunst aufgenommen wurden. Solche Adrentsagen fehlen bei
Artemis; denn die Erklärung Yon 77g^cto/c; w
xo,ttco^9-^^^ (Strabon 537) ist keine Volksage, sondern ein
etymologisches Spiel. Wenn sie nächst Zeus am meisten Bei-
namen führte, so erkennen wir daraus, in welchem Umfange sie
einmal das ganze Menschenleben beherrscht hat, und nicht nur
ihr Name ist, wie dies (mit Ausnahme Yon Zeus und Hestia)
bei allen Olympiern der Fall ist, uns wie den Alten unYerständ-
lich, weil diese Namen sämmtlich einer Yorhellenischen Zeit
angehören, sondern auch eine grofse Anzahl der Beinamen,
welche einen ganz besonders alterthümlichen Klang haben, wie
Brimo, Ortho, Lygodesma, Phakelitis, Kordaka, Zea, Issora,
Knakeatis u. a. Bei einigen werden Yerschollene Wörter un-
klarer Bedeutung zur Erklärung herangezogen, wie ftir die
saronische Artemis crct^tortöcg (geborstene Eichen nach

Hesycbios); Knakion aber (vgl. xrKxör, Aeuxör, yru^^ör Hesych.),
womit Knakeatis zusammenhängt, wird als Name des Flusses
angeführt, der in geschichtlicher Zeit Oinus hiefs.

Auch im Oulte finden wir besonders alterthümliche Namen.
80 hiefsen die Hymnen auf Artemis oGrryyor (Athen. 610),
und /.ö,tt^?ot wurden ctc Uy "y7^öptöt i9-utyttör ct^xootrttt (Hesych.)
genannt; xcJJ.ct^tö'cg, xö^öct^ sind alterthümliche Bezeichnungen
der mit ihrem Dienste zusammenhängenden Festtänze.

Die Oultstätten sind, wie die des Zeus, besonders einfacher
Art, ländliche Bezirke in freier Natur, ctAtrt^, d^o,ttot, und wer-
 
Annotationen